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Bilaterale: Schweiz stösst bei der EU auf taube Ohren

Ernüchterung in Brüssel: Simonetta Sommaruga und Jean-Claude Juncker.
Ernüchterung in Brüssel: Simonetta Sommaruga und Jean-Claude Juncker.
Bild: Virginia Mayo/AP/KEYSTONE

Stille Nacht in Brüssel: Schweiz und EU finden keinen Weg aus der Sackgasse

In den Gesprächen mit der EU über die Personenfreizügigkeit und das Rahmenabkommen herrscht Stillstand. Schweizer Lösungsvorschläge stossen in Brüssel auf taube Ohren.
22.12.2015, 08:5722.12.2015, 09:24
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Wer gehofft hatte, die vorweihnachtliche Besinnlichkeit werde zu einer Entspannung im Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union beitragen, wurde eines Besseren belehrt. Das Treffen von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem luxemburgischen Aussenminister Jean Asselborn am Montag in Brüssel verlief aus Schweizer Sicht ernüchternd. Statt «O du fröhliche» gab es «Stille Nacht».

«Eine einseitige Auslösung einer Schutzklausel kommt nicht in Frage», sagte Juncker vor den Medien. Der Bundesrat hatte vor rund zwei Wochen im Streit mit der EU um die Umsetzung der SVP-Zuwanderungsinitiative eine solche Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit ins Spiel gebracht. Falls es in den Gesprächen mit Brüssel keine Lösung gibt, will der Bundesrat sie notfalls einseitig anwenden.

Solchen Ideen hat Jean-Claude Juncker nun eine Abfuhr erteilt. Simonetta Sommaruga machte dennoch auf Zweckoptimismus. Man habe in den bislang zehn Gesprächsrunden Fortschritte gemacht. Schliesslich habe die EU mit der Schweiz anfangs gar nicht über die Zuwanderung sprechen wollen. Der politische Wille, eine Lösung zu finden, sei auf beiden Seiten vorhanden.

Die Zeit drängt

Gleichzeitig dämpfte die Justizministerin allzu hohe Erwartungen. Ob man am Schluss eine gemeinsame Lösung finden werde, «das kann ich ihnen heute nicht sagen». Die Konsultationen sollen im kommenden Jahr weitergeführt werden, doch die Zeit drängt. Im März will der Bundesrat sein Konzept für die Schutzklausel vorlegen. Und weniger als ein Jahr später läuft die dreijährige Übergangsfrist zur Umsetzung des Zuwanderungsartikels in der Verfassung ab.

Die Zeit läuft gegen die Schweiz, und das weiss man in Brüssel haargenau. Auch auf der zweiten Baustelle, den Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen, geht es kaum vorwärts. Im umstrittensten Punkt ist keine Annäherung in Sicht. Die EU verlangt, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Streitfällen über die Auslegung der bilateralen Verträge verbindlich entscheidet. Die Schweiz will ihn höchstens als eine Art Gutachter akzeptieren. «Wir wollen keine fremden Richter», bekräftigte Aussenminister Didier Burkhalter Anfang Dezember.

Schiedsgericht als Ausweg?

Einen möglichen Ausweg präsentierte das Forum Aussenpolitik (foraus), ein unabhängiger Thinktank, am Montag in Bern. Demnach soll nicht der EuGH in einem Konfliktfall entscheiden, sondern ein Schiedsgericht am Ständigen Gerichtshof in Den Haag, welches sich gleichmässig aus Schweizer und EU-Vertretern zusammensetzt. Auf diese Weise würden nicht «fremde», sondern vielmehr «gemeinsame Richter» abschliessend über einen Auslegungskonflikte in den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU entscheiden.

Der EuGH steht im Zentrum des Konflikts um ein Rahmenabkommen.
Der EuGH steht im Zentrum des Konflikts um ein Rahmenabkommen.
Bild: Geert Vanden Wijngaert/AP/KEYSTONE

Der unbeteiligte Beobachter stimmt spontan zu und fragt sich gleichzeitig: Ist das Aussendepartement (EDA) nicht schon selber auf diese Idee gekommen? Es ist sehr wohl, wie das EDA auf Anfrage von watson mitteilte: «Dieser Vorschlag ist nicht neu. Schiedsgerichte finden sich tatsächlich auch verschiedentlich in Abkommen der EU mit Drittstaaten.» Was die Auslegung von EU-Recht betreffe, akzeptiere die EU allerdings keine andere Instanz als den EuGH.

Keine Akzeptanz bei der EU

Die Schweiz hat laut EDA bei der EU in dieser Angelegenheit sondiert, doch sie habe keine Bereitschaft gezeigt, ein Schiedsgericht für die Streitbeilegung mit der Schweiz zu akzeptieren. «Das Verhandlungsmandat der Schweiz schliesst eine solche Lösung daher aus», teilt das EDA unzweideutig mit. Das Schweizer Mandat sehe keine Unterstellung unter eine Gerichtsbarkeit vor, sondern letztlich eine politische Beilegung der Streitigkeiten im gemischten Ausschuss.

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Leichter gesagt als getan. In diesem Bereich dürfte eine Lösung ähnlich schwierig zu erreichen sein wie beim Freizügigkeitsabkommen. Dabei ist heute schon absehbar, dass 2016 zum Jahr der Entscheidung wird: Kann die Schweiz den bilateralen Weg weiter beschreiten. Derzeit ist dieser eine Sackgasse.

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Wenn sich da die EU und die Schweiz nicht näher kommen: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sehr innig.
quelle: x01164 / francois lenoir
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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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guby
22.12.2015 09:35registriert August 2015
Ich finde mich normalerweise nicht in der Meinung der SVP wieder. Zum Beispiel sehe ich die wörtliche Auslegung der MEI kritisch. Jedoch will auch ich so wenig "fremde Richter" wie möglich. Das Mitspracherecht ist imho nichts als eine Farce, gemessen an der Bevölkerungszahl kann die Schweiz in einem Koloss wie der EU doch überhaupt nichts ausrichten. Und ich für meinen Teil schätze unsere Demokratie. Immerhin müssen dieselben Leute die die Entscheidungen treffen auch die Konsequenzen tragen. Wenn das Volk nicht mehr entscheiden darf haben wir bald verstärkte PEGIDAS und brennende Asylheime.
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