Der starke Franken könnte die Schweiz in die EU zwingen, weil wir eines Tages nicht mehr bereit sind, die Kosten für den währungspolitischen Alleingang zu stemmen. Diese provokative These stammt von alt Bundesrat Pascal Couchepin, als er im August 2010 das Absinken des Euro-Franken-Kurses von etwa 1.40 auf 1.31 kommentierte.
Ob sich der Walliser langfristig irren sollte, wissen wir nicht. Klar ist aber: Heute sind wir bei der Euro-Franken-Parität – und von einem EU-Beitritt oder einer Abschaffung der Landeswährung ist weit und breit keine Rede. Politisch hat die Forderung nicht den Hauch einer Chance.
«Wir müssten die massiven EU-Verschuldungsprogramme mittragen», sagt SVP-Finanzpolitiker Thomas Aeschi. Eine Euro-Übernahme wäre faktisch ein EU-Beitritt, so der Zuger. «Da die geldpolitische Harmonisierung in der Eurozone immer grössere Probleme bringt, sehe ich keinen Vorteil für die Schweiz, wenn wir den Euro übernehmen würden.»
Auch FDP-Nationalrat Andrea Caroni ist skeptisch: «Wenn wir dem Euroclub beitreten, werden wir mit anderen, wirtschaftlich schwächeren Staaten gleichgesetzt. Zudem müssten wir die Schulden vieler Staaten mitbezahlen.» Markus Ritter, Bauernpräsident und CVP-Nationalrat, formuliert seine Bedenken so: «Die Schweiz würde an Kaufkraft und Vermögenswerten einbüssen. Zudem wären wir der Politik und dem Engagement der Europäischen Zentralbank unterworfen.»
Auch im linken Lager hat eine Preisgabe des Frankens keine Chance: «Der Druck auf die Löhne würde mit der Euroübernahme stark steigen. Ob das Preisniveau entsprechend sinken würde, ist in einem solchen Szenario offen», sagt Ständerätin Anita Fetz (BS). Und der Solothurner Ständerat Roberto Zanetti sagt: «Realpolitisch würde dieses Szenario erst dann realistisch, wenn wir eine sehr schwere Krise erleiden würden.»
Und welche Vorteile hätte denn eine Einführung des Euros in der Schweiz? Die Politiker tun sich schwer, Antworten zu finden. «Exportorientierte Unternehmen hätten eine grössere Währungssicherheit», sagt etwa Hannes Germann (SVP/SH). «Wir sparen Kosten für Transaktionen und separate Konten», sagt Andrea Caroni. Und auch Anita Fetz erwähnt Vorteile für die Exportwirtschaft: «Diese würde aber nur dann profitieren, wenn das Lohnniveau auch sinken würde.»
Ist das alles? Euro statt Franken also nicht nur eine politisch chancenlose, sondern auch eine wirtschaftlich sinnlose Idee? Ökonomen sehen es differenziert. «Die Schweiz müsste nicht zwingend der EU beitreten, um den Euro faktisch als Zahlungsmittel einzuführen», sagt Jan-Egbert Sturm, Professor für Angewandte Makroökonomie und Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Mit der Einführung eines Currency Boards (Währungsbehörde, Anm. d. Redaktion) könnte der Franken einseitig an den Euro geknüpft werden. Das machen zahlreiche Länder so. «Der Schweizer Exportsektor würde dadurch einen extremen Auftrieb erhalten – zumindest kurzfristig», sagt Sturm.
Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Privatdozent an der Uni St.Gallen, sagt: «Es gibt zwar einzelne Branchen wie der Tourismus, der Detailhandel oder die Exportindustrie, die vom Euro auf den ersten Blick profitieren könnten.» Schon auf den zweiten Blick sehe das aber anders aus. Die Exportindustrie etwa profitiere massgeblich vom guten Image der Schweiz. «Swiss made ist ein starkes Verkaufsargument», sagt Binswanger. Ohne den Franken würde dieses Image leiden. Die Schweiz würde nicht mehr als Sonderfall wahrgenommen, sondern als ein Land wie jedes andere.
Auch für Jan-Egbert Sturm überwiegen die negativen Aspekte: «Das Renommee der Schweiz würde leiden. Zudem würden wir unsere eigenständige Geldpolitik aufgeben.» Mit unabsehbaren Folgen: So wäre etwa die UBS-Rettung durch die Nationalbank im Jahr 2008 nicht möglich gewesen. Und auch die Löhne würden sich tendenziell dem Ausland angleichen – also sinken.
Euro statt Franken? Nein, danke! Politiker und Ökonomen sind überzeugt: Eine unabhängige Geldpolitik lohnt sich. Allein: Wie hoch der Preis ist, den wir dafür zu bezahlen haben, ist unklarer denn je. Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, wo die Schmerzgrenze liegt. (Nordwestschweiz)