Wasserkraft
Die Spuren des «Geheimpapiers» – wie der Plan der Lobbyisten teilweise aufging

Die Schweizer Wasserkraft soll mit einer Abnahmegarantie gestärkt werden – das hat die Energiekommission kürzlich entschieden. Damit ist der Plan von Lobbyisten zumindest teilweise aufgegangen.

Antonio Fumagalli
Drucken
Die Energiekommission des Nationalrats will die Wasserkraft mit einer Abnahmegarantie stützen.

Die Energiekommission des Nationalrats will die Wasserkraft mit einer Abnahmegarantie stützen.

Keystone

Das «Geheimpapier» schlug vor Jahresfrist wie eine Bombe ein: Im März 2016 veröffentlichte die «Basler Zeitung» das «Public Affairs Konzept 2016», das eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen wäre. Verfasst hatte es der Politberater Dominique Reber von der PR-Agentur «Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten», adressiert war es an ein Geschäftsleitungsmitglied des Stromkonzerns Alpiq.

Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt Verfasst hatte das «Public Affairs Konzept 2016» der Lobbyist Dominique Reber von der PR-Agentur «Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten», adressiert war es an ein Geschäftsleitungsmitglied des Stromkonzerns Alpiq.

Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt Verfasst hatte das «Public Affairs Konzept 2016» der Lobbyist Dominique Reber von der PR-Agentur «Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten», adressiert war es an ein Geschäftsleitungsmitglied des Stromkonzerns Alpiq.

AZ

Der Inhalt des vertraulichen Papiers las sich wie eine Wegleitung für eine möglichst umfassende Beeinflussung von Politik, Medien und letztlich der öffentlichen Meinung. Forschungsaufträge an Hochschulen sollten das akademische Terrain vorbereiten, das die Strombranche dann wohlwollend zur Kenntnis nehmen könnte und auf diese Weise Medien und Politik für ihr Anliegen gewinnen würde.

Konkurs verhindern

Das Ziel war im PR-Dokument klar formuliert: «Sicherstellen, dass durch geeignete politische Massnahmen die Betriebsrechnung in den Bereichen Wasserkraft und bei der Kernkraft schnellstmöglich wieder positiv ist.» Zur Erinnerung: Aufgrund der tiefen Marktpreise stehen die einst gewinnträchtigen Stromkonzerne finanziell derzeit mächtig in Schieflage.
Das Strategiepapier von letztem Frühling wollte also Verluste aus der Stromproduktion auf den Staat abwälzen – um den Worst case, also den Konkurs des Stromkonzerns, zu verhindern.

War da nicht kürzlich was? In der Tat haben «Tages-Anzeiger» und «Le Temps» letzte Woche über ein Papier berichtet, das ebenfalls nicht fürs breite Publikum gedacht war. Sechs Stromkonzerne – darunter die beiden Branchenriesen Axpo und Alpiq – forderten darin ein rasches Handeln vonseiten der Politik, um ihre finanzielle Notlage zu mildern: «Als Sofortmassnahme ist eine befristete Grundversorgungsprämie für die Wasserkraft einzuführen», heisst es im Papier. Haushalte und KMU hätten diese mit einem Zuschlag von 1,6 bis 1,8 Rappen pro Kilowattstunde berappen sollen, so die Vorstellung der Strombranche.

Die Energiekommission des Nationalrats, zuhanden welcher das Schreiben verfasst wurde, erteilte dieser Maximalforderung gestern eine Absage. Gleichzeitig entschied sie sich für ein Modell, das den Wasserkraftbetreibern finanziell ebenfalls unter die Arme greifen würde. Konkret sollen Verbraucher in der Grundversorgung nur noch Elektrizität aus einheimischer Wasserkraft beziehen können, Strom aus Atomkraft und ausländischer Produktion würde auf den freien Markt verbannt.

Stromkonzerne wie Alpiq und Axpo sollen also von einer Abnahmegarantie für ihre Wasserkraft profitieren. Sie haben zwar selbst keine Endkunden in der monopolisierten Grundversorgung, könnten ihren einheimischen Wasserstrom den Energieversorgern aber zu einem vom Bundesrat zu definierenden Preis abstossen, der deutlich über dem freien Marktpreis liegen wird.

«Mein Rat war nicht falsch»

Entsprechend erfreut zeigen sich die Stromkonzerne nun: Alpiq «begrüsst» den Kommissionsentscheid und Axpo findet es «positiv, dass die Dringlichkeit der Unterstützung der Schweizer Wasserkraft erkannt wurde». Mittel- und langfristig brauche es aber «konkrete Rahmenbedingungen», mit denen die Versorgungssicherheit garantiert und die Klimaziele erreicht werden können, so die Axpo.

Mit anderen Worten: Der Entscheid der Kommission ist für die Stromkonzerne zwar kein Sieg auf der ganzen Linie, aber eine überaus willkommene Unterstützung für die hauseigene Betriebsrechnung. Also genau das, was das geleakte Strategiepapier vor einem Jahr forderte. Auftraggeberin Alpiq will sich in diesem Zusammenhang nicht äussern. Der Autor hingegen zeigt sich erfreut: «Nun geschieht, was wir damals als Strategie angenommen haben. Meine Beurteilung hat sich bestätigt», sagt Politberater Reber.

Nationalrat Eric Nussbaumer (SP, BL), selbst Mitglied der Energiekommission, sieht die heimische Wasserkraft mit dem Entscheid zwar auch gestärkt, er gibt aber zu bedenken, dass das Glas für Alpiq und Axpo wegen der Atomkraft, die sie künftig im freien Markt abzustossen hätten, «nur halb voll» sei. Insofern sei der PR-Erfolg von Alpiq und Co. zu relativieren. «Vor allem aber ist es eine pragmatische Lösung im Interesse des Landes, weil damit das Rückgrat der Schweizer Stromproduktion gestärkt wird», so Nussbaumer.