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Der Atomausstieg könnte 5700 Arbeitsplätze schaffen

ARCHIV - ZUM MEDIENGESPRAECH VON GREENPEACE ZUM AKW BEZNAU STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - A control camera is lowered into the demineralized water at the fuel rods, pictured ...
Könnten am 27. November ihre Jobs verlieren: Mitarbeitende im Atomkraftwerk Beznau. Bild: KEYSTONE

Chance für die Wirtschaft: Weshalb der Atomausstieg 5700 Arbeitsplätze schaffen könnte 

Kommen Ausstiegsinitiative und Energiestrategie durch, gehen in den AKW 1300 Stellen verloren – aber es gibt 7000 neue Jobs, sagt eine Studie.
06.11.2016, 05:4506.11.2016, 08:09
othmar von matt / schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Wird bis 2030 aller Atomstrom durch erneuerbare Energien ersetzt, soll es in der Schweiz netto 5700 neue Stellen geben. Dies prognostiziert die Studie «Beschäftigungseffekte des geordneten Atomausstiegs in der Schweiz», welche die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Wädenswil im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) erstellt hat. Die SES ist Mitglied der Umwelt-Allianz und damit für den Atomausstieg.

Voraussetzung für die neuen Jobs ist der Atomausstieg bis 2029, wie ihn die Initiative verlangt, über die am 27. November abgestimmt wird. Gleichzeitig muss aber auch das 1. Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 umgesetzt sein.

Dann entstehen im Bereich der erneuerbaren Energien fast 7000 neue Jobs, wie die Studie errechnet hat: 5000 Stellen werden durch Bau und Wartung von Photovoltaik-Anlagen geschaffen, der Bau von Biogasund Windkraftanlagen bringt 700 bis 800 weitere Stellen – und mit der Bereitstellung des Energieholzes zur Stromproduktion ergeben sich 600 weitere Stellen.

Im gleichen Zeitraum fallen bei den AKW 1300 Stellen weg. Netto bleiben 5700 Jobs.

«Die Studie der ZHAW zeigt: In einer gesamtheitlichen volkswirtschaftlichen Betrachtung gibt es beim Atomausstieg mehr Profiteure als Verlierer», sagt Felix Nipkow, Projektleiter Strom & Erneuerbare der Energie-Stiftung. «Bisher konzentrierte man sich zu sehr auf die Risiken.»

Was Nipkow ins Auge sticht: «Ein grosser Teil der neuen Arbeitsplätze kommt von der Photovoltaik.» Das ist für den Verfasser der Studie kein Zufall. «Photovoltaikanlagen sind am einfachsten zu bauen, auch bezüglich der Investitionen», sagt Jürg Rohrer, Professor für erneuerbare Energien an der ZHAW Wädenswil. Technologisch sei man sehr weit, es gebe gut geschultes Personal. «Dazu kommt der angenehme Nebeneffekt, dass die Arbeitsplätze über die ganze Schweiz verteilt sind.»

Für Rohrer gibt es eine Frage: «Will man die Handbremse lösen oder nicht?»

ZUR ATOMAUSSTIEGSINITIATIVE UND ZUR ENERGIESTRATEGIE 2050 STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - A general view shows the solar housetop of a hall of 7500 square metre on Tuesday De ...
Stromerzeugung in Saxon: Durch Bau und Wartung von Photovoltaik-Anlagen würden laut ZHAW-Studie 5000 Stellen geschaffen.Bild: KEYSTONE

Lehnt die Bevölkerung am 27. November die Ausstiegsinitiative ab, wird aber das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie dennoch realisiert, prognostiziert die Studie der Schweiz netto noch immer 2000 neue Stellen. Durch Windkraftanlagen entstünden 350 neue Jobs, durch Photovoltaikanlagen 650 und durch Biogasanlagen 900 Stellen. Netto nur knapp 500 Stellen werden geschaffen, wenn die Initiative abgelehnt und die Energiestrategie nicht umgesetzt wird.

Angst vor Verlagerungen

Arbeitsplätze sind auch bei den Gegnern der Initiative ein grosses Thema. In Wirtschaftskreisen befürchtet man bei einem Ja zur Initiative Verlagerungen. «Gefährlich ist es, wenn es wegen eines schnelleren Atomausstiegs zu einem einseitigen Preisschub in der Schweiz kommt», sagt Frank R. Ruepp, Vorsitzender der Gruppenleitung vonRoll infratec AG und Präsident der IG Energieintensive Branchen (IGEB).

Er macht eine einfache Rechnung: «Ein Rappen mehr pro Kilowattstunde kostet zum Beispiel in einer grossen Giesserei 3 bis 4 Arbeitsplätze. Ein Schweizer Alleingang ist gefährlich.»

Die energieintensiven Branchen bewegten sich in der Schweiz in einem «nicht sehr industriefreundlichen Umfeld mit vielen Unsicherheiten», sagt Ruepp. «Dies führt zur Gefahr, dass internationale Industrieunternehmen Investitionen plötzlich in einem anderen Land tätigen oder Abteilungen im Ausland aufbauen.» Gefährlich daran sei, «dass dieser Prozess schleichend geschieht». Ruepp: «Diese Arbeitsstellen kommen nie wieder zurück.»

ZUR EIDGENOESSISCHEN ABSTIMMUNG UEBER DIE VOLKSINITIATIVE "FUER DEN GEORDNETEN AUSSTIEG AUS DER ATOMENERGIE (ATOMAUSSTIEGSINITIATIVE)" VOM SONNTAG, 27. NOVEMBER 2016, STELLEN WIR IHNEN FOLGE ...
Bei den AKW würden laut ZHAW-Studie 1300 Stellen wegfallen. Bild: KEYSTONE

Gerieten die Energiepreise in der Schweiz aufgrund des Atomausstiegs aus dem Ruder, «haben wir einen wirtschaftlichen Nachteil», sagt auch SVPNationalrat Franz Grüter, Präsident des Verwaltungsrats von green.ch.

Er hat ausgerechnet, dass seit 2012 in der Schweiz eine Milliarde in IT-Rechenzentren und IT-Datenstandorte investiert wurde. «Es ist im Zeitalter der Digitalisierung volkswirtschaftlich von grosser Bedeutung, wenn wir in Europa zu einem der wichtigsten Standorte für Daten und IT-Systeme werden», sagt er. «Der Bau dieser Infrastrukturen zieht in der Folge auch Arbeitsplätze an.»

Energieministerin Doris Leuthard selbst warnt. Bereits 2017 müssten drei Werke abgeschaltet werden. «Das beträfe auch Arbeitsplätze», sagt sie. Der Strom aus diesen Werken könnte nicht schnell genug mit Strom aus einheimischen erneuerbaren Energien ersetzt werden. «Es käme zu mehr Stromimporten. Neue Jobs gäbe es damit nicht in der Schweiz, sondern im Ausland.»

Leuthard betont, «dass wir mit der Stärkung der einheimischen erneuerbaren Energien Stellen schaffen können». Dafür brauche es aber die entsprechenden Fördermittel. «Diese kommen erst mit der Energiestrategie 2050, die noch nicht in Kraft ist.»

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80 Kommentare
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HansDampf_CH
06.11.2016 06:33registriert Juni 2015
Als würde der Preis für Grossverbraucher in der Schweiz gebildet. Je länger ihr an den Schrottmeilern festhaltet desto teurer wird das ganze für uns alle. Keinen Rappen für die alten Kraftwerke und kein Rappen für die Firmen die wegen der falschen Strategie bald um Geld betteln werden.
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Zitrusfonso
06.11.2016 09:06registriert August 2016
"Studie...im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)". Mol, Studien im Auftrag von Interessenverbänden sind sicher eine meeega gute Quelle. Da war das Resultat sicher nicht schon vor der Untersuchung bekannt.

Aber im ernst: Habe mich mit dem Thema befasst. Da gibt es mehrere Studien zum Thema. Warum man gerade diese so an die grosse Glocke hängt, erschliesst sich mir nicht. Grundsätzlich lässt sich keine Voraussage zum Thema ökonomische Entwicklung durch Atomausstieg/Energiestrategie 2050 treffen. Das wird man erst rückblickend können.
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DasSchaffenWir
06.11.2016 08:49registriert November 2015
Eine Studie im Auftrag von SES. Sorry, aber da ist auch kein anderes Ergebnis zu erwarten!
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