Schweiz
TV

Abbau beim Personal, Ausbau bei Gebäuden: Gewerkschaft verurteilen SRF-Sparmassnahmen

Sparen für ein «Neu-Leutschenbach»? SRF-Sitz in Zürich.
Sparen für ein «Neu-Leutschenbach»? SRF-Sitz in Zürich.
Bild: SRF

Abbau beim Personal, Ausbau bei Gebäuden: Gewerkschaft verurteilen SRF-Sparmassnahmen

Das SRF spart beim Personal und baut munter neue Gebäude. Die Gewerkschaften sind wütend.
05.11.2015, 06:1505.11.2015, 06:40
Benno Tuchschmid / Aargauer Zeitung
Mehr «Schweiz»

Die fetten Jahre sind für die SRF-Mitarbeiter vorbei. Die Jahresbudgets des gebührenfinanzierten Senders schwinden. Ab 2016 stehen 12 Millionen weniger zur Verfügung. Ab 2017 20.5 Millionen Franken und ab 2018 sogar 22.5 Millionen weniger. Die Folge fürs Personal: Spardruck, Job-Angst, Kündigungen. Über 100 Stellen werden bei SRF und der Produktionsfirma tpc noch dieses Jahr wegfallen. Letzte Woche haben die SRG und die Gewerkschaften über Sozialpläne verhandelt.

Nein, die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel am Leutschenbach. Dafür Baukräne und Gebäude. Denn das Schweizer Radio und Fernsehen baut zwar Personal ab, zeitgleich aber auch neue Gebäude auf und alte um. Am Leutschenbach entstehen News-, Sport- und Technik-Gebäude. 430 Arbeitsplätze für 550 Mitarbeiter. Eine neue Studiofläche und ein Rechenzentrum. «Standortentwicklung Leutschenbach» heisst der Plan aus dem Jahr 2013. Kostenpunkt: 60 Millionen Schweizer Franken.

«Die Sparmassnahmen von SRF gehen über die Vorgaben der SRG hinaus. Es kann nicht sein, dass damit Extravaganzen in Bauprojekte finanziert werden.»
Andreas Künzi, Gruppensekretär für Fernsehen und tpc bei der SSM

Sparen für «Neu-Leutschenbach»

Bei den Gewerkschaften stösst die Kombination von Personalab- und architektonischem Ausbau auf wenig Gegenliebe. Denn die neuen Gebäude sind mit ein Grund für die Sparmassnahmen. Das SRF streicht zwar lieber die externen Faktoren für den Spardruck hervor: Einerseits einen Bundesgerichtsentscheid, der es der SRG verbietet, von den Gebührenzahlern die Mehrwertsteuer einzufordern; andererseits geringere Gebühreneinnahmen durch das neue Radio-TV-Gesetz.

Dass unter anderem für die Finanzierung des «neuen» Leutschenbach ab 2017 rund 8.5 Millionen Franken umgeschichtet werden, wird eher zurückhaltend kommuniziert. «Mittelfristplanung» heisst dieses Programm. Noch verschwiegener ist das SRF, was die Pläne des Ausbaus angeht. «Der Innenausbau des neuen Gebäudes ist in Planung», heisst es.

Der SRG-Hauptsitz am Stadtrand von Bern: Ein mit einem 60-Millionen-Franken-Budget saniertes Ausrufezeichen des Service public.
Der SRG-Hauptsitz am Stadtrand von Bern: Ein mit einem 60-Millionen-Franken-Budget saniertes Ausrufezeichen des Service public.
bild: srg/facebook

«Extravaganzen in Bauprojekte finanziert»

Die Gewerkschaften kritisieren, dass das SRF-Sparprogramm wegen der Grossüberbauung die SRG-Vorgaben übertreffe. Die SRG spart mit ihrem aktuellen Sparprogramm schweizweit rund 2,4 Prozent ihres Budgets ein. Die Sparübung des Deutschschweizer Radio- und Fernsehens SRF betrifft gemäss der Gewerkschaft Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) 3,25 Prozent aller Stellen.

«Die Sparmassnahmen von SRF gehen über die Vorgaben der SRG hinaus. Es kann nicht sein, dass damit Extravaganzen in Bauprojekte finanziert werden», sagt Andreas Künzi, Gruppensekretär für Fernsehen und tpc bei der SSM. «Wir fordern von SRF, dass die Um- und Ausbau-Projekte auf Sparpotenzial überprüft werden.»

Die Erfahrungen mit der SRG würden zeigen, dass bei Neubauten meist mit zu grosser Kelle angerichtet werde. Damit spielt Künzi auf den im Jahre 2012 aufwendig sanierten Sitz der SRG an. Das Hochhaus am Stadtrand von Bern ist ein mit viel Liebe und 60-Millionen-Franken-Budget saniertes Ausrufezeichen des Service public. «Erfahrungsgemäss ist bei SRG-Bauplänen immer Luft drin», sagt Künzi. Jetzt sei Zeit, diese Luft rauszulassen. «Wir bestreiten nicht, dass es am Leutschenbach zeitgemässe Arbeitsplätze braucht, aber es ist nicht die Zeit für Luxusvarianten.»

Die Gewerkschaft hat diese Forderung im Rahmen des Konsultationsverfahrens bei der Geschäftsleitung des Schweizer Radios und Fernsehens eingebracht. Diese entscheidet am 12. November über die Umsetzung des Sparprogramms, bis dann kommentiert das SRF das Verfahren nicht.

«Betriebskosten senken»

Jetzt auf

Die Forderungen der Gewerkschaften gehen noch weiter. Das SRF soll auch darauf verzichten, die TV-Kulturredaktion nach Basel zu verlegen. Die Pläne des SRF sehen vor, dass die gesamte Abteilung Kultur des SRF künftig in Bahnhofnähe in einem Herzog-&-de-Meuron-Gebäude eingemietet wird. «Es macht keinen Sinn, TV-Journalisten nach Basel zu zügeln, wenn sie ihre Sendungen doch in Leutschenbach aufzeichnen. Das verursacht bloss Mehrkosten», sagt Künzi dazu. Beim SRF hält man dagegen: «Im Rahmen der Standortentwicklung Leutschenbach werden die Betriebsflächen reduziert und damit die Betriebskosten signifikant und nachhaltig gesenkt», sagt SRF-Sprecherin Andrea Wenger.

Die Verteilkämpfe am Leutschenbach sind in vollem Gang. Die Chance, dass in Zukunft weitere Sparprogramme folgen, ist hoch. Denn auch wenn im neuen Parlament FDP und SVP nicht in allen Themen übereinstimmen; in ihrer SRG-kritischen Grundhaltung treffen sich die beiden Parteien.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
3 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
3
Russischer Geheimdienst nahm Schweizer Firmenchef fest – die Hintergründe
Die Zürcher Firma Galika belieferte die russische Rüstungsindustrie mit Werkzeugmaschinen. Jetzt steht sie im Fokus zweier Strafverfahren: in Moskau und in Bern. Das ist ihr Ende.

Im Gewerbegebiet von Volketswil ZH befinden sich eine Autowaschanlage, eine Carrosserie und zwei Erotiklokale. Dazwischen steht ein graues Geschäftshaus. Man würde nicht denken, dass hier eine Zuliefererfirma der russischen Rüstungsindustrie ihren Hauptsitz hat: die Galika AG.

Zur Story