Für Softdrink-Produzenten sind schwere Zeiten angebrochen: Produkte wie Coca-Cola, Fanta, Sprite oder Eistee gelten gemeinhin als Dickmacher. Jedem Kind wird heute eingetrichtert, dass Süssgetränke nicht nur schlecht für die Zähne, sondern auch schlecht für die Figur sind.
Fakt ist: Jedes fünfte Kind hierzulande ist zu dick. Vielerorts wird deswegen der Zucker und das Süssgetränk gleich mit aus dem Menüplan gestrichen. Für Konsumentenschützer ist deshalb klar: Auf Lebensmitteln mit hohem Zucker- und Fettgehalt sollen Warnungen und Beschriftungen deutlich angebracht werden.
Dagegen wehren sich die Softdrink-Produzenten. Laut einer Studie der Informationsgruppe (IG) Erfrischungsgetränke will die Schweizer Bevölkerung bei der Ernährung Eigenverantwortung tragen und keine Verbote und Gesetze von Staates wegen.
Den Präsidenten der IG Erfrischungsgetränke, BDP-Nationalrat Lorenz Hess, freut dieses Ergebnis: «Ich bin positiv überrascht, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Eigenverantwortung schätzt und diese einer staatlichen Bevormundung im Bereich Lebensmittel bevorzugt.»
Doch die Studie enthält noch weitere Resultate. Solche, die die Softdrink-Produzenten lieber nicht an die grosse Glocke hängen und sie deshalb auch nicht in die Medienmitteilung schreiben:
Solche Aussagen sind Wasser auf den Mühlen der Konsumentenschützer. Josiane Walpen vom Schweizerischen Konsumentenschutz: «Die heute verwendete GDA-Kennzeichnung in tabellarischer Form mit vielen Zahlen zum täglichen Energiebedarf ist schwierig zu verstehen und erfordert gerade von Jugendlichen eine grosse Bereitschaft, sich darauf einzulassen.»
Walpen plädiert daher für das Ampel-System: «Es ist ein einfaches Mittel, um auf Lebensmitteln zu erkennen, ob es eher zurückhaltend konsumiert werden soll oder ob man es unbedenklich in grossen Mengen zu sich nehmen darf.»
Für die Soft-Drink-Hersteller hingegen wäre dies ein Horrorszenario: Auf vielen ihrer Produkte würde die Ampel ein rotes Licht anzeigen und signalisieren, dass ein zurückhaltender Konsum empfohlen wird. «Die Ampelkennzeichnung ist schlicht ungeeignet», wehrt sich Präsident Hess. Sie hätte zur Folge, dass Nahrungsmittel pauschal als gesund oder ungesund deklariert würden, fürchtet er, und fügt an: «Stellen Sie sich vor, eine Konditorei müsste nur rote Ampeln aufstellen!»
Für Konsumentenschützerin Walpen ist die Studie aber auch aus einem anderen Grund problematisch: «Die Softdrink-Hersteller stehen mit dem Rücken zur Wand», kritisiert sie. Die Branche habe ein Image-Problem und wähle nun eine offensive Strategie. «Die Studie ist sehr einseitig und klammert viele wichtige Fragen aus. Allen voran, die der Jugendlichen, die am stärksten auf Süssgetränke-Werbung reagieren und solche auch am häufigsten konsumieren.»
Auch für Medienforscher Heinz Bonfadelli wirft die Studie Fragen auf. Er betont zwar die gute Reputation des Forschungsinstituts gfs.bern, erklärt aber: «Bei Forschung für Auftraggeber hat der Kunde natürlich Mitspracherecht in den Forschungsfragen.» Dies wirke sich auf die Art der Fragestellung aus: «Die Befragten müssen sich in diesem Fall entscheiden, ob sie lieber ‹Information und Aufklärung› oder ‹Steuern und Gesetze› hätten.» Dass dann Begriffe wie «Steuern und Gesetze» den «Kürzeren» zögen, sei evident.
Die Süssgetränke-Industrie ist bekannt für ihre gute Lobby. Vertreter der IG Erfrischungsgetränke sind neben Lorenz Hess auch die Nationalräte Ida Glanzmann (CVP), Bruno Pezzatti (FDP) und Sebastian Frehner (SVP). Niemand Geringeres als CVP-Präsident Christophe Darbellay präsidiert zudem die eng verbandelte IG Mineralwasser, der noch rund 25 weitere National- und Ständeräte angehören.
Der Einfluss der Getränkeindustrie wurde schon mehrmals sichtbar. Im November 2013 kippte der Nationalrat bei der Lebensmittelgesetz-Revision ein Gesetz zur Werbeeinschränkung für ungesunde Lebensmittel wieder aus der Vorlage.
2012 musste die Gesundheitsförderung Schweiz eine Studie zu Süssgetränken zurückziehen. Sie besagte, dass zu viele Süssgetränke dick machen können und schlug Massnahmen zur Prävention vor. Der Direktor Thomas Mattig musste sich damals erklären: «Mit dem Präsidenten des Mineralwasserverbandes, CVP-Nationalrat Christophe Darbellay, einigten wir uns, dass wir den Bericht vom Netz nehmen, um Missverständnisse zu vermeiden. Wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir die Industrie nicht angreifen», sagte er im Konsumentenmagazin «saldo».