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Sackgasse Zürich – mit dem Präsidenten der Auto-Partei durch die rot-grüne Hölle

The Driver 99, aka Daniele Weber, vor seinem Dodge Journey: zwei Liter Turbodiesel, 170 PS, Sieben-Plätzer, Automat – «nichts Aussergewöhnliches».
The Driver 99, aka Daniele Weber, vor seinem Dodge Journey: zwei Liter Turbodiesel, 170 PS, Sieben-Plätzer, Automat – «nichts Aussergewöhnliches».bild: watson

Sackgasse Zürich – mit dem Präsidenten der Auto-Partei durch die rot-grüne Hölle

Die Auto-Partei war einst eine laute, unbequeme Stimme am äussersten rechten Rand. In den 90er-Jahren noch im Nationalrat vertreten, schrumpfte sie in den folgenden Jahren bis zur Bedeutungslosigkeit. Ganz weg war sie aber nie. Daniele Weber will die Partei in Zürich nun wieder auf die Erfolgsspur führen. Ein ambitioniertes Unterfangen. Wir waren mit ihm auf Spritztour.
26.05.2017, 09:1526.05.2017, 12:08
William Stern
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The Driver 99 hat sich verfahren. Unter der Hardbrücke geht es nicht weiter, Endstation. Die Orientierung von Daniele Weber hat sich irgendwo im Dickicht der improvisierten Verkehrsschilder und rotweissen Bauabsperrungen verflüchtigt. Weber flucht leise und sieht seine These bestätigt: Die Stadt Zürich ist eine Autohölle, eine Ansammlung von Schandflecken.

Mittwochnachmittag, 14 Uhr, vor der Best Car-Wash-Anlage in Zürich Hardbrücke. Das Thermometer steht auf 26 Grad, der bislang heisseste Tag des Jahres. Vor einer Mischform aus Kombi und SUV steht ein Hüne von einem Mann in blütenweissen Chinos und kakifarbenen Krokodillederschuhen. Kantiges Kinn, kurzgeschorene Haare, kleine Tolle, Sonnenbrille. Ein Alpen-GI-Joe auf Sommerurlaub. Der Mann schwitzt offenbar nicht. Anders ist nicht zu erklären, dass während der folgenden zwei Stunden die Klimaanlage auf niedrigster Stufe bleibt.

Daniele Weber, 45 Jahre alt, Arbeiterkind aus Albisrieden, hochgeschaltet zum Abteilungschef einer mittelgrossen Speditionsfirma in Rotkreuz, hat eine Mission: Er soll die Auto-Partei, in Glanzzeiten mit acht Sitzen im Nationalrat vertreten, zurück auf die Erfolgsspur führen. Nur, so richtig ernst nehmen will das niemand. Dass es die Auto-Partei überhaupt noch gibt, wissen die wenigsten. Selbst ehemalige Weggefährten zeigen sich überrascht darüber, dass die Benziner noch immer unterwegs sind.

Stau am Escher-Wyss-Platz. Horror für Daniele Weber, aka The Driver 99 auf Twitter.
Stau am Escher-Wyss-Platz. Horror für Daniele Weber, aka The Driver 99 auf Twitter.bild: watson

Sechs kantonale Sektionen zählt die Auto-Partei laut der offiziellen Website. Bern, Luzern, Solothurn, Thurgau, St.Gallen. Über die Mitgliederzahlen schweigt man sich aus. Und jetzt also auch wieder Zürich. 2018 soll ein Kandidat bei den Stadtratswahlen kandidieren, wer das sein wird, ist offen. Vieles deutet darauf hin, dass es The Driver 99 selbst sein wird, Daniele Weber.

Die schlimmste Stadt überhaupt

Weber tritt jetzt aufs Gas. Der schwarze Dodge Journey, zwei Liter Turbodiesel, 170 PS, Sieben-Plätzer, Automat, «nichts Aussergewöhnliches», lässt ein kaum vernehmbares Brummen ertönen. Weber will zeigen, wo es auf der Strasse überall harzt. Dafür fährt er in feindliches Territorium. Den Zürcher Kreis 5, mit seinen verkehrsberuhigten Quartierstrassen und den rot gestrichenen Velowegen.

Zürich, das ist für Weber «die schlimmste Stadt überhaupt, also für Autofahrer». Das Verkehrskonzept – in den 60er-Jahren stehengeblieben. Die Strassen – nur auf Velofahrer ausgerichtet. Spurabbau, Parkplatzklau, 30er-Zonen. Der Bussenkatalog vor allem, eine Katastrophe, völlig unverständlich, dass Velofahrer weniger bezahlen müssen als Autofahrer, wenn sie ein Rotlicht überfahren. Überhaupt, die Velofahrer. Vogelfreie. «Sicher, es gibt auch solche, die sich an die Verkehrsregeln halten. Aber die meisten eben nicht.»

Es sind in vielerlei Hinsicht mehrheitsfähige Positionen, in politische Floskeln gegossene Flüche und Stossgebete der Hunderttausenden von Autofahrern, die jeden Tag auf den Schweizer Strassen unterwegs sind. Politische Erfolgsgaranten. In der Theorie. Praktisch ist die Auto-Partei seit Jahren im Rückwärtsgang unterwegs – und verpasst konsequent alle möglichen Ausfahrten.

Der schleichende Niedergang der Auto-Partei 

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Autopartei
Die Auto-Partei wurde im Jahr 1985 als Gegenpol zur Grünen Partei gegründet. Ihr Fokus lag auf der Förderung des motorisierten Individualverkehrs. Zudem setzte sie sich für eine restriktive Ausländer- und Migrationspolitik ein.
quelle: keystone / str
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Die gescheiterten Initiativen der Auto-Partei sind beeindruckend. Mit einem «Dreierpaket» wollte man Ende 2013 die Autofahrer hinter sich scharen. Das ging grandios schief. Weder die Erhöhung der Tempolimiten auf 130 km/h auf Autobahnen und auf 100 km/h ausserorts noch der Ausbau des Autobahnnetzes oder die Verwendung von Strassengeldern für die Strasse erreichten die notwendigen 100'000 Unterschriften.

Stetiger Niedergang

Der letzte Vertreter in einer Gemeindelegislative verabschiedete sich 2014 aus der Partei. Er ging den gleichen Weg wie alle anderen wichtigeren Figuren vor ihm. Zur SVP. Ulrich Giezendanner, der Fuhrhalter der Nation, alt Nationalrat Roland Borer, Parteigründer und Bussenanwalt Michael Dreher. Diejenigen, die geblieben sind, ereilte das gleiche Schicksal wie etwa René Moser, Armin Kern, Walter Steinmann. Namen, die heute kein Mensch mehr kennt. Wer nicht rechtzeitig die Seiten wechselte, war bald einmal von der Bildfläche verschwunden, ohne dass es irgendjemanden gross gekümmert hätte.

SVP
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Der Niedergang der Auto-Partei hat viel mit dem Aufstieg der SVP zu tun. Indem man die Positionen der radikalen Oppositionspartei kurzerhand ins eigene Parteiprogramm festschrieb und darüber hinaus weitere attraktive Angebote präsentierte, grub man der Auto-Partei und deren Vertretern das Wasser ab.

Die Zivile Rennleitung

Vor dem Escher-Wyss-Platz, einem Verkehrsknotenpunkt im ehemaligen Industriequartier Aussersihl, ruht der Verkehr wieder. Vorne BMW, hinten ein Subaru. Ein Töfffahrer weicht auf den Veloweg aus und überholt die Kolonne kurzerhand. Art. 47 Abs. 2 SVG: Motorradfahrer müssen ihren Platz in der Fahrzeugkolonne beibehalten, wenn der Verkehr angehalten wird. Art. 35: Es ist rechts zu kreuzen, links zu überholen. Rechtsüberholen durch Motorrad auf Radstreifen ist nicht zulässig, da der Radstreifen keinen eigenständigen Fahrstreifen darstellt. Die «Zivile Rennleitung» (Weber) im BMW vor uns macht keine Anstalten, den Sünder zu verfolgen.

Weber schüttelt den Kopf. «Es macht mich traurig und wütend, wenn ich daran denke, wie viel Zeit wir im Stau verlölen.» 33 Minuten pro Tag oder 127 Stunden pro Jahr, wie eine Auswertung des Navigationssystems Tomtom ergab. Damit liegt Zürich auf Platz 93 der weltweiten Staurangliste, exakt 100 Stunden hinter Mexico City, wo Autofahrende jährlich 227 Stunden im Stau stehen.

Herr Weber, glauben Sie wirklich, wirklich, Sie könnten die Auto-Partei zur alten Grösse zurückführen?

The Driver 99 in Aktion.
The Driver 99 in Aktion.bild: watson

Ja, das glaube er, sonst würde er es nicht tun, sagt der Stadtzürcher in seiner hemdsärmeligen Art.

Aber die Liste der Feinde ist lang. Der VCS («Verhinderungsclub Schweiz!»), die rotgrünen Städteregierungen, die Velofahrer, die SVP, die Bürgerlichen, die da oben in Bern, der «Obergrüne» Bastien Girod, die Wissenschafter mit ihrer Klimalüge, die Richter.

Es ist ein Spiessrutenlauf, den Weber und seine Unterstützer gehen.

Wuttiraden vom Schreibtisch aus

Dabei müsste Weber eigentlich gar nicht ins Auto steigen, um die Problemzonen der Schweiz zu markieren. Das geht ebenso gut vor dem eigenen Bildschirm. Dort, auf Facebook und auf Twitter, wird das «links-grüne Pack» dorthin geschrieben, «wo der Pfeffer wächst», das «links-autonome Pack» liebend gerne «ausgerottet» und der «Tod der Demokratie und des Volkswillens» beklagt. Zwischendurch blickt Weber mit seinen stahlblauen Augen etwas schief an der Kameralinse vorbei oder lässt sich einem «Verwöhnprogramm» in Südostasien unterziehen. Ellbogenmassage. Webers Frau stammt aus den Philippinen.

Herr Weber, was sind Sie eigentlich für einer, politisch gesehen?

«Viele stempeln uns einfach als Nazis ab, das finde ich schade. Wir sind Patrioten. Aber sicher keine Nazis.» Aber das sei halt noch in den Köpfen der Leute drin, die Auto-Partei als braune Partei.

Dafür hat die Auto-Partei, die sich zwischenzeitlich in Freiheits-Partei umbenennt hat, auch viel getan. Ausländerhetze, Stimmungsmache gegen Asylanten, und immer wieder die Eskapaden und Gerichtsverfahren ihres Aushängeschilds und Urgesteins, Jürg Scherrer.

Herr Weber, was ist mit den Ausländern?

Wir sind auf der Weinbergstrasse, Höhe Schaffhauserplatz. Der Verkehr fliesst, Webers Gedanken auch. Er liefert eine kleine Analogie. «Ich habe nichts gegen Cevapcici, überhaupt nicht. Aber wenn ich immer nur Cevapcici esse, dann werde ich nie wissen, wie ein Käsefondue schmeckt.» Anders ausgedrückt: Wer aus einer fremden Kultur stammt und in einer fremden Kultur aufwächst, der kann noch so lange mit dem Schweizerpass wedeln, ein Eidgenosse wird er niemals sein. Naveen Hofstetter, der sei anders, den kenne er schon, seit er sechs oder sieben war.

Hofstetter ist einer der wenigen dunkelhäutigen Politiker in der SVP. Ein Exot. Ein Schlagzeilenfabrikant alleine aufgrund seiner politischen Ausrichtung.

«Und da sieht man eben, er ist mit Schweizern aufgewachsen, mit Eidgenossen aufgewachsen. Zwar aus einer anderen Kultur, aber bei einer Schweizer Familie aufgewachsen.»

Hier drinnen, dort draussen

Der bullige Dodge gleitet sanft um das Lehensteig-Halbrund. Jetzt kommt das Schlussbouquet, die Rosengartenstrasse. Der «Blick» titelte dazu einst: «Die grösste Lüge der Schweiz.»

«Als man die Rosengartenstrasse und die Autobahnzubringer auf dem Reissbrett geplant hat, war man noch mit Ross und Wagen unterwegs», sagt Weber. «Eine Autobahn in die Stadt hinein und dann einfach ... nichts. Unglaublich eigentlich.»

Auto
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Vielleicht, aber das ist keine besonders originelle These, ist das Auto im Gegensatz zum Eigenheim und dem Wintergarten einer der letzten realen Rückzugsorte des Schweizers. An der Plexiglas-Windschutzscheibe der importierten Dodges, Fords, Fiats, Subarus und Hyundais prallen Insekten und Probleme ab. Stehen die Autos hingegen still, so kriechen die gedachten und gefühlten Gefahren der Draussenwelt die Karosserie hoch und kratzen langsam am Lack.

Was ist Ihr grösster Wunsch, Herr Weber?

«Einfach ins Auto einsteigen und losfahren können, Tag und Nacht. Für 20 Kilometer 25 Minuten, das wär's.»

Ja nicht stillstehen.

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105 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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infomann
26.05.2017 10:31registriert Juni 2015
Zürich hat eine der höchsten Lebensqualität von allen Städten weltweit.
Und die kommt ganz bestimmt nicht von grossen und oft auch lärmigen Autos und schon gar nicht von diesen Autoprozern.
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Thom Mulder
26.05.2017 10:18registriert November 2014
Wenn man in der Stadt Auto fährt ist man selber schuld. Es ist absolut richtig dass man eine Stadt nicht hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Autofahrern ausrichtet, denn Velos und Öffentliche machen in einer Stadt mehr Sinn, Autos nur wenn es um Transporte geht. Zürich macht das also absolut richtig.
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jk8
26.05.2017 10:08registriert Oktober 2014
"Die Strassen – nur auf Velofahrer ausgerichtet" Der Gute hat in Zürich wahrschrinlich noch nie ein Velo bestiegen.

Und die Idee einer Stadt hat er nicht begriffen, sie ist zum leben da - nicht zum Autofahren. Für Strecken unter 5km gibts das umweltfreundliche Velo, oder den massiv effizienteren öV. Das Auto gehört aufs Land.
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