Auch mittelmässige und gar schlechte Schüler können es im Beruf weit bringen – dank dem dualen Bildungssystem. Dies zeigt eine neue Studie der Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm. Sie fordert ein Umdenken der Lehrbetriebe.
Für ihre Studie hat die emeritierte Professorin die 200 besten Lehrabgänger der Schweiz unter die Lupe genommen, die bei der nationalen Berufsmeisterschaft 2014 oder internationalen Wettbewerben eine Medaille ergattert haben.
Ihr Fazit: 60 Prozent der «Top 200» verfügen über einen mittleren oder tiefen Schulabschluss – 40 Prozent besuchten die Sekundarschule, 20 Prozent die Realschule. Ein Drittel der Befragten bezeichnet die eigenen schulischen Leistungen als «mittelmässig» oder gar «schlecht». Die besten Lehrabgänger der Schweiz stammen zudem mehrheitlich aus «sozial einfach gestellten Familien».
Für viele von ihnen sei die Berufslehre zur zweiten Chance geworden, die zu einer «Leistungsexplosion» geführt habe, schreibt Stamm in ihrer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Diese Ergebnisse stellten die Klage vieler Betriebe, sie würden keine «guten Lehrlinge» finden, in ein anderes Licht.
Die Berufsbildung müsse ihre Rekrutierungspraktiken überdenken, fordert Stamm. Nur so könne sie tatsächliches Potenzial entdecken und Talente fördern. Heute stünden bei der Rekrutierung vor allem die Höhe des Schulabschlusses und die Schulnoten im Fokus.
Ebenso wichtig seien aber Fähigkeiten, die jenseits schulischen Wissens vorhanden sind. Zu diesen «Soft Skills» gehörten etwa Gewissenhaftigkeit, Fleiss, Einsatzbereitschaft, Selbstständigkeit, Durchhaltevermögen, praxisorientiertes Arbeiten, Neues zu wagen und zu erproben und vieles mehr. (whr/sda)