Im letzten Jahr transportierte der Fernbus-Riese Flixbus über eine Million Passagiere in und aus der Schweiz. Das zeigen Zahlen, die der «Schweiz am Sonntag» vorliegen. Das entspricht jeden Tag über 17 vollbesetzten Flugzeugen des Typs Airbus A319, wie sie etwa Easyjet einsetzt.
Flixbus blickt auf ein starkes Wachstum zurück. Am wichtigsten Schweizer Standort Zürich verzeichnete die Firma letztes Jahr eine Passagierzunahme von über 30 Prozent. Seit 2013 gehört die Stadt zum Streckennetz, seither wurde das Angebot deutlich ausgebaut. Die beliebtesten Destinationen ab Zürich waren 2016 München und Mailand. Die bayrische Hauptstadt wird bis zwölfmal täglich angefahren.
Ein noch stärkeres Wachstum verzeichnete Flixbus am zweitgrössten Schweizer Halt in Basel. Dort betrug die Zunahme über 300 Prozent. In Basel ist Flixbus erst seit Februar 2015 präsent. Auch ab Basel war München die Destination Nummer 1, während auf Platz zwei Freiburg im Breisgau folgte.
Fernbusse sind damit zur ernstzunehmenden Konkurrenz für die Bahn geworden. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 zählten die SBB im internationalen Verkehr 7,5 Millionen Reisende. In den Jahren zuvor waren die Zahlen stetig gesunken. Seither halten die SBB die Zahlen unter Verschluss – «aus Konkurrenzgründen», wie Sprecherin Masha Foursova sagt. Die Berichterstattung des Bundes zeigt, dass der Auslandverkehr der SBB im Jahr 2014 zurückging, während 2015 eine Stabilisierung eintrat.
Die SBB seien sich bewusst, dass sich der gesamte Mobilitätsmarkt in einem Umbruch befinde, sagt Foursova. Fernbusse seien Vorboten neuer Mobilitäts-Angebote, auf die sich die SBB seit Jahren vorbereiteten. Wichtig sei, dass alle Anbieter in Zukunft die gleichen Rahmenbedingungen hätten, damit ein echter Wettbewerb spiele. Fernbusse seien insbesondere bei kürzerer Reisedauer eine Konkurrenz.
Auf ihrer Paradestrecke zwischen Zürich und München sind die Busse schneller als die Bahn. Die Eurocity-Züge wurden im Dezember weiter verlangsamt, indem sie ins Taktsystem eingefügt wurden und neu sogar in Orten wie Uzwil oder Gossau Halte einlegen. Auf der hart umkämpften Strecke zwischen Zürich und Mailand hat die Bahn mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels wieder aufgeholt – doch der Vorsprung beträgt nur 20 Minuten, bei deutlich tieferen Ticketpreisen des Busses.
Die tiefen Buspreise kommen nicht von ungefähr. Die Linien durch die Schweiz werden von verschiedenen Drittunternehmen im Auftrag von Flixbus betrieben. Diese Unternehmen kommen nicht aus der Schweiz, sondern vornehmlich aus Deutschland oder Frankreich. Dementsprechend tief sind die Löhne: 2000 Euro brutto verdient ein Busfahrer durchschnittlich in Deutschland.
Für Aufsehen sorgte Anfang Jahr eine RTL-Reportage, in welcher berichtet wurde, dass ein Buspartner aus Lörrach seine Fahrer mit dem privaten Auto nach Zürich und zurück fahren lasse, um dort den Bus der Linie Zürich-Mailand-Zürich zu übernehmen. Dabei gelte die Zeit im Auto nicht als Arbeitszeit, was zu sehr langen Arbeitstagen führe. Flixbus dementiert die Anschuldigungen. Bis Ende 2015 – der RTL-Beitrag wurde zuvor gefilmt – habe der Fahrerwechsel zwar in Zürich stattgefunden, heisst es in einem Statement des Buspartners. Die Anfahrt habe aber selbstverständlich als Schichtzeit gegolten und sei als Arbeitszeit vergütet worden. Die Darstellung sei irreführend und gewisse Aussagen «schlichtweg falsch». RTL musste den Beitrag inzwischen vom Netz nehmen: Flixbus hatte mit einer Unterlassungsklage vor dem Landesgericht Köln Erfolg.
Der Fernbus-Boom zwingt auch die Städte zum Handeln. Zürich plant, den bestehenden Carparkplatz am Sihlquai mit neuen Warteräumen, WCs und einem Kiosk aufzuwerten. Der Kanton Basel-Stadt will einen neuen Car-Terminal bauen. Solche Pläne begrüsse Flixbus natürlich, sagt Geschäftsführer André Schwämmlein. Mit dem aktuellen Halteort am Bahnhof SBB sei man aber «absolut zufrieden» und hoffe, dass der Fernbushalt dauerhaft dort oder in der Nähe etabliert werde.
Update 8. Februar 2016: Der zweit- und drittletzte Abschnitt des Textes sind gegenüber der ursprünglichen Fassung neu formuliert.