Der Spuk ist vorbei. Pferde, Kühe und Schweine sind in Sicherheit und die Polizisten sind aus dem Weiler Brüschwil bei Hefenhofen TG wieder abgezogen. Am Montag hatten sie den Pferdezüchter Ulrich «Ueli» K. in Gewahrsam genommen, am Dienstag den Hof geräumt.
Ueli K. ist mittlerweile in der Psychiatrie. Die Tierschützer, die vor dem Hof ausharrten, bis die Behörden endlich eingriffen, sind zufrieden. Ihnen konnte es ohnehin nicht schnell genug gehen, als Bilder von abgemagerten Pferden publik wurden.
Doch nicht alle können aufatmen. Denn die Räumung des Areals wurde nicht nur von Schaulustigen, Tierschützern und Journalisten aufmerksam beobachtet. Auch der Pferdepfleger Jonas M.* ist am Dienstag an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückgekehrt. Als er sieht, wie der Lastwagen eines Viehhändlers von Polizisten auf den Hof gewinkt wird, kommen ihm die Tränen. Der Zweiundzwanzigjährige fürchtet, dass sein Lieblingspferd «Bubi» nun dem Pferdemetzger zum Opfer fällt.
Gegenüber dieser Zeitung schildert Jonas M. seine Geschichte. Er findet kritische Worte für seinen ehemaligen Arbeitgeber, aber er nimmt ihn auch in Schutz. Von Anfang an: Jonas M. begann nach der Sekundarschule eine Lehre als Pferdepfleger auf einem bekannten Hof im Kanton Thurgau. Mit seinem Lehrmeister kam er schlecht aus. Es gab Streit. Da verordnete ihm sein Lehrmeister eine Auszeit. Für zwei Monate sollte er auf einem anderen Hof arbeiten. So landete Jonas ausgerechnet beim damals schon wegen Gewaltdelikten und Tierquälerei verurteilten Ueli K.
Das Experiment funktionierte. Der rebellische Lehrling und der renitente Pferdezüchter verstanden sich auf Anhieb. Es war am Tag vor Weihnachten im Jahr 2013, als Jonas zum ersten Mal den Hof betrat. «Ich erinnere mich noch ganz genau», erzählt Jonas. «Es gab ein grosses Weihnachtsessen mit der Familie und den Angestellten. Sie nahmen mich sofort in ihre Reihen auf.» Seinem ursprünglichen Lehrmeister habe er gesagt: «Ich gehe hier nicht mehr weg!»
Zwei Monate lang arbeitete Jonas damals für Ueli M. Im Gespräch zeichnet er vom nun landesweit als Tierquäler bekannten Landwirt ein schillerndes Bild. Einerseits sei er angenehm im Umgang gewesen. «Wenn ich einen neuen Sattel brauchte, rannte Ueli sofort», erzählt Jonas.
Doch Ueli habe auch eine andere Seite. «Er kann auch verdammt aggressiv werden.» Jonas macht ein Beispiel: Einmal habe einer der drei polnischen Hilfsarbeiter, die auf dem Hof arbeiteten, einen Traktor überladen. Die Achse sei gebrochen – und Ueli K. völlig ausgerastet. «Er warf eine Schaufel nach dem Arbeiter und rannte ihm mit der Mistelgabel hinterher», sagt Jonas. Der Alkohol habe bei den Wutausbrüchen von K. sicher auch eine Rolle gespielt. Zu trinken habe es auf jeden Fall immer genug gegeben auf dem Hof, erinnert sich Jonas.
Nach den zwei Monaten auf dem Hof von Ueli K. musste Jonas wieder in seinen Lehrbetrieb zurückkehren. Das Verhältnis mit seinem Lehrmeister besserte sich aber trotz der Auszeit nicht. Und Jonas plagten private Probleme. Schliesslich brach er die Lehre ab. Auf den Hof von Ueli K. kehrte er aber immer wieder zurück und kümmerte sich in unregelmässigen Abständen um verschiedene Pferde. «Ich war der Einzige, der mit ihnen reiten ging», sagt er. Sein Lieblingspferd war ein aggressiver Wallach. Einen Namen habe er offiziell nicht gehabt. Jonas nannte ihn «Bubi». Bubi habe niemanden an sich herangelassen – ausser ihn.
Doch warum ist der Pferdenarr Jonas nicht eingeschritten, als er die Missstände sah? «Meinen Pferden ging es gut», sagt Jonas. Und natürlich mache er sich nun Vorwürfe, dass er dem Hof im September vor einem Jahr den Rücken gekehrt habe. «Hätte ich doch Ueli damals meinen Bubi abgekauft», ärgert sich Jonas. Inzwischen schöpft er neue Hoffnung. Bubi sei auf einem Hof im Jura, hat er gehört. Er will alles versuchen, damit er ihn wieder sehen kann.
*Name geändert