In der Schweiz beginnt sich gemäss dem Genfer Terrorexperten Jean-Paul Rouiller ein Nährboden für den Dschihad zu entwickeln. Die lokalen Brennpunkte der Milieus gingen von Genf nach Lausanne und von Biel nach Zürich.
Das Neue daran sei, dass die Gefahr nicht mehr «importiert», sondern von innen her entstanden sei, sagte Rouiller in einem Interview in der «Tribune de Genève» von Mittwoch. Die dschihadistischen Milieus bestünden aus Menschen, die in der Schweiz aufgewachsen seien.
Junge verurteilte Menschen würden nicht zwanzig Jahre im Gefängnis bleiben – und einige von ihnen sähen keine Perspektive. Wenn diese Menschen aus dem Gefängnis entlassen werden, werde die Schweiz in eine Dynamik geraten, wie sie andere Länder bereits erlebt hätten.
Bislang sei die Schweiz als Schweif des Kometen betrachtet worden, weil die Akteure die Schweiz nur passiert hätten. Das beginne sich nun zu ändern. Es gäbe in der Schweiz zentrale dschihadistische Akteure, die Beziehungen im Ausland hätten. Dadurch bekäme die Schweiz eine andere Bedeutung.
Während der Bund von 88 Personen spricht, die die Schweiz verliessen und in Kampfzonen gereist sind, schätzt der Experte die Zahl auf 100. Das Netzwerk rundherum umfasst jedoch weit mehr Personen, wie Rouiller im Interview vorrechnet: Wenn man davon ausgehe, dass jeder Dschihad-Reisende auf 5 bis 10 Personen aus seinem privaten Umfeld zählen kann, die ihn finanziell oder logistisch unterstützen, können bis zu 1000 Personen mehr oder weniger in der Schweiz in den Dschihad involviert sein.
Am Freitag und Samstag wurden in der Waadt drei mutmassliche Terroristen verhaftet. Bei einem Grosseinsatz in Aubonne wurden ein Mann und eine Frau auf einem Parkplatz eines Einkaufszentrums festgenommen. Auch die dritte Person wurde in der Waadt verhaftet, die Bundesanwaltschaft machte jedoch keine Angaben zum Ort. Sie hätten gemäss der Waadtländer Staatsanwaltschaft «relativ schnell zur Tat schreiten» können.
Bereits vergangene Woche war in Meyrin im Kanton Genf eine Person unter Terrorverdacht verhaftet worden. Diese Aktion stand gemäss André Marty, Mediensprecher der Bundesanwaltschaft, nicht im Zusammenhang mit den Verhaftungen vom Wochenende. (sda)