Sag das doch deinen Freunden!
Der Schaden ist angerichtet: Der Syrer Hassan Kiko, der mehrere Frauen sexuell genötigt und vergewaltigt hat, ist wieder auf freiem Fuss. In der Schweiz, in Italien oder in Syrien, man weiss es nicht. Wie konnte es so weit kommen?
Kiko floh 2010 aus Syrien in die Schweiz. 2010, also vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich (siehe unten) besitzt er die Aufenthaltsbewilligung B. Diese erhalten Flüchtlinge, wenn sie glaubhafte Asylgründe, also eine individuelle Verfolgung in ihrer Heimat geltend machen können. Das ist Kiko offenbar gelungen.
Das ist insofern bemerkenswert, weil damals wie heute die Mehrheit der Asylbewerber aus Syrien «nur» vorläufig aufgenommen werden, also kein Asyl mit Aufenthaltsrecht in der Schweiz bekommen. Anders gesagt: Die meisten Syrer können sich trotz des Bürgerkriegs nicht auf eine individuelle Verfolgung berufen. Kiko schon, sogar vor Kriegsausbruch.
Welche Asylgründe Kiko glaubhaft darlegen konnte, wissen nur er und das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Bern. Aus Daten- und Persönlichkeitsschutzgründen kann das Amt dazu aber keine Auskunft geben. Es sind verschiedene Szenarien denkbar:
Kiko wurde gemäss Anklageschrift in Kahtania im Nordosten Syriens geboren, wo Kurden die Bevölkerungsmehrheit stellen. Über die Jahre ist es dort immer wieder zu Zusammenstössen mit dem Assad-Regime gekommen. Kurdische Kreise in Zürich zeigen sich gegenüber watson allerdings sicher, dass Kiko Araber ist. Er soll in einer Asylunterkunft bei einem Streit zwischen Kurden und Arabern eindeutig Stellung bezogen haben. Anderen syrischen Asylbewerbern sei er nicht geheuer gewesen.
Kiko könnte ein Dissident gewesen sein, der wegen Krititk am Assad-Regime Probleme bekam. Was bislang über den Syrer bekannt wurde, lässt indes nicht auf ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein schliessen.
Dieses Szenario erscheint wahrscheinlicher, da Kiko zum Zeitpunkt seines Asylantrags 21 Jahre alt war und Syrien die allgemeine Wehrpflicht kennt. Vor den dringlichen Änderungen des Asylgesetzes 2012 galten Wehrdienstverweigerung und Fahnenflucht als Flüchtlingseigenschaft. Im Fall Syrien hat sich die Praxis allerdings nicht geändert: Wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil Anfang 2015 festhielt, bestraft das Land Dienstverweigerer (wie Eritrea) so unverhältnismässig hart, dass diesen trotzdem Asyl zu gewähren ist.
Update: User lofi weist darauf hin, dass Kiko gegenüber der «Thurgauer Zeitung» im Sommer 2011 angab, er sei zwar Araber, habe sich aber im Militär gegen die Diskriminierung seiner kurdischen Kameraden gewehrt und sei deswegen drei Monate im Gefängnis gewesen und anschliessend geflohen. Diese Schilderung würde die Deserteur-These untermauern. Gleichzeitig steht sie im Widerspruch zu den Aussagen von kurdischen Kreisen in Zürich, wonach Kiko kein gutes Verhältnis zu den Kurden gehabt habe.