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Migros und Coop schaffen behindertengerechte Einkaufswagen an

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Die Geschichte des kleinen Arden wird dir den Glauben an Coop und Migros zurückgeben

28.03.2017, 20:5829.03.2017, 13:17
Emily Engkent
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Arden Seiler aus dem aargauischen Möriken ist in verschiedener Hinsicht entwicklungsverzögert. Er wird im Juni vier, kann aber (noch) nicht sprechen, frei stehen und laufen. Auch ernährt wird er hauptsächlich über eine Magensonde. 

Arden an seinem 3. Geburtstag.
Arden an seinem 3. Geburtstag.bild: zvg

In anderer Hinsicht ist Arden wie jedes Kind in seinem Alter. Er spielt gerne, lacht viel – oder beklagt sich, wenn ihm etwas nicht passt. Zum Beispiel, wenn er lange im Kindersitz eines Einkaufswagens ausharren muss. Denn dafür ist er inzwischen zu gross: Im Schritt ist es sehr eng, er kann nicht zurücklehnen, wenn er müde ist, und es ist schwierig, ihn hineinzusetzen und wieder herauszunehmen.

Arden in einem Standard-Einkaufswagen. Bequem sieht anders aus.
Arden in einem Standard-Einkaufswagen. Bequem sieht anders aus.bild: zvg
«Eine unserer grössten Sorgen war stets: Was passiert, wenn Arden älter wird. Wenn er schwerer wird. Wie können wir ihn transportieren? Wie machen wir alltägliche Dinge, wie einkaufen gehen?»
Winnie Seiler, Ardens Mutter

Alle Eltern wissen: Einkaufen mit kleinen Kindern ist auf die Dauer nur realistisch (und selbst dann manchmal stressig), wenn diese zufrieden im Einkaufswagen sitzen. Weil Arden kaum mehr in die Standardmodelle passt, machte sich seine Mutter Winnie auf die Suche nach Alternativen und wurde fündig: Die Ostschweizer Firma Wanzl stellt modifizierte Einkaufswagen her, die genau auf die Bedürfnisse von Kindern wie Arden zugeschnitten sind. Der sogenannte Ben's Cart hat einen grossen Sitz, eine hohe Rückenlehne und einen Anschnallgurt.

Der Ben's Cart der Firma Wanzl, Kostenpunkt rund 500 Franken.
Der Ben's Cart der Firma Wanzl, Kostenpunkt rund 500 Franken.bild wanzl

Im November 2016 beschloss Winnie, auf Coop und Migros zuzugehen und ihre Situation zu schildern:

«Ich ersuche Ihre Firma, eine kleine Investition in meine Familie und andere betroffene Familien zu tätigen, indem sie für unsere Kinder geeignete Einkaufswagen zur Verfügung stellen. Im Gegenzug unterstützen wir Ihr Geschäft und berichten gerne von ihrem beispielhaften Einsatz für Inklusion und Toleranz.»
Winnie Seilerfacebook

Die Antworten liessen nicht lange auf sich warten und stimmten die Seilers hoffnungsvoll. Coop versprach noch am selben Tag, die Anfrage an die zuständige Abteilung weiterzuleiten. Und bereits zwei Wochen später versicherte der Detailhändler, für ihre Supermärkte in Aarau und Lenzburg je einen Ben's Cart anzuschaffen.

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screenshot via facebook

Im Januar meldete sich auch die Migros mit einem positiven Bescheid. «Es war sehr emotional für uns, weil sie uns zuhörten, sich für unser Anliegen interessierten, und vielleicht sogar verstanden, wie so etwas Kleines für ein Kind so wichtig sein kann», sagt Winnie Seiler.

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bild: zvg

Inzwischen sind die Ben's Carts ausgeliefert und stehen in vier Filialen in Aarau, Lenzburg und Wildegg bereit. 

«Alle diese Dinge, über die ich mir sonst Gedanken machen müsste, einfach einkaufen zu gehen, etwas ganz Alltägliches, ist jetzt mühelos.»
Winnie Seiler
Arden beim Einkaufen im Ben's Cart.
Arden beim Einkaufen im Ben's Cart.bild: zvg

Mehr Ben's Carts braucht die Schweiz

Winnie Seiler ist froh, dass Coop und Migros ihrer Familie so schnell und unkompliziert entgegen gekommen sind. Allerdings ist es ihr nie um Arden allein gegangen: «Das Ziel war immer, allen Betroffenen zu helfen und ein Fürsprecher für ihre Anliegen zu sein. Für Arden und andere Kinder mit Behinderungen.»

Wie viele Kinder und Eltern in einer ähnlichen Situation wie die Seilers sind, ist unklar. «Entwicklungsverzögerung ist ein weiter Begriff und wir gehen nicht davon aus, dass in der Schweiz dazu verlässliche Zahlen vorliegen», erklärt Susanne Stahel, Mediensprecherin bei Pro Infirmis. Die Fachorganisation für Menschen mit einer Behinderung bietet aber Hand: «Betroffene Familien können sich an unsere Sozialberatung wenden. Diese kann die Familien unterstützen, mit den lokalen Detaillisten eine Lösung zu finden.»

Coop und Migros geloben, Hand zu bieten:

«Wir setzen solche Wagen auf Kundenwunsch, das heisst, nach Bedarf ein. Wir wollen solche Wagen dort einsetzen, wo auch tatsächlich Bedarf angemeldet wird und wir die nötige Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden sicherstellen können, damit die Wagen dann auch gefunden und genutzt werden.»
Andrea Bauer, Sprecherin Genossenschaft Migros Aare
«Uns ist es wichtig, auf die Anliegen und Wünsche von allen unseren Kundinnen und Kunden einzugehen, daher prüfen wir diese von Fall zu Fall. Daraus können sich dann individuelle Einzellösungen ergeben, wie im Fall der Familie Seiler, bis hin zu grösseren Projekten.»
Andrea Bergmann, Sprecherin Coop
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26 Kommentare
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C3DR1C42
28.03.2017 21:47registriert September 2015
Wird wohl kein Aldikind
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Butschina
28.03.2017 23:23registriert August 2015
In der Migros und im Coop Langenthal gibt es zwar keinen solchen Wagen, dafür einen Wagen der an einen Handrollstuhl angehängt werden kann. Das nützt mir im Elektrorollstuhl nichts, aber dafür anderen Menschen im Rollstuhl. Beide Läden würden mir aber einen Mitarbeiter zur Verfügung stellen, der mit mir durch die Gänge geht und mir hilft. Glücklicherweise geht es meist selbst, ist aber angenehm zu wissen, dass Hilfe unkompliziert möglich ist.
2021
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barbablabla
28.03.2017 21:39registriert Januar 2016
Mit so einer kleinen Geste kann grosses gemacht werden. Ein grosses Bravo💐
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