Ein deutscher Raser, der vor einer Woche in Abwesenheit von einem Gericht in Lugano zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, könnte seine Strafe auch in seinem Heimatland antreten. Die Tessiner Staatsanwaltschaft prüfe derzeit, ob und wann sie einen Antrag in dieser Angelegenheit an das Bundesamt für Justiz stellen werde.
Der Deutsche war im Sommer 2014 mit bis zu Tempo 200 über die Autobahn A2 gerast und hatte dabei im Gotthard-Strassentunnel zehn Mal überholt. Ein Kantonsgericht in Lugano verurteilte ihn deswegen im Februar zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, wobei nur 12 Monate unbedingt zu verbüssen sind.
Da der Fahrer seinem Gerichtsprozess fern blieb, kam die Frage auf, ob und in welcher Form dieser überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden könne. Gegenüber der Tageszeitung «Blick» soll der Raser in der vergangenen Woche gesagt haben, dass ihn das Urteil nicht interessiere. Er posierte zudem in seinem Wohnort mit seinem Führerschein, der trotz seines Tempo-Exzesses noch in seinem Besitz ist.
Eine Auslieferung komme nicht in Frage, wenn sich der deutsche Staatsangehörige in Deutschland aufhalte, teilte eine Sprecherin des Bundesamts für Justiz (BJ) am Dienstag auf Anfrage mit. Deutschland behalte sich wie die Schweiz und zahlreiche andere Staaten das Recht vor, die Auslieferung eigener Staatsangehöriger abzulehnen.
Hinzu kommen das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EAUe) und bilaterale Auslieferungsverträge, mit denen die Schweiz die Zusammenarbeit mit anderen Staaten in dieser Frage regelt.
Das EAUe sieht eine Auslieferung nur dann vor, wenn die Tat eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr Freiheitsentzug bedroht ist. Die unbedingte Strafe für den deutschen Raser liegt genau an dieser Schwelle.
Ein anderer Weg in diesem Fall sei dagegen, dass die deutschen Behörden um die Übernahme der Strafvollstreckung ersucht würden. Das BJ könne aber nur tätig werden, wenn auch eine Anfrage einer entsprechenden Strafverfolgungsbehörde in der Schweiz vorliege, so die Sprecherin.
Dies wäre konkret die Tessiner Staatsanwaltschaft: Noch sei das Urteil gegen den deutschen Raser nicht rechtskräftig, entgegnete darauf ein Sprecher der Tessiner Staatsanwaltschaft am Dienstag auf Anfrage.
Sollte das schriftliche Urteil vorliegen und in der Zwischenzeit kein Rekurs eingegangen sein, so werde die Tessiner Staatsanwaltschaft «sehr wahrscheinlich» einen Antrag für Strafvollstreckung im Ausland stellen.
Anschliessend müssten dann noch die entsprechenden Stellen in Deutschland einem solchen Ersuchen zustimmen. (sda)