Wenn's um die Flüchtlingskrise geht, bedienen sich rechtsnationale Kreise zuweilen kruder Verschwörungstheorien und grenzwertiger Interpretationen: Als ein Video von Aylans Tante kursierte, wurde dieses so zusammengekürzt, dass der Eindruck entstand, der einzige Fluchtgrund seien des Vaters Zähne gewesen. Ein gefundenes Fressen für rechte Scharfmacher.
Das war aber nicht alles. Besonders kritische Beobachter und helle Leuchten wollen Propaganda hinter dem Bild entlarvt haben. Die perfide Vermutung: Aylan soll extra an den Strand gelegt worden sein, um das Bild möglichst tragisch zu inszenieren. Als Beweis soll ein Foto dienen, auf dem sich ein Helfer über einen Jungen beugt.
Diese Leuchte ist SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti. Seine etwas abstruse Frage: «Wird da ein toter Junge zu Propagandazwecken ins Bild gerückt, bloss weil gerade kein Fukushima zur Hand ist?» Die beiden Fragen, ob mit dem Bild vom türkischen Ufer nur die Schweizer Wahlen beeinflusst werden sollen oder ob Zanetti einfach den SVP-Altvorderern Christoph Mörgeli im Bereich «Mistverbreiten auf Social Media» toppen wollte, bleiben auf Twitter vorerst unbeantwortet. Andere klare Ansagen folgten aber umgehend. Erstens, dass es sich bei dem Bild um Aylans Bruder Galip handelt und zweitens, dass sich einige SVP-Politiker offenbar für keinen Dreck zu schade sind.
Wird da ein toter Junge zu Propagandazwecken ins Bild gerückt, bloss weil gerade kein Fukushima zur Hand ist? pic.twitter.com/PuBNtsIwnY
— Claudio Zanetti (@zac1967) 7. September 2015
Dabei hätte er es eigentlich besser wissen müssen. Schon vor Zanettis viraler Entgleisung wurde die absurde Theorie widerlegt:
..Beweis: Er sei ursprünglich zw. Felsen gelegen (Bild). Stimmt, hier liegt ein toter Bub. Aylans Bruder Galip. (2/2) pic.twitter.com/pAZmbKm2sz
— Thomas Ley (@thomas_ley) 6. September 2015
Die Reaktionen auf Zanetti:
@zac1967 widerlich - die SVP ist sich für keinen Dreck zu schade. #PFUI
— Thomas Bruderer (@freeapophis) 7. September 2015
Nein @zac1967 vgl. https://t.co/pPe1RWi8hE und https://t.co/OMHp1lQrKl Und 9/11 war übrigens auch kein inside job.
— Michael Köpfli (@Michael_Koepfli) 7. September 2015
Auch der @ZAC1967 missbraucht das tote Kind für den "Wahlkampf"!😳
— Susanna Oberli (@Akadierin) 7. September 2015
Politiker können zwei Sachen nicht: Fehler zugeben. Und sich entschuldigen. Nicht wahr, @zac1967?
— Daniel Eicher (@eicheronline) 8. September 2015
Wer die Flüchtlingssituation im Moment anschaut mit dem Gedanken 'Ist das ertrunkene Kleinkind überhaupt genau da angeschwemmt worden?' sucht verzweifelt nach Entschuldigungen, keine Empathie zeigen zu müssen.
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