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Chrampfen für 3200 Franken im Monat: Das Flüchtlingsprojekt des Bauernverbandes ist scheinheilig

Viel Aufmerksamkeit und Applaus für ein bedenkliches Projekt: Der Bauernverband an der Medienkonferenz.
Viel Aufmerksamkeit und Applaus für ein bedenkliches Projekt: Der Bauernverband an der Medienkonferenz.Bild: KEYSTONE

Chrampfen für 3200 Franken im Monat: Das Flüchtlingsprojekt des Bauernverbandes ist scheinheilig

Der Bauernverband präsentiert sich mit einem Arbeitsprogramm für Flüchtlinge der Öffentlichkeit als Wohltäter. In Wirklichkeit brauchen die Bauern billige Arbeitskräfte, die sie wegen der MEI-Kontingentierung nicht mehr zu kriegen drohen. 
21.05.2015, 11:3321.05.2015, 16:06
Daria Wild
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Pilotprojekt: Bauern stellen Flüchtlinge ein

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Pilotprojekt: Bauern stellen Flüchtlinge ein
Schweizer Bauern wollen anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen Gelegenheit geben, einer Arbeit nachzugehen und gleichzeitig ihren Mitarbeiterbedarf zu decken.
quelle: keystone / patrick straub
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Tönen tut es toll: Die Bauern helfen bei der Integration von Flüchtlingen, geben jenen Arbeit und Lohn und einen Platz in der Mitte der Schweizer Gesellschaft, die sonst untätig herumhocken müssten. 

Aber man ahnt, dass das Pilotprojekt des Bauernverbandes und des Staatssekretariats für Migration besser tönt, als es wirklich ist. 

Die schöne PR-Botschaft lässt einen aus zwei Gründen stutzen. Einerseits weil die Flüchtlinge das Personalloch im Landwirtschaftsbereich stopfen, das die von der Bauernpartei SVP gewollte MEI-Kontingentierung erst hinterlassen wird. Und andererseits weil Flüchtlinge mit dem Status «vorläufig aufgenommen» mit einer Bewilligung ihres Wohnkantons ohne weiteres arbeiten dürfen. 

Die Bauern brauchen sie dazu nicht. Und sie brauchen sie auch nicht, um einen anständigen Lohn zu verdienen. 

Salär unter dem Mindestlohn

Nur 2300 Franken sollen die Flüchtlinge im ersten Monat Knochenarbeit in der Landwirtschaft verdienen – weil sie nicht aus dem landwirtschaftlichen Polen kämen, sondern in erster Linie aus Nordafrika und deshalb zuerst eingearbeitet werden müssten, so das Argument von Bauernverbandspräsident Markus Ritter. 

Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes.
Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes.Bild: KEYSTONE

Das ist eine schlechte Ausrede für die vom Bund sanktionierte Schlechterstellung einer Bevölkerungsgruppe. In jedem gewöhnlichen Arbeitsvertrag ist eine Probezeit verankert, die nicht tiefer entlohnt wird als die reguläre Arbeitszeit. 

So hingegen ist die Regelung geradezu eine Einladung, Flüchtlinge für nur wenige Wochen zu Dumping-Löhnen anzustellen. Und auch ab dem zweiten Monat wird's für die Flüchtlinge nicht besser: 3200 Franken müssen reichen. Für Logis in Asylzentren, für Essen und Versicherung.

Profit ohne Gegenleistung

Das ist Ausbeutung mit Segen des Bundes, notabene durch eine Branche, die vom selben Bund bereits massiv subventioniert wird und deren Lobby unverhältnismässig stärker ist als ihr Beitrag zur Schweizer Wertschöpfung. 

Zyniker möchten rufen, die Bauern profitierten so von einer Human-Resources-Subvention und das – wie bei den Direktzahlungen – ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen, ohne einen Gesamtarbeitsvertrag einzuführen, ohne anständige Arbeitsbedingungen zu versichern. 

Selbst Ritter gab zu: Schweizer arbeiten nicht zu diesen Bedingungen.

Damit ist das mit Stolz verkündete Projekt des Bauernverbandes, dessen Vertreter so gar nicht flüchtlingsfreundlich eingestellt sind, alles andere als solidarisch. 

Sondern schlicht eine lukrative PR-Aktion.

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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Banksy
21.05.2015 15:50registriert Februar 2014
Hm also wirklich. Realistisch gesehen muss ein Flüchtling für Verpflegung, Asylunterkunft und Versicherung wohl kaum 3200.- im Monat aufwenden, da wird schon ein bitzli übrigbleiben am Ende, keine Angst. Dies mit moderner Sklaverei zu vergleichen ist in meinen Augen blanker Hohn für die wirklich Ausgebeuteten.
Und übrigens, ein normaler Bauer in der Schweiz (mit langjähriger Berufserfahrung und Ausbildung), der genauso 'Knochenarbeit' wie die Flüchtlinge verrichtet, verdient oftmals nicht mehr als 4000.- im Monat (trotz all den Subventionen), und hat meistens noch eine Familie durchzubringen.
Ach watson, ich mag euch sonst total gerne aber dieser Artikel ist ganz schön doll ignorant und nicht im geringsten durchdacht.
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Robin in da Hood
21.05.2015 12:51registriert Mai 2014
Sie ziehen die falschen Schlüsse: Die Landwirtschaft stellt Billig-Löhner ein – und das seit jeher. Ob nun anerkannte Flüchtlinge oder Billig-Arbeiter aus Polen die Arbeit leisten, beides ist ungerecht.
Natürlich profitieren die Bauern davon, es ist kein Akt der Menschlichkeit – das hat auch keiner der Beteiligten behauptet – es ist eine Arbeitsmarkt technische Änderung, wie es häufig vorkommt.
Wenn Polen für einen Hungerlohn arbeiten ist das ok, wenn das SEM Flüchtlinge die Billig-Arbeit machen lässt, ist es doof? Das geht nicht auf.
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sste87
21.05.2015 13:22registriert Februar 2014
Sehr schwacher Artikel - hätte die Frau Journalistin den eine bessere Idee?
Es sind sich wohl alle einig, die Flüchtlinge müssen beschäftigt werden, dies fördert die Integration und senkt die Kriminalität. Da ist jeder Vorschlag willkommen.
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Warum so politisch? Wir müssen ändern, wie wir über 4-Tage-Wochen und Co. reden
Reden wir in der Schweiz über New Work, also neue Formen des Arbeitens, wird die Diskussion sofort politisch. Dabei sollten wir die Wissenschaft einfach in Ruhe dazu forschen und die Unternehmen ihre Wege finden lassen.

Ich stelle mir gerade vor, wie ich vor 50 Jahren meinen Job erledigt hätte. Alleine für diesen Artikel hätte ich mich in ein Archiv begeben müssen. Dann hätte ich mir Notizen gemacht, wäre zurück an meinen Arbeitsplatz und hätte in meine Schreibmaschine getippt. Wäre ein Tippfehler aufgetaucht, wovon ich schwer ausgehe, hätte ich das Blatt entfernen, den Fehler mit Tipp-Ex überstreichen und das Papier wieder einsetzen müssen. (So zumindest stellt man sich das als Gen Y vor.)

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