Am 16. September 2014 lächeln SBB-Chef Andreas Meyer und der CEO der Berner Bahn BLS, Bernard Guillelmon, noch harmonisch in die Kamera. Zweieinhalb Jahre später ist ihnen das Lachen vergangen. Denn Guillelmon will den SBB Fernverkehrs-Linien abluchsen. Am Mittwoch scheiterten letzte Verhandlungen für eine gütliche Lösung. Nun drohen die SBB mit Revanche.
Jede Fernverkehrs-Linie ist an eine Konzession gebunden, die das Bundesamt für Verkehr (BAV) vergibt. Heute halten die SBB alle Konzessionen, doch Ende Jahr laufen die meisten aus. Die Ostschweizer SOB und die BLS wollen nun auch mittun. In den letzten Monaten führten die drei Bahnen Gespräche, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die SBB und die SOB stehen weiterhin in Verhandlungen. Die BLS wird hingegen ein eigenes Konzessionsgesuch einreichen. Welche Linien die BLS betreiben will, ist unklar. Mit dem Scheitern der Verhandlungen sei das bisher diskutierte Konzept irrelevant geworden, sagt Sprecher Hugo Wyler. Für welche Strecken sich die BLS bewerbe, werde nun neu evaluiert. Die SBB warnen vor einem Fernverkehrskonzept durch mehrere Anbieter. Jenes der BLS verursache für die öffentliche Hand Mehrkosten von 20 bis 30 Millionen Franken jährlich, sagt Toni Häne, Leiter Verkehr der SBB. Das liege an Doppelspurigkeiten, die unweigerlich aufträten. So müsste die BLS eigene Reservezüge oder Personalräume bereitstellen.
Reine Behauptungen seien das, sagt BLS-Sprecher Wyler. Im Konzessionsgesuch werde man die genauen Berechnungen aufzeigen. Das Ziel sei eine bessere Auslastung und ein effizienteres System. «Das war immer auch der Wunsch der Politik.» Die SBB wollten ihre Monopolstellung verteidigen. Das sei nicht nachvollziehbar: Die SBB könnten die profitabelsten Fernverkehrsstrecken ebenso behalten wie die hoch rentablen Bahnhöfe und Immobilien. Zu den hoch rentablen Strecken gehört etwa die Ost-West-Verbindung Genf–St. Gallen.
Der Fernverkehr bilde das Rückgrat des öV-System, heisst es hingegen bei den SBB. Dieses müsse zuverlässig und sicher sein – und weiterhin in den Händen eines Anbieters. Nur so sei garantiert, dass sich die Partner im öV-System zuverlässig auf einen Fernverkehrsanbieter abstimmen könnten. Die SBB sind entschlossen, die Konzessionen zu verteidigen. Zwischen ihnen und der BLS besteht seit 2001 eine Vereinbarung zur Effizienz und zur Abwicklung des Verkehrs. Im Wesentlichen traten die SBB damals die Regionalverkehrslinien im Raum Bern der BLS ab, während diese auf ihre Fernverkehrs-Linien verzichtete und die Verkehrssteuerung seit dann mit einer eigenen Betriebszentrale abwickelt. «Wenn sich die BLS nicht an diese rechtsgültige Vereinbarung hält, würden die SBB sämtliche darin enthaltenen Geschäftsfelder überprüfen», sagt SBB-Verkehrschef Häne. Es sei klar, dass dann die Bewerbung auf den gesamten S-Bahn-Verkehr in Bern oder die Übernahme der Verkehrssteuerung im Raum stehe.
Wird das Fernverkehrs-Abenteuer zum Bumerang für die BLS? «Die Vereinbarung hat keinen Zusammenhang mit den Konzessionen», sagt BLS-Sprecher Wyler. Die SBB schalteten auf allen Ebenen auf Angriff. «Dass sich die SBB so vehement gegen das bisschen Wettbewerb wehren, ist schade.»
Noch fehlt der BLS das Rollmaterial für die gewünschten Fernverkehrslinien. Auf die SBB können sie nicht zählen. «Wir könnten der BLS keine Züge abtreten. Die frei werdenden Züge würden dafür genutzt, älteres eigenes Rollmaterial auszumustern und durch modernere Züge zu ersetzen», sagt SBB-Verkehrschef Häne. Anders als im Regionalverkehr gibt es im Fernverkehr keine Verpflichtung, Züge an den Nachfolgebetrieb abzugeben.
Falls die SBB die Konzession erhalten, kündigt Häne Verbesserungen an. Insbesondere die Doppelstockzüge für den Regionalverkehr, welche auf Interregio-Linien eingesetzt werden, würden aufgerüstet. Dafür brauche es aber die Planungssicherheit der Konzessionsverlängerung. Bis das BAV entscheide, könne nichts umgesetzt werden.
Sicher ist, dass das BAV keine Konzession an ausländische Anbieter vergeben wird. Welche Rolle die dritte Bahn, die SOB spielen wird, ist aber noch unklar. Sie interessiert sich für Fernverkehrs-Linien zwischen Chur, St. Gallen und Zürich und die Gotthard-Bergstrecke ins Tessin. SBB-Verkehrschef Häne kann sich eine Zusammenarbeit mit der SOB unter Federführung der SBB vorstellen. Gespräche dazu laufen. Man sei durchaus bereit, operativ mit Partnern zusammenzuarbeiten und gewisse Verbindungen durch Züge der SOB fahren zu lassen, sagt Häne. Wichtig sei aber eine Planung und Steuerung aus einer Hand.
Dieses Angebot dürfte nicht reichen. Die SOB erhofft sich von den SBB ein Entgegenkommen beim Regionalverkehr. Insbesondere auf die Linie zwischen Wil, St. Gallen und Chur und einzelne Linien der S-Bahn St. Gallen hat sie ein Auge geworfen. Bis Ende Juni suche man eine gütliche Lösung, heisst es in St. Gallen. Komme die nicht zustande, trete man auch gegen die SBB an.