Den Spiess umdrehen. Unter diesem Motto wollen Frauen für Gleichberechtigung sorgen. Nicht etwa, indem sie Lohnerhöhungen oder mehr Krippenplätze fordern. Nein, sie wollen, dass sich Männer ausziehen und in sexy Posen werfen. Halbnackte Frauenkörper gehören in der Öffentlichkeit seit vielen Jahren zur Normalität. Jetzt soll es auch normal werden, dass Männerkörper ästhetisch inszeniert werden.
Das dachte sich auch die Winterthurerin Laura Schneider. Zusammen mit Carol Rothenfluh gründete sie «Guys on Tops», ein Modelabel, auf denen Männer in witzigen sexy Posen auf T-Shirts abgebildet sind. Sie habe immer schon gerne bedruckte T-Shirts getragen, oft seien darauf gut aussehende Frauen abgebildet gewesen, sagt Schneider. «Mich störte, dass es nicht auch T-Shirts mit nackten Männerkörpern gab.» Sie durchforstete das Internet danach und wurde nicht fündig. Kurzerhand entschloss sie, selbst ein T-Shirt zu entwerfen.
In ihrem Kollegenkreis stiess das Werk auf grossen Anklang. Auch bei Männern kommt Schneiders selbst bedrucktes T-Shirt gut an. Sie beschloss, daraus ein Geschäft zu machen. Inzwischen ist das Crowdfunding dafür erfolgreich abgeschlossen und Schneider hat genug finanzielle Mittel zusammen bekommen, um eine grössere Menge T-Shirts fair und nachhaltig zu produzieren und zu vertreiben. Ihr Projekt sieht Schneider als ein feministisches mit einem Augenzwinkern. Sie sagt: «Natürlich sind unsere T-Shirts nicht weltbewegend, aber wir kurbeln damit eine Debatte über stereotype Rollenbilder an. Mal aus einem anderen Blickwinkel.»
Halbnackte Männer sind heute gerade in der Werbung keine Seltenheit mehr. So wirbt derzeit das Internet-Warenhaus Siroop mit einem Mann ohne Shirt, der von Sirup übergossen wird. Darunter prangt der Slogan: «Siroop auf heisses Gerät».
Auch der lasziv in die Kamera blickende David Beckham mit dicken Unterhosen ist der Frauenwelt wohl noch in guter Erinnerung.
Neu an solchen Bildern ist, dass Pop-Feministinnen der jüngsten Stunde damit der Geschlechterdebatte einen neuen Dreh geben wollen. Nebst Projekten wie demjenigen von Schneider werden Männer auch in anderen Kontexten leicht bekleidet als Statement für den Feminismus benutzt.
So inszenieren sich bekannte Popgrössen als starke Frauen auf der Bühne und untermauern ihre Botschaft mit tanzenden Männern in Unterhose.
Jennifer Lopez will im Videoclip zu ihrem Song «I Luh Ya Papi» für Geschlechtergerechtigkeit sorgen. Ihre Freundin sagt darin: «Warum werden andauernd Frauen objektiviert. Warum können nicht für einmal wir die Männer objektivieren?» Also werden halbnackte Männer in aufreizenden Posen aufgefahren. Sie putzen Autos und bespritzen sich dabei mit Schwämmen oder lassen sich von den feiernden Frauen Prosecco in die Badehosen fliessen.
Bei Projekten wie jenem von Schneider, bei Videoclips wie dem von Jennifer Lopez und Bildern wie dem von David Beckham wird klar: Es sind heute nicht mehr nur die Frauen, die als Objekte inszeniert werden.
Doch ist das tatsächlich eine feministische Errungenschaft? Und was bringt uns diese Entwicklung?
Experten sind kritisch. Nicolas Zogg von der Männerorganisation «Männer.ch» findet es problematisch, wenn Sexismus einfach umgekehrt wird und Männer auf ihren Körper reduziert und in ihrer Darstellung erniedrigt werden. «Ich finde es gleichermassen irritierend wenn Männer als Objekte dargestellt werden, wie wenn dies bei Frauen passiert. Damit leistet man keinen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit.»
Es könne nicht generell gesagt werden, dass mit der Darstellung von nackten Männern der Spiess umgedreht werde. Vielmehr würden die Körper der Männer objektiviert und das zunehmend muskulöse Körperideal reproduziert. Gleich wie bei Frauen bringe das auch die Männerwelt unter Druck.
Bei den T-Shirts von Schneider sieht Zogg es weniger streng. Er sagt, die abgebildeten Männer würden hier nicht in erniedrigender Art und Weise abgebildet, sondern in witzigen und ästhetischen Posen, die ihre alltäglichen Rollenbilder umkehren oder infrage stellen. So posiert auf dem einen Bild beispielsweise ein Mann nackt in der Küche und giesst Milch in eine Schüssel. Auf einem anderen bedient ein nackter Mann eine bekleidete Frau, steht dabei jedoch. Der Grat zwischen humorvoller und ästhetischer Darstellung und problematischer Zuschreibung sei jedoch schmal.
«Vielleicht ist es im ersten Moment interessant, ein solches Bild anzuschauen und vielleicht kann es auch eine Debatte anstossen», sagt Zogg. Aber besonders hilfreich, um auf Geschlechterungleichheiten aufmerksam zu machen, seien solche Fotos vermutlich nicht.
Ähnlich schätzt dies auch Dominique Grisard ein. Sie ist Geschlechterforscherin an der Universität Basel. Sie sagt, zwar sei in den letzten zehn Jahren das Bild von Männlichkeit in Bewegung geraten und werde seither vielfältiger dargestellt. So inszeniere die Werbung nun auch Männer als Begehrensobjekte, wo nackte Haut und gar Emotionen gezeigt werden dürfe.
«Aber anders als Frauen können sie ihren Status als handelnde Subjekte bewahren. Ihre Stärke und Potenz verlieren sie nicht. Leicht bekleidete Frauen werden hingegen als Objekte wahrgenommen», sagt Grisard. Deswegen könne nicht von einer Ausbalancierung der Geschlechtergerechtigkeit gesprochen werden, wenn Männer leicht bekleidet posieren.
Grisard findet, mit solchen Umkehrungen könne vielleicht für Irritation oder Belustigung gesorgt werden. Das sei nicht unbedingt schlecht, wenn man bedenkt, dass damit die Leute ein wenig zum Denken angeregt werden. Doch das Machtgefälle, das entsteht, wenn Frauen nackt dargestellt werden, könne nicht damit ausgehebelt werden, in dem dasselbe Prinzip auf Männer angewendet werde.