Es war vor vier Jahren, als Edward Snowden die Welt in Atem hielt. Der Whistleblower machte die fragwürdigen Spähprogramme der grossen Geheimdienste publik. Seine Enthüllungen haben eine wichtige Debatte über die Grenzen der Überwachung losgetreten. Angesichts dessen gerät rasch einmal in Vergessenheit, dass es auch das gibt: die ganz alltägliche, gerichtlich angeordnete Überwachung durch die Strafbehörden.
12'990 Überwachungen haben Polizei und Staatsanwaltschaften in der Schweiz allein im vergangenen Jahr angeordnet. In über 95 Prozent der Fälle waren Handys betroffen (siehe auch Grafik). Der Katalog reicht von einfachen Halterabfragen bis zu aufwendigen Telefonabhörungen. Das alles kostet viel Geld: 2500 Franken müssen die Strafverfolger etwa für die Echtzeitüberwachung eines Telefons an den Bund bezahlen. Dort ist der Dienst ÜPF (Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr) für entsprechende Massnahmen zuständig. Insgesamt überwiesen die Kantone dafür fast 13 Millionen Franken 2016.
Die Strafverfolger beschweren sich regelmässig über die ihrer Ansicht nach zu hohen Gebühren. Doch bald dürfte sie die Überwachung noch teurer zu stehen kommen: Der Bundesrat will die Preise für die Kantone um durchschnittlich 70 Prozent erhöhen. Bis Ende Juni läuft dazu die Vernehmlassung, ab Anfang nächsten Jahres soll das neue Gebührenregime gelten.
Die nationale Staatsanwälte-Konferenz hat sich bereits deutlich dagegen ausgesprochen. Es bestehe die Gefahr, dass die Ermittler künftig nur noch an die Kosten denken müssen. Man könne die hohen Tarife schliesslich kaum auf die Beschuldigten überwälzen.
Noch drastischere Worte wählt man beim Verband der Schweizerischen Polizeibeamten. «Schon die heutigen Gebühren sind jenseits von Gut und Böse», sagt Generalsekretär Max Hofmann. «Der neue Vorschlag grenzt aber an Abzockerei.» Die Justiz würde «schlicht in ihrer Arbeit behindert». Die Polizeibeamten befürchten, dass dies den Kriminellen in die Hände spielen wird. Konkret müssten die Behörden mit dem neuen Regime gemäss Hofmann wohl öfter auf die Überwachung von Verdächtigen verzichten. Genau diese Angst formulierte jüngst auch der Aargauer Innendirektor Urs Hofmann (SP) in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung».
Nils Güggi vom Dienst ÜPF will den Vorwurf der Abzockerei nicht gelten lassen. «Kein Ermittler wird wegen des Geldes auf eine nötige Überwachung verzichten», sagt er. Umgekehrt sei es ja auch nicht so, dass Überwachungen heute nur angeordnet werden, weil genug Geld vorhanden ist. Ohnehin würden die Kosten für die Überwachung lediglich einen Bruchteil der Budgets der Strafbehörden ausmachen.
Zum einen ist die Erhöhung der Gebühren laut dem zuständigen Justizdepartement notwendig, weil Dutzende Millionen Franken in ein neues Überwachungssystem investiert werden müssen. Zum anderen kann der Dienst ÜPF derzeit lediglich die Hälfte seiner Kosten decken. Oder mit anderen Worten: Der Bund subventioniert die Überwachung der Kantone jährlich in Millionenhöhe. Deshalb forderte die Eidgenössische Finanzkontrolle kürzlich in einem Bericht, dass dem Verursacherprinzip vermehrt Rechnung zu tragen sei. Für Güggi allerdings ist klar: «Selbst mit höheren Gebühren wird der Bund jährlich bis zu 15 Millionen Franken einschiessen müssen.»
Ein Grossteil der Gebühren fliesst an Telekomunternehmen wie Swisscom, Salt und Sunrise. Auch sie wehren sich gegen den Vorwurf, Kasse zu machen mit Überwachung – und fordern im Gegenzug gar mehr Geld dafür. Der Branchenverband Asut äussert sich gegenüber der «Nordwestschweiz» erstmals zu den Plänen des Bundes.
«Die Telekomunternehmen müssen weiterhin einen Teil der Überwachungskosten selber tragen», sagt Verbandschef Christian Grasser. Das bedeute letztlich, dass ihre Kunden indirekt für die Fernmeldeüberwachung aufkommen müssten. Tatsächlich will der Bundesrat die Entschädigungen für Telekomunternehmen im nun vorliegenden Vorschlag kaum anheben. Die höheren Gebühren sollen hauptsächlich dazu dienen, die zusätzlichen Aufwände beim Dienst ÜPF des Bundes zu finanzieren.
Die grossen Anbieter unterhalten mehrköpfige Teams, die sich Tag und Nacht um die Überwachung kümmern. Die Mitarbeiter müssen unter anderem Abhöraktionen ermöglichen oder Informationen liefern, mit wem ein Verdächtiger kommuniziert hat. Gleichzeitig sind die Anbieter verpflichtet, ihre Infrastruktur zur Überwachung auf dem neusten Stand zu halten.
Am Ende geht es also um eine Grundsatzfrage, die jedoch auch in der Vernehmlassung zu den neuen Gebühren kaum beantwortet werden dürfte: In welchem Ausmass muss der Staat für Überwachungskosten aufkommen, die er bei privaten Firmen verursacht?