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«Cargo sous terrain» (CST): Eine unterirdische Rohrpost vom Genfer- bis zum Bodensee

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Eine unterirdische Rohrpost
Was nach Science Fiction tönt, beschreiben die Promotoren als eine «pragmatische und technisch einfache Lösung».
quelle: loglay/nitin design
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«Cargo sous terrain» (CST): Eine unterirdische Rohrpost vom Genfer- bis zum Bodensee

26.01.2016, 12:5426.01.2016, 17:56
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«Cargo sous terrain», das den Gütertransport von der Strasse in einen Tunnel verlagern will, ist technisch und wirtschaftlich machbar, kostet aber eine Stange Geld. Schon für das erste Teilstück der «Güter-Rohrpost» müssen 3,5 Milliarden Franken investiert werden.

Ein Team aus privaten Trägern arbeitet seit zwei Jahren mit Unterstützung des Bundes an Plänen für ein unterirdisches Güterverkehrsnetz. Am Dienstag präsentierten die Promotoren in Zürich eine Machbarkeitsstudie.

Wie von Geisterhand gelenkt

Was nach Science Fiction tönt, beschreiben die Promotoren als eine «pragmatische und technisch einfache Lösung». In einer Tiefe von bis zu 50 Metern sollen Tunnelröhren mit einem Durchmesser von 6 Metern gebaut werden. In diese Röhren werden dann drei Fahrspuren gelegt, je eine Spur pro Richtung und in der Mitte eine Servicespur.

Auf diesen Fahrspuren verkehren vollautomatisierte und unbemannte Fahrzeuge, die je zwei standardisierte Paletten sowie Behälter transportieren. An Rampen oder Liften können diese Kleinfahrzeuge automatisch Ladungen aufnehmen und abgeben. Die Fahrzeuge werden durch elektromagnetische Induktion angetrieben und gelenkt.

24-Stunden-Betrieb

Das System soll einen konstanten Verkehrsfluss erlauben, der dank der Verlegung unter die Erde im 24-Stunden-Betrieb geführt werden kann – ohne Rücksicht auf das bestehende Nachtfahrverbot. Die Initianten gehen davon aus, dass die Fahrzeuge im Tunnel mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h unterwegs sein werden. Eine zusätzliche Hängebahn für Pakete, die im Scheitel des Tunnels aufgehängt ist, verkehrt mit der doppelten Geschwindigkeit.

Für die Feinverteilung der Güter in den Städten ist der Aufbau eines «City-Logistik-Systems» vorgesehen, das die Waren verschiedenster Anbieter gebündelt zu den Abnehmern bringt. Dabei sollen ebenfalls umweltschonende und zum Teil unbemannte Fahrzeuge zum Einsatz gelangen.

Erste Teilstrecke von Härkingen nach Zürich

Nach den Vorstellungen der Initianten soll eine erste Teilstrecke ab 2030 die Logistikzentren rund um Härkingen SO und Niederbipp BE mit der Stadt Zürich verbinden. Unterwegs sind weitere Zugänge, so genannte «Logistikhubs», geplant. Fernziel ist ein Gesamtnetz zwischen Genfer- und Bodensee mit Anbindungen an Basel, Luzern und Thun.

Die Gesamtkosten für die erste, 66,7 Kilometer lange Teilstrecke werden auf 3,55 Milliarden Franken geschätzt. 71 Prozent oder 2,5 Milliarden kostet der Tunnel. 282 Millionen entfallen auf die Planung, 344 Millionen auf den Bau von zehn Hubs für das Be- und Entladen. 410 Millionen Franken sind für die Beschaffung von Fahrzeugen vorgesehen.

CST öffne neue Transportwege dort, wo die Engpässe auf dem Verkehrsnetz am grössten seien. Bereits mit dem ersten Ausbauschritt könne der Lastwagenverkehr zwischen Härkingen SO und Zürich um 20 Prozent reduziert werden.

«CST wird die Logistik in der Schweiz auf den Kopf stellen»

Hinter die Idee geschart haben sich verschiedene Firmen, die zum Teil auch potenzielle Nutzniesser des neuen Transportsystem sein könnten. Dazu gehören etwa die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz mit Migros, Coop, Manor und Denner sowie SBB Cargo, Rhenus Logistics, die Swisscom oder die Post, die sich zum CST-Förderverein zusammengeschlossen haben.

Daniel Wiener, Verwaltungsratspräsident des Basler Beratungsunternehmens ecos, und bei CST verantwortlich für Finanzierung und Nachhaltigkeit, ist überzeugt: «CST wird die Logistik in der Schweiz auf den Kopf stellen.» Um die prognostizierte Verkehrszunahme von bis rund 50 Prozent bis 2050 bewältigen zu können, müsse man bei der Ver- und Entsorgung der Zentren «grundlegend neue Konzepte, aber mit bestehender Technologie entwickeln».

Mit den heutigen Verkehrswegen auf Schiene und Strasse lasse sich der wachsende Güterverkehr zur Versorgung der «10 Millionen Schweiz» nicht effizient und umweltgerecht bewältigen, sagte Wiener im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Heute schon blockierten sich Personenwagen und Lastwagen gegenseitig. In Spitzenzeiten sei die rechte Fahrspur auf der A1 faktisch eine Lastwagenspur. «Auch auf der Schiene», so Wiener weiter, «streiten Personen- und Güterverkehr um knappe Kapazitäten.»

Positive Echos

Gegenwärtig ist – auf der Grundlage der präsentierten Machbarkeitsstudie – der Businessplan für potenzielle Investoren in Arbeit. Laut Wiener wird «das ganze Netz privatwirtschaftlich, ohne staatliche Mittel finanziert und auch betrieben».

Daniel Wiener ist optimistisch, dass «Cargo sous terrain» auch die politischen Hürden nehmen wird. Das Projekt sei von den Regierungsräten der betroffenen Kantone sowie vom zuständigen Zürcher Verkehrs-Stadtrat Filippo Leutenegger äussert positiv aufgenommen worden. Zürich wird die erste Stadt sein, die vom neuen System profitieren kann.

Auch mit Parteien seien erste Sondierungsgespräche geführt worden. Voraussichtlich noch diesen Sommer werde Verkehrsministerin Doris Leuthard die notwendige Gesetzesvorlage für den Bau der CST in den Bundesrat einbringen. Das CST-Gesetz ist notwendig, um die Linienführung im Mittelland und in der Nordwestschweiz zu sichern und die Rahmenbedingungen für den Betrieb festzulegen. So wird darin festgehalten, dass trotz des privaten Betriebs alle Transportunternehmen und Logistikkunden Zugang zum System haben sollen. (whr/sda)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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amore
26.01.2016 13:35registriert Februar 2014
Endlich wieder mal ein Pionierprojekt.
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Tortejäger
26.01.2016 15:13registriert Oktober 2014
Solche Projekte braucht die Schweiz!
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tooempty
26.01.2016 15:17registriert Februar 2014
Ich hoffe sehr, dass dieses Projekt nicht nur eine schön gedachte Idee bleibt. Die Schweiz braucht zukunftsgerichtete Infrastrukurprojekte, welche grundlegende neue Ideen für unsere Mobilität fördern. Optimistisch stimmt mich, dass ein klare profitorientierte Nachfrage dafür bei den Unternehmen besteht. Vielleicht wäre sogar eine Realisierung als PPP eine Möglichkeit, um allen Beteiligten gerecht werden zu können.
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