Die bei uns berühmteste Sendung zum Thema Auswandern geht so: Deutsche Menschen ohne Ersparnisse, Können und Fremdsprachenkenntnisse wandern mit Vorliebe nach Mallorca aus. Dort wundern sie sich dann, dass die Einheimischen Spanisch sprechen und dass auch sonst nichts und niemand auf die Neuen gewartet hat.
Trotzdem fühlen sich die Menschen aus «Goodbye Deutschland!» dem Ausland gegenüber immerzu im Recht. Das Ausland ist ihnen ein neues Glück schuldig. Schliesslich war das Inland, also Deutschland, schon scheisse genug (HartzIV! Wetter! Essen!). Und ein paar besonders Hartnäckige machen dann so ein bisschen Karriere. Zum Beispiel diese drei:
Sie verbrachte vor Jahren mehrere «Goodbye Deutschland!»-Folgen damit, nicht in Hugh Hefners «Playboy»-Mansion reinzukommen. Das machte sie stark. Für alles. Heute ist sie mit dem Sohn von Schlagersänger Costa «ich hab mir Fett aus meinem Hintern ins Gesicht gespritzt» Cordalis verheiratet.
Jens kam ohne Geld und Gesangstalent nach Malle. Das prädestinierte ihn dazu, Ballermann-Barde zu werden. Soeben hat er seiner Daniela (heissen eigentlich alle Daniela?) einen Heiratsantrag gemacht. Und er war im Dschungelcamp. Und er hat ungefähr 13 Kinder. Kommt das gut? Sicher nicht.
Da gingen also Didi und Hasi an den Gardasee und versuchten wie verbissen, den Menschen die feine italienische Pizza aus- und ihre deutsche Currywurst einzureden. Es war hart. Aber weil sie sich auf ihr einziges Talent (die Rezeptur der Currysauce) fokussierten, schafften sie nach vielen Jahren einen bescheidenen Geschäftserfolg. Und dann verliess der Didi die Hasi für eine andere!!! Er will auch mit ihr ins Currywurstgeschäft einsteigen. Und die Didi&Hasi-Sauce klauen. Deutschland empört sich gerade fürchterlich über Didi.
Aber halt! Wollten wir wirklich über diese hier berichten? Mitnichten! Eigentlich sollte dieser Platz ausschliesslich den andern Auswanderern gewidmet sein. Denen, die mit Anstand und einem minimalen Wohlstand ins Ausland gehen und nicht nur eine Einbildung, sondern auch etwas Bildung haben. Den Strebern also. Den ... Ja, genau, den Schweizern! Wie langweilig ist das denn! Ist Fremdschämen etwa nicht eins der schönsten Gefühle vor dem Fernseher? Hmmm ... ja, schon, aber nicht nur.
Es geht auf SRF nämlich weiter mit «Auf und davon Spezial», Mona Vetsch besucht wieder Menschen auf der ganzen Welt, die ihr Glück gefunden haben, mit glücklichen Kindern und glücklichen Tieren. Menschen, die im Paradies gelandet sind und scheinbar unangestrengt alles richtig machen. Die Toblers in Australien zum Beispiel:
Emma und ihr Bodenleger Rolf wandern nach Australien aus. Sie nehmen die Kinder Kevin, Dylan und Jennifer mit und machen in Australien auch noch einen James. Leider will in Australien niemand Rolfs sackteure Schweizer Qualitätsspannteppiche kaufen. Dafür findet Emma einen Job in einer Rudolf-Steiner-Schule. Obwohl die Toblers das zuerst für dummen Hippie-Kram hielten.
Die Kinder sind sowas wie die glücklichsten Kinder ausserhalb der Kelly Family (also, ausserhalb der Kinder von Angelo Kelly, deren vollkommene Zufriedenheit war mal in einem «Goodbye Deutschland»-Special zu bestaunen). Sie reiten, kraulen andauernd zahme Emus, gewinnen im Sport und studieren Meeresbiologie. Vater Rolf will jetzt Hausmann werden. Alle Toblers sind äusserst bescheidene Menschen.
Das sonnige, immerzu von bunten Fischen, herzigen Tannzapfenechsen und anderem Getier durchwirkte Glück der Toblers wird allerdings eine Folge später durch das existenzielle Pech von Anja und Claude relativiert. Es ist wirklich schlimm. Es geht so:
Werber Claude und seine Liebste wollen in Italien ein Agriturismo gründen. Das wollen viele. Gerade aus der Schweiz. Alte Bausubstanz mit den eigenen Händen aufmöbeln, eigener Garten, eigene Tiere und so. Sie machen das. Als Mona Vetsch sie im Oktober 2016 besucht, gehen die Arbeiten dem Ende entgegen, die Minne ist gross.
Zwei Wochen später ein Erdbeben. Vieles wird zerstört. Das Dorf, zu dem das Gehöft der beiden gehört, wird von seinen Bewohnern verlassen. Herrenlose Tiere laufen ihnen zu. In der Nacherzählung wirkt das schon fast biblisch.
Anja und Claude leben jetzt in einem Wohnwagen. Sie werden Hilfe erhalten, aber mit drei Jahren ist für den Wiederaufbau zu rechnen. Fast all ihr Geld steckt in den Trümmern. Fuck, das Leben ist hart. Aber sie haben einander und die Tiere. Und die Solidarität der Einheimischen. Die Schweiz ist keine Alternative mehr. Mallorca-Jens wäre in dieser Lage nicht zu brauchen.
Mehr durften wir noch nicht sehen. Aber es wird weitergehen – nach Schweden, Bali, Florida, zu Schweizerinnen und Schweizern, die es zu Hause nicht mehr ausgehalten haben. Nicht wie früher, als die Schweiz so arm war, dass viele nach Nord- und Südamerika auswanderten. Heute wandern sie aus, weil die Schweiz zu reich, der Leistungsdruck zu hart und die Zeit zum Leben viel zu knapp ist.
«Auf und davon Spezial» gibts ab dem 21. April jeweils freitags um 21 Uhr auf SRF1 zu sehen.