Verantwortlich für den Rückgang des Vogelbestandes seien die moderne Landwirtschaft sowie der zunehmende Verlust des natürlichen Lebensraums der Tiere, heisst es in der am Montag im Fachmagazin «Ecology Letters» veröffentlichten Studie.
Zu etwa 90 Prozent betrifft der Rückgang demnach gewöhnliche Arten wie Spatz, Star, Lerche sowie das Rebhuhn. Der Co-Autor der Studie, Richard Gregory vom britischen Tierschutzverband, sprach von einer «Warnung für ganz Europa»: «Es ist eindeutig, dass unser Umgang mit der Umwelt für viele unserer vertrautesten Vögel nicht nachhaltig ist», erklärte er.
Dies treffe auch für die Schweiz zu, erklärte Matthias Kestenholz von der Vogelwarte Sempach auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. «Die Vogelwelt nimmt in erschreckendem Ausmass ab», sagte er. Zwar seien einige seltene Arten dank Schutzprojekten wieder etwas häufiger geworden. Doch bei vielen häufigen Arten sänken die Zahlen dramatisch und auch die Gesamtbilanz sei negativ.
Eine Abnahme von einer Million auf eine halbe Million Individuen einer häufigen Art wie dem Zilpzalp sei weniger offensichtlich, als wenn eine seltene Art die Hälfte ihrer Brutpaare verlöre. Doch die wichtige Rolle dieser Vögel im Ökosystem, etwa Insekten zu fressen, dürfe nicht unterschätzt werden, sagte Kestenholz.
Umso wichtiger seien Massnahmen und Gesetze zum Schutz der Vögel und ihres Lebensraums, erklärten deshalb die Studienautoren. Als Vorbild nannte Gregory die bereits bestehenden Schutzmassnahmen für seltenere Gattungen, deren Zahl in den vergangenen Jahren wieder gestiegen sei.
Dazu gehören unter anderem auch die Nisthilfen. Die 450 lokalen Sektionen des Schweizer Vogelschutzes SVS/BirdLife Schweiz reinigen und unterhalten insgesamt über 100'000 Nistkästen und andere Bruthilfen. So könnten Jahr für Jahr über 50’000 zusätzliche Vogelpaare in unserem Land brüten, teilte der SVS am Montag mit.
Rund zwei Drittel der Nistkästen sind für kleine Höhlenbrüter wie Meisen oder Kleiber gedacht. Dazu kommen spezielle Nisthilfen für gefährdete Arten, zum Beispiel 14'225 künstliche Schwalbennester und rund 100 Schwalbenhäuser für die potenziell gefährdete Mehlschwalbe. Ohne sie würden in vielen Dörfern gar keine Schwalben mehr brüten, schrieb der SVS.
Ganz auf Nisthilfen angewiesen ist heute der Steinkauz. 2014 brüteten in der Schweiz wieder 121 Brutpaare – zu Beginn des Jahrtausends waren es noch 50 bis 60 Paare. Ursache für den Rückgang ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Heute kommt der Steinkauz in der Schweiz nur noch dort vor, wo Naturschützer zusammen mit Landwirten spezielle Aufwertungsmassnahmen für ihren Lebensraum treffen.
Für die Studie analysierten die Forscher Daten über 144 typische Vogelarten aus 25 europäischen Ländern. Als Reaktion auf die schrumpfenden Zahlen verlangen sie mehr Grünflächen in den Städten sowie eine ökologische Landwirtschaft. (oku/sda/afp)