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Offener Brief: Bauern werden beim Alpabzug heftig beschimpft

So waren sie auf den Strassen unterwegs: watson-Userin Loredana Vetters Eltern wurden beim Alpabzug übel beschimpft.  
So waren sie auf den Strassen unterwegs: watson-Userin Loredana Vetters Eltern wurden beim Alpabzug übel beschimpft.  Bild: zvg

Bauerntochter ärgert sich in offenem Brief über Autofahrer: «Man zeigt uns den Mittelfinger!»

03.10.2016, 14:0305.10.2016, 08:28
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Der User schickt’s, wir bringen’s.

Spätsommer und Herbst sind die Zeit der Alpabzüge – in den Köpfen der Städter eine romantische Angelegenheit voller Folklore, lustiger Sennen und Blumenkränze. In der Realität ist es für die meisten Bauern jedoch ein harter Arbeitstag. Und an diesem müssen sie sich übelste Beschimpfungen von Autofahrern gefallen lassen. watson-Userin und Bauerntochter Loredana Vetter aus dem Thurgau ist entsetzt – ein offener Brief.

Liebe watson-User

Ich hätte da ein Anliegen.

Meine Eltern bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb im Thurgau. Sie betreiben Ackerbau und ziehen für andere Bauern Rinder auf, die später Milchkühe werden.

Im Sommer sind viele unserer Rinder auf der Alp. Der Transport auf die Alpen, die weit weg liegen, im Engadin beispielsweise, erfolgt durch ein Transportunternehmen mit dem Lastwagen. Die Rinder, welche in der Nähe auf einer Alp sind, transportieren wir selber mit dem Traktor und einem Anhänger.

So auch am Samstag, als wir unsere Tiere aus dem Glarnerland nach Hause geholt haben.

Ich verstehe, dass es für die Autofahrer mühsam sein muss, wenn sie ein solch grosses und langsames Fahrzeug vor sich haben. Es rechtfertigt jedoch nicht das Verhalten, welches sie meinen Eltern gegenüber an den Tag legten.

Uns ist es wichtig, dass wir den Autofahrern die Möglichkeit geben, uns zu überholen. Deshalb fahren wir so oft wir können zur Seite, um sie vorbeizulassen. Was dann passiert, ist erschreckend: Es wird geflucht, wild gestikuliert und durch das Autofenster streckt man uns den Mittelfinger entgegen. Damit nicht genug: Die Steigerung dieses Verhaltens ist, dass der Bauer angehalten wird, ihm die Traktorentüre aufgerissen wird und der Automobilist ihn beschimpft.

Wann ist es in der Schweiz dazu gekommen, dass wir unsere Bauern so behandeln? Wie würden wir reagieren, wenn das ein anderer Fahrer bei unserem Auto machen würde?

Die Bauern fahren nicht zum Spass auf den Strassen umher. Sie arbeiten! Und wie steht es so schön auf den Pöttinger Ladewagen: «Landwirtschaft braucht jeder.» Und das stimmt auch. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass wir vergessen haben, wer unser Essen produziert und unsere Landschaft pflegt.

Das macht mich wahnsinnig traurig und wütend. Für die Bauern ist es verletzend. Und nicht nur ich, sondern bestimmt auch alle betroffenen Bauern wären froh, wenn man in diesem Thema eine gewisse Sensibilität an den Tag legen könnte.

Vielen Dank und liebe Grüsse
Loredana Vetter, Thurgau 

Bearbeitung: Rafaela Roth 

Diese Fotos zeigen, dass die Schweizer Landwirtschaft ziemlich spektakulär ist

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Diese Fotos zeigen, dass das Leben auf dem Land fantastisch ist
Fotograf Gody Suter / www.agrimage.ch
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146 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dieter A.
03.10.2016 17:27registriert Juni 2015
Liebe Loredana,

Es ist wirklich traurig, zu lesen, was Du da schreibst. Wenn mich ein Traktor vorbeilässt, dann winke ich dem Fahrer zum Dank. Aber unsere Gesellschaft wird immer egoistischer und im Strassenverkehr zeigt sich das sehr intensiv. Ich hoffe, dass Dein offener Brief zumindest einige Egoisten zum Nachdenken bringt.

Herzliche Grüsse,

Dieter
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DerElch
03.10.2016 16:44registriert März 2016
Ich finde es traurig, wie viele hier über die Bauern und diesen Brief abziehen. Was ist denn hier bloss los? Ehrlich: Mir ists egal, ob Bauern Subventionen beziehen oder nicht, solange ich noch durch die Schweiz fahren kann und Felder, Kühe, Natur sehe und meine Milch direkt beim Hoflädeli beziehen kann – oder auch in der Migros vom Bauer in der Nähe.
Ich gebe den Bauern gerne Subventionen, ich finde, das Geld kann dümmer angelegt sein. Und die Briefverfasserin hat Recht: Man zeigt keinem arbeitenden Menschen den Mittelfinger. Man zeigt ihn sowieso niemandem. Traurig, wer sich hier aufregt.
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x4253
03.10.2016 15:40registriert Juli 2016
Wer wegen eines langsamen Landwirtschaftsfahrzeugs, blockierter Strassen wg. Kühen die Nerven verliert sollte vielleicht besser nicht autofahren, sondern den ÖV nehmen bzw. zu Fuss gehen.
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