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Cavusoglu-Besuch laut Bund keine Bedrohung – Stadt Zürich stoppt weiteren AKP-Anlass

Turkey's Foreign Minister Mevlut Cavusoglu speaks to the media in Ankara, Turkey, Friday, March 3, 2017. Cavusoglu says a "deep state" in Germany is working to prevent Turkish leaders f ...
Mevlüt Cavusoglu.Bild: Burhan Ozbilici/AP/KEYSTONE

Cavusoglu-Besuch laut Bund keine Bedrohung – Stadt Zürich stoppt weiteren AKP-Anlass

Der Besuch des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu in der Schweiz stellt laut Bund keine ausserordentliche Bedrohungslage dar. Trotzdem sagte das Hilton Hotel im Opfikon ZH die für Sonntag geplante Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken ab.
09.03.2017, 18:0911.11.2020, 11:45
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Der Veranstalter könne nicht garantieren, dass die Sicherheit der Hotelgäste, der Besucher der Veranstaltung und der Hotelmitarbeiter gewährleistet sei, sagte Hilton Eventmanager Alexej Lintchuk am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Ob Cavusoglu auf einen anderen Ort ausweicht war am Donnerstag noch unklar.

Cavusoglu wollte sich am Sonntag in der Nähe des Zürcher Flughafens mit Generalkonsuln aus der Schweiz und Österreich treffen. Anschliessend war ein Austausch mit Mitgliedern der türkischen Gemeinschaft in der Schweiz geplant. Die Veranstaltung war nach Angaben des Hilton Hotels von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) gebucht worden.

AKP-Anlass in Affoltern gestoppt
Ein zweiter Anlass von Erdogan-Getreuen in der Region Zürich wurde von den stadtzürcher Behörden untersagt, wie newsnet berichtet. Dabei handelt es sich um einen Auftritt des Istanbuler AKP-Politiker Hursit Yildirim in einem Gemeinschaftsraum.
Die Veranstaltung in Affoltern war als Familienfeier angemeldet worden. Nachdem die Behörden aber den politischen Hintergrund des Anlasses erfuhren, entzogen sie die Bewilligung.

Keine Bedrohung und keinen Grund für Verbot

Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gab am Donnerstagabend Entwarnung. Die Dienste, die beim Bund für Sicherheitsfragen zuständig sind, seien der Auffassung, dass der geplante Besuch keine besonders erhöhte Bedrohung der inneren Sicherheit darstelle. Es lägen deshalb keine Gründe für ein allfälliges Verbot dieses Besuchs vor.

Die Sicherheitsdelegation des Bundesrats (EDA/EJPD/VBS) habe diese Zusatzanalyse, die auf Ersuchen des Kantons Zürich durchgeführt wurde, zur Kenntnis genommen. Auf Basis der darin enthaltenen Feststellungen habe das EDA ein Schreiben des Regierungspräsidenten des Kantons Zürich, in dem Zweifel an der Verantwortbarkeit dieses Besuchs geäussert wurden, in diesem Sinne beantwortet.

Die Bundesstellen wollen die Entwicklungen in dieser Angelegenheit weiterhin aufmerksam verfolgen. Sie sind laut EDA-Angaben bereit, ihre Empfehlungen bei Bedarf anzupassen.

Am Donnerstag fand in Bern ein Treffen zwischen einer Vertreterin des EDA und dem türkischen Botschafter statt, an dem die Modalitäten des Besuchs besprochen wurden. Der Bund steht zudem weiterhin in engem Kontakt mit den Zürcher Behörden.

Die Schweiz lege Wert darauf, die Wichtigkeit des Grundsatzes der Meinungsäusserungsfreiheit in unserem Land zu unterstreichen, schreibt das EDA. Sie erwarte von den Behörden anderer Länder, insbesondere der Türkei, dass sie diesem Grundrecht die gleiche Bedeutung beimesse.

Kanton Zürich hätte anders entschieden

Die Zürcher Sicherheitsdirektion nehme den Entscheid des Bundes zur Kenntnis, teilte die kantonale Behörde als Antwort auf den Entscheid des Bundes mit. Die politischen Verantwortlichen des Bundes hätten so entschieden. Der Kanton Zürich hätte einen anderen Entscheid besser gefunden.

Die Sicherheitsdirektion habe schwerwiegende Sicherheitsbedenken vor dem Hintergrund, dass der geplante Besuch des türkischen Aussenministers offensichtlich in einem direkten Zusammenhang mit der Abstimmung von Mitte April über die türkische Verfassungsreform stehe.

Angesichts der äusserst kontroversen Diskussionen um Auftritte türkischer Repräsentanten in Deutschland rechnet die Sicherheitsdirektion mit massiven Kundgebungen um den Veranstaltungsort. Die Kantonspolizei werde im Auftrag des Bundes und in Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort das Mögliche tun, um die Sicherheit zu gewährleisten und Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten.

Zahlreiche Absagen in anderen europäischen Städten

In Hamburg hatten Behörden einen für Dienstag geplanten Auftritt Cavusoglus abgesagt. Auch in anderen deutschen Städten wurden Wahlkampfveranstaltungen türkischer Minister gestrichen. Am Mittwoch wurde eine im niederländischen Rotterdam geplante Wahlkampfveranstaltungen mit Cavusoglu abgesagt.

Turkey's President Recep Tayyip Erdogan addresses a meeting in Istanbul, late Friday, March 3, 2017. Tensions flared between Ankara and Berlin on Friday over the cancellation of two Turkish Cabin ...
Erdogan will seinen Einfluss ausweiten.Bild: AP/Pool Presidential Press Service

Bei diesen Veranstaltungen handelt es sich offenbar um Wahlkampfauftritte für die Verfassungsreform, die Präsident Recep Tayyip Erdogan plant. Diese würde noch mehr Macht in seinen Händen konzentrieren und das Parlament schwächen. Über das Vorhaben wird am 16. April per Referendum abgestimmt.

Wahlkampfauftritte im Ausland und in diplomatischen Vertretungen ausserhalb der Türkei verstossen eigentlich gegen das türkische Wahlgesetz. Dort heisst es in Artikel 94/A: «Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.»

Der Vertreter der Oppositionspartei CHP in der Wahlkommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, sagte der Nachrichtenagentur DPA am Donnerstag, die Regierungspartei AKP selbst habe das Gesetz 2008 eingeführt. (sda)

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
09.03.2017 19:56registriert März 2014
Wäre jetzt nicht der ideale Zeitpunkt, den Schweizer Botschafter in der Türkei auf eine Vortragstour mit dem Thema "Warum es gut ist, wenn Macht auf viele Schultern verteilt ist - am Beispiel der Schweizer Demokratie" zu schicken? Ich finde, wir dürfen für unser System, das meiner Meinung nach das beste der Welt ist, schon auch mal Werbung machen. Meinungsfreiheitsliebend wie die türkische Regierung ist, würde sie diese Vorträge sicher als Bereicherung empfinden.
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Domino
09.03.2017 20:46registriert Januar 2016
Laut türkischem Gesetz ist Wahlkampf im Ausland verboten...
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Schläfer
09.03.2017 18:51registriert Februar 2016
Nächste Woche kommt sicher ein Artikel, das der Bund die Lage falsch eingeschätzt hatte ... Na dann mal viel Spass bei den kommenden Strassenschlachten die nächsten Tage!
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