Schweiz
Zürich

Strenge Kontrollen vor Guns-n'-Roses-Auftritt in Zürich

Konzertbesucher verweilen auf einer Sicherheitsabschrankung vor dem Letzigrund, anlaesslich des Rock Konzert Guns'n'Roses, aufgenommen am Mittwoch 7. Juni 2017 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Le ...
Wegen strenger Kontrollen gab es beim Guns-n'-Roses-Konzert im Letzigrund lange WartezeitenBild: KEYSTONE

Strenge Kontrollen bei Guns-n'-Roses-Auftritt: «Das verdirbt mir die Freude am Konzert»

Das Guns-n’-Roses-Konzert im Zürcher Letzigrund wurde rigoros abgeschirmt – dadurch entstanden zwei neue Gefahren.
08.06.2017, 05:2708.06.2017, 06:40
Andreas Maurer / Nordwestschweiz
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Drei Helikopter kreisen über dem Letzigrund. Vor dem Zürcher Stadion warten Tausende Leute. Jede und jeder wird einzeln abgetastet. Viele müssen zweimal anstehen. Wer eine Tasche mit sich trägt, die grösser als ein A5-Blatt ist, wird von den Türstehern weggewiesen. Viele reagieren überrascht. Nach den Terroranschlägen in Manchester und London wurden die Sicherheitsmassnahmen kurzfristig erhöht. Für die verbotenen Gegenstände stehen hinter dem Stadion Schliessfächer bereit. Während die ersten Akkorde der Vorband von Guns n’ Roses nach draussen dröhnen, bildet sich hier eine weitere Schlange.

Patricia (27) steht an, um ihre Handtasche abzugeben, in der sie nur ihren Schlüssel und ihr Portemonnaie aufbewahrt. Die Tasche ist ein paar Millimeter breiter als ein A5-Blatt. Sie ärgert sich: «Das ist doch völlig unverhältnismässig. Ich will zwar auch nicht, dass wir heute Abend alle in die Luft gehen. Aber deswegen muss man mir nicht eine leere Handtasche wegnehmen.»

Daniel (40) trägt sein Portemonnaie an einer kleinen Metallkette, damit sie in der Menge nicht unbemerkt gestohlen wird. Nach 20-minütigem Anstehen wird ihm mitgeteilt, dass die Kette ein gefährlicher Gegenstand ist. Er sagt: «Das ist ein Witz. Die Kette ist zu meinem Schutz da. Damit kann ich niemanden erschlagen.»

Daniela (29) steht bereits zum dritten Mal Schlange. Zuerst vor dem Eingang. Dann mit ihrer Tasche vor den Schliessfächern. Und nun vor dem Bierstand, um einen Zweifränkler für das Schliessfach zu wechseln. Sie ist genervt: «Das verdirbt mir die Freude am Konzert.»

Jetzt auf

«Erfolg für den ‹IS›»

Die Terroristen erreichen ihr Ziel erst, wenn sie unseren Lebensstil beeinträchtigen. Das sagt man nach jedem Anschlag. Wenn das Leben in einer Stadt nach der Explosion, nach der Messerattacke oder nach der Amokfahrt weiter geht wie bisher, wertet man dies nicht als Zeichen der Gleichgültigkeit, sondern der Stärke. Man lasse sich vom Terror nicht unterkriegen, heisst es dann.

Strenge Kontrollen auch am Greenfield

Jetzt startet die Openair-Saison
In Interlaken beginnt
die Festivalsaison mit dem Greenfield, dort wird das strenge Sicherheitsregime weitergeführt. Das Open Air sorgte für Schlagzeilen,
als es seine Anti-Terror-Massnahmen
ankündigte. Mittlerweile ist das den
Veranstaltern unangenehm. Cheforganisator
Thomas Dürr will sich nicht
mehr dazu äussern. Er erklärt: «Wir als
Musikfestival, dem Sinnbild von Freiheit,
Ausgelassenheit und Freude, lehnen
es strikt ab, die aktuellen Geschehnisse
rund um den Terror als Promotion
für unser Festival zu verwenden.»

Dabei haben die «IS»-Terroristen ein Ziel längst erreicht. Sie verändern den Lebensstil in der Schweiz, obwohl sie hier bisher keinen Anschlag verübt haben. Die Bombe am Konzert von Ariana Grande in Manchester hat eine psychologische Druckwelle ausgelöst, die bis in den Letzigrund reicht.

Marek Lieberberg ist Chef der Konzertagentur Live Nation, welche die Guns-n’-Roses-Tour organisiert. In Deutschland machte er als Organisator des Festivals Rock am Ring Schlagzeilen, das wegen eines Terroralarms geräumt werden musste. Er enervierte sich, dass die Polizei bei Konzerten rigoroser eingreife als bei Fussballspielen. Inzwischen hat er seine Rolle gewechselt. Er verteidigt auf Anfrage das Sicherheitsregime in Zürich. Er begründet es mit «einer latenten Gefährdungslage, die für alle Bereiche des öffentlichen Lebens in Westeuropa gilt». Er nennt auch eine kaum sichtbare Massnahme im Letzigrund: «Das Umfeld der Veranstaltungsstätte wird mit sogenannten Spottern und Profilern in Augenschein genommen, von der Ankunft der Anlagen bis zu deren Abtransport.»

Neue Sicherheitsprobleme

Die Reaktion auf die «Gefährdungslage» produziert allerdings neue Gefährdungen. Ein Teil des Sicherheitsproblems wird aus dem Stadioninnern in den Aussenbereich verlagert. Das zeigte sich bereits vor einer Woche vor dem Zürcher Hallenstadion, wo die Metal-Gruppe System of a Down vor rund 13'000 Leuten spielte. Es waren die ersten Schweizer Musikfans, die von den Anti-Terror-Massnahmen betroffen waren. Wie vor dem Letzigrund, in dem 50'000 Leute Platz haben, stauten sich vor den Eingangskontrollen Tausende Menschen. Direkt nebenan zirkuliert der Strassenverkehr. Manche Besucher beschlich ein mulmiges Gefühl. Wenn nun tatsächlich von einer Terror-Gefahr auszugehen ist, wäre die Menge vor dem Stadion das einfachste Ziel. Bei den Anschlägen vor dem Fussballstadion in Paris detonierten die Bomben im Aussenbereich.

Beim Hallenstadion-Konzert kam es aus einem weiteren Grund zu brenzligen Szenen. Bei den ersten Konzertklängen wurden die Wartenden unruhig. Es entstand ein Gedränge. Sarah (30) bekam Platzangst: «Ich kriegte fast keine Luft mehr. Zum Glück ist in diesem Moment niemand gestürzt. Ich weiss nicht, was dann passiert wäre.» (aargauerzeitung.ch)

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fw_80
08.06.2017 06:30registriert Juni 2015
Die Veranstalter haben jeden Ticketkäufer über die anstehenden Kontrollen im Vorfeld informiert und erwähnt, dass möglichst keine Gegenstände mitgebracht werden sollen. Auch über die Taschengeösse wurde orientiert. Ich bin um 17:30 Uhr (1,5h) nach Türöffnung innert wenigen Sekunden an den Kontrollen vorbei im Stadion gewesen. Aber wer natürlich in letzter Sekunde vor Ort erscheint ist nach meiner Meinung selber Schuld, wenn er nicht rechtzeitig im Stadion ist. Und von wegen scharfe Kontrollen: Die waren sehr oberflächlich und das Abtasten war gar ein Witz.
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TheRabbit
08.06.2017 06:25registriert Mai 2014
Ich weiss nicht, wo das Problem liegt. Wenn man früh genug da war, konnte man ohne Probleme ins Stadion.

Ausserdem wurden die neuen Sicherheitsvorkehrungen im Voraus mitgeteilt.
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jeanny841
08.06.2017 05:53registriert März 2014
Ich war auch am Konzert und wir hatten keinerlei Probleme, zügig ins Stadion gelassen zun werden. Die neuen Sicherheitsrichtlinien wurden in den letzten Tagen über so viele Kanäle verbreitet (Mail von Ticketcorner an alle Käufer, Radio, Facebook, Zeitungen, usw..), da ist man schon selber Schuld, wenn man es einfach nicht beachtet.
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