Den Schülerinnen und Schülern in der Schweiz reicht's! Sparmassnahmen an öffentlichen Schulen nehmen ihrer Meinung nach immer grössere Formen an. Erst letzten Herbst bekamen Luzerner Schulen eine Woche lang Zwangsferien, um Kosten zu sparen.
Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, plante der Verband Luzerner Schülerorganisationen (VLSO) einen Schülerprotest. Die Organisation wurde 2013 innerhalb weniger Stunden gegründet, als von Politikern zum ersten mal die Idee der Zwangsferien vorgeschlagen wurde. Drei Jahre später musste sich die VLSO geschlagen geben – die Zwangsferien wurden Realität. Jetzt möchte die Schülerorganisation zurückschlagen, und zwar nicht nur in Luzern, sondern im ganzen Land.
Die Luzerner Schülerorganisation realisierte schnell, dass sie kein Einzelfall sind. Aus der ganzen Schweiz hörten sie ähnliche Geschichten. Es wurde beschlossen, dass die Protestaktion in Luzern auf die ganze Schweiz ausgeweitet werden soll. «Unser Ziel ist, die Regierung und die Bevölkerung auf ungerechte Sparmassnahmen in der Bildung aufmerksam zu machen», erklärt Samuel Zbinden von der VLSO am Telefon.
Der 18-jährige Schüler von der Kanti Sursee (Luzern) ist Hauptorganisator der schweizweiten Protestaktion, auch wenn er diesen Fakt bescheiden runterspielt. «Der ‹Siebnerbund› hat die Aktion zusammen geplant», sagt der Teenager und meint damit die Köpfe hinter dem Protest. Wer das genau ist, erklärt der Teenager hochmotiviert – obwohl er sich gerade an der Aushebung des Militärs befindet.
Die Planung des Schülerprotestes war eine bürokratische Höchstleistung. Zu allen kantonalen Schülerorganisationen der Schweiz seien Kontakte aufgenommen worden. Wo es noch keine gab, wurden flugs welche gegründet. Zusammen wurde dann im März das Bündnis «#KeLoscht auf Abbau bei der Bildung» gegründet, mit dem Ziel, am 5. April einen landesweiten Protest abzuhalten.
Der Grossteil der Planung fand über WhatsApp statt, nur selten über Skype und nur zwei Mal gab es ein physisches Treffen. «Es war uns wichtig, dass wir uns doch auch richtig sehen», erklärt Zbinden. Der Schüler muss laut in den Hörer sprechen, im Hintergrund hört man viel Lärm und Zbinden beschreibt schelmisch, wie er von den Aufsehern «zusammengeschissen» wurde und gefälligst aufhören soll, zu telefonieren.
Obwohl er kurz vor der Matur steht, findet er Zeit, den wohl grössten Schülerprotest der Schweiz zu organisieren. Gut möglich, dass er gar nicht realisiert, auf welchem Niveau er da gerade Politik betreibt.
Zusammen mit seinen Mitstreitern aus dem «Siebnerbund» entschied Zbinden sich für das Motto «#KeLoscht». Keine Lust auf schlechteren Deutschunterricht, keine Lust auf Zwangsferien, keine Lust auf Bildungsabbau.
Timothy Oesch, Aktuar und Mediensprecher der Zürcher Schülerorganisationen ZSO, ist Co-Organisator der schweizweiten Protestaktion. Der 17-jährige Schüler der Kantonsschule Zürich Nord ist ebenfalls Feuer und Flamme für die Aktion. «Es geht nicht, dass Kantone Steuern für Reiche und Unternehmen senken und dann im Sozial- und Bildungsbereich sparen», sagt Oesch. Spezifisch in Zürich sollen zum Beispiel Freifächer wie Robotik gekürzt werden, erklärt er. «Dagegen hilft nur Aktivismus!», sagt der Schüler.
Oesch vertritt 20 von 21 Kantonalzürcher Gymnasien und damit die überwältigende Mehrheit der Zürcher Mittelschüler. Scheinbar mühelos meistert er Schulalltag, Zürcher Schülerorganisation und Protestaktion. Er komme gerade von einer Prüfung, aber es sei nur Französisch gewesen, witzelt Oesch mit einem Lächeln.
Tiziana Nauer, Organisatorin des Protestmarsches in Aarau, war am Anfang überrascht, welche Ausmasse das Bündnis annahm. «Für uns war aber sofort klar, dass wir uns mit Luzern solidarisieren. In Aarau erleben wir die gleichen Sparmassnahmen», sagt die 19-jährige Schülerin der Kantonsschule Aarau.
Geld für das Freifach Musik bleibt aus. Neu kostet es 1000 Franken. Ein Betrag, den sich viele nicht leisten können, erklärt Nauer. Obwohl es kein Freifach Politik gibt in der Kantonsschule, setzten sich Schülerinnen und Schüler zusammen und diskutierten über die aktuelle Lage. Das Interesse an Politik scheint gross, deshalb soll das Freifach Politik bald wieder eingeführt werden, erklärt Nauer. Ihre Leidenschaft wurde durch das Engagement definitiv geweckt. Die Schülerin will nach ihrer Matur Internationale Beziehungen studieren.
Beim Organisationskomitee des Schülerprotestes findet sich keine Spur von «jugendlicher Faulheit» – im Gegenteil. Zbinden, Oesch und Nauer erwarten den grössten Schülerprotest in der Geschichte der Schweiz. Doch auch nach der Demo soll es weitergehen mit dem Engagement.
Eine Arbeitsgruppe soll in naher Zukunft die Interessen der Lernenden vorantreiben. Ein Gespräch mit Silvia Steiner, der Zürcher Bildungsdirektorin, ist bereits geplant.
Die Meinung von Schülerinnen und Schülern sei absolut legitim und müsse von Regierung und Bevölkerung berücksichtigt werden, findet das Organisationskomitee.