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«Neue Oberaargauer Zeitung»: Rassistischer Ratgeber

Rassismus auf Facebook sind wir gewohnt: Aber was dieser «Ratgeber» einer Schweizer Zeitung an Hass absondert, erreicht eine neue Dimension 

In der Rubrik «Ratgeber» der «Neuen Oberaargauer Zeitung» fragt eine «Mutter» um Rat. Die Antwort ist explizit ausländerfeindlich. Der Verlagsleiter will dazu nichts sagen. Vorerst. 
27.08.2015, 14:0802.09.2015, 08:51
Felix Burch
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Die Neue Oberaargauer Zeitung hat in der aktuellen Ausgabe etwas gedruckt, das alles andere als alltäglich ist. Unter dem Titel «Gauner bleibt Gauner – das ist so!», publizierte sie die Frage einer «Mutter», die nicht versteht, warum ihr «Sohn» weniger Sozialhilfe bekommt. Die Frage ist in schlechtem Deutsch formuliert. Sie beginnt so: 

«Lieber Ratgeber

Meinem Sohn Enver, 31, ist grosses Unrecht geschehen. Er lebt mit Familie hier in Frieden, findet keine Arbeit, weil Schweizer viel Rassisten. Er nimmt Sozialhilfe bei Gemeinde seit 2 Jahr. Ist zu wenig, warum er in Not mit Frau und Kinder. Jetzt kriegt er 30 % weniger Sozialhilfe – warum? Du fragen bei Gemeinde, wieso weniger Geld für Sohn Enver? Er gut Junge, immer folgsam, immer fleissig, er darf nicht bestraft von Gemeinde. Ich, 56, alte Mutter, bitten um Gnade für ihn Sohn Enver. Entschuldigung Fehler in Brief ich machen.» Sofie

Auszug aus der «Neuen Oberaargauer Zeitung» vom 26. August.
Auszug aus der «Neuen Oberaargauer Zeitung» vom 26. August.

Darauf antwortet der «Ratgeber» wie folgt: 

«Hallo Sofie

Mache dir keine Sorgen um die Fehler im Brief. Das erledige ich: Die orthographischen beseitige ich ebenso wie die vom falschen Sachverhalt und falschen Grundgedanken her. Dann los. Ich erhebe vehement Widerspruch gegen deine beleidigende Aussage, die Schweizer seien allesamt Rassisten. Wäre dem so, dann wäre Enver nicht hier, seine Frau, die Kinder und du auch nicht. Kein Schweizer Sozialamt müsste für euren Lebensinhalt aufkommen mit des Steuerzahlers Batzen.»

Und weiter: 

«Zweiter Fehlgedanke, den ich korrigiere: mit 56 Jahren bezeichnen wir hierzulande unsere Frauen noch keineswegs als ‹alte Mütter›. Das mag so sein, wo du aufwuchsest, bevor es dich zwecks Erlangung höheren Lebensstandards zu uns ‹Rassisten› zog.»

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Dann gibt «der Ratgeber» seinen Kommentar zu «Sohn» Enver ab: 

«Enver mag vielleicht für dich Gottes Geschenk an die Mütter dieser Welt sein, für die Schweizer Justiz ist er seit Jahren unablässige Ursache ständigen Ärgers. Nein, kein Grosskrimineller, dazu fehlt es an Esprit Intellekt, eher der Typ erbarmungswürdiger Eierdieb. Dort ein Kioskeinbruch, da ein zum persönlichen Gebrauch entwendetes Fahrrad oder Töffli.»

«Potent, von echter Leistungsfähigkeit beseelt ist er nur, wenn es darum geht, sich vor Arbeit zu drücken.» 

Die Antwort geht im selben Stil weiter. Am Schluss zeichnet der Autor mit «der Ratgeber» (siehe Bild rechts). 

Grosse Auflage 

Andreas Zehnder, Leiter der Zehnder Gruppe mit Hauptsitz in Wil SG, möchte auf Anfrage von watson zur Zeit dazu keine Stellung nehmen, weil «der Ratgeber» in den Ferien sei. Die Zehnder Gruppe verlegt mehrere Gratiswochenzeitungen, unter anderem die «Neue Oberaargauer Zeitung». Warum der Artikel erschienen ist, darüber will Zehnder erst in der zweiten Septemberwoche informieren. Dann sei «der Ratgeber» zurück aus den Ferien. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt offen, ob die Frage erfunden ist oder tatsächlich von einer Leserin so gestellt wurde. 

Die Zehnder Gruppe, mit Verlag und Print, ist ein kleines Imperium. In 17 Deutschschweizer Regionen bringt die Firma insgesamt 23 Gratiswochenzeitungen heraus. Laut Homepage hat die «Neue Oberaargauer Zeitung» eine Auflage von 29'497 Exemplaren. Die Auflage der Zehnder Gruppe insgesamt, inklusive Partnerzeitungen, betrage 776'134. Die «Wiler Nachrichten», die «Winterthurer Zeitung» und die «St.Galler Nachrichten» sind die wichtigsten Titel. Dazu kommen Zeitschriften wie «active live», «Schützenkönig» und «Schweizer Veteran».

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148 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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chwolf
27.08.2015 19:53registriert Dezember 2014
Interessant ist doch auch, dass die "Frau" kaum deutsch kann, jedoch
a) Wörter benutzt wie: Unrecht und folgsam
b) die Grossschreibung beherrscht
c) bei Aufzählungen sogar Kommata setzt
d) und zu guter letzt auch brav die Buchstaben verdoppelt, dort wo es sich gehört. Bzw. kaum ein Wort falsch schreibt....
Die gute Frau muss länger in der Kanti gewesen sein, als einige meiner Freunde....
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Rodolfo
27.08.2015 17:26registriert Juni 2014
Meine Meinung: Dieser Ratgeber ist getürkt. ENVER ist ein typischer albanischer/kosovarischer Vorname. Ein mit mir befreundeter Albaner, der sehr gut deutsch spricht und schreibt, sagt dazu:
"Eine 56-jährige Frau würde andere, typische Übersetzungsfehler machen, dieser "Brief" ist so geschrieben, wie ein Deutschsprechender glaubt, Fehler machen zu müssen……"
Dieser "Ratgeber" soll sich mal rechtfertigen!
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DustyNewRose
27.08.2015 17:44registriert Februar 2014
Wenn ich noch eine hätte, würde ich locker meine Oma (OK, *beide* Omas) darauf verwetten, dass der Brief gefälscht ist. Klingt exakt so, wie es manchmal klingt, wenn gewisse Leute mit Ausländern sprechen und denken, mit Fehlern verstünde man sie dann irgendwie besser. Selbst wenn der Brief echt wäre, wäre die Antwort darauf immer noch so unglaublich unter jeder Kanone, dass so oder so ein ordentlicher Shitstorm Richtung Verfasser angezeigt wäre.
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