Es passierte mit 100 zu 84 Stimmen bei 3 Enthaltungen: Der Nationalrat machte den Bauern ein Millionengeschenk. Sie sollen auf Gewinne aus dem Verkauf von Bauland keine Bundessteuer zahlen müssen. Das würde beim Bund und bei der AHV zu geschätzten Ausfällen von 400 Millionen Franken pro Jahr führen. Es waren SVP, BDP und CVP, die praktisch geschlossen für die Bauern stimmten. Dazu kamen wenige Freisinnige. SP, Grüne, die Mehrheit der FDP und Grünliberale mussten zusehen, wie sie überstimmt wurden.
Das will die Allianz der Verlierer aber nicht auf sich sitzen lassen. «Was hier passiert ist, ist der Gipfel», sagt FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger. «Da hat der Nationalrat den Bogen klar überspannt.» Und FDP-Nationalrat Beat Walti betont: «Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie undifferenziert und rücksichtslos eigene Interessen verfolgt werden. Einige wenige werden massiv privilegiert.» Das sei, fügt er hinzu, «jenseits von Gut und Böse».
Eine Parlamentarierin plant, die Empörung von Linken, Freisinnigen und Grünliberalen zu bündeln: GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. «Zuerst müssen wir abwarten, was der Ständerat macht», hält sie fest. «Sagt er ebenfalls Ja, wird die GLP sicher das Referendum ergreifen. Dafür sollte sich eine breite Allianz finden lassen.»
Bertschy denkt an den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV), den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, die FDP, SP, Grüne und die Umweltverbände. «Es kann nicht sein, dass wir pro Jahr auf 400 Millionen Franken bei Steuern und Sozialversicherungen verzichten, und das ohne jeglichen volkswirtschaftlichen Nutzen», sagt sie. «Dieser Entscheid widerspricht auch dem Kulturlandschutz und der Revision des Raumplanungsgesetzes.
Eichenberger wie Walti würden das Referendum unterstützen. «Bei einem Referendum würde ich mitmachen, wenn auch nicht an vorderster Front», sagt Eichenberger. Und Walti meint: «Falls auch der Ständerat Ja sagt zu den Steuererleichterungen für die Bauern, muss ich mir ernsthaft überlegen, mich an einem Referendum zu beteiligen. Ich könnte mich mit dem Gedanken anfreunden.»
Bei der Abstimmung im Nationalrat wurde Walti vor allem von der CVP überrascht. «Sie war noch geschlossener, als ich das erwartet hätte», sagt er. Er hoffe nun auf den Ständerat. «Und darauf, dass die Finanzdirektoren noch Einfluss nehmen.»
Der Hintergrund der Diskussion: Bis 2011 waren Grundstückgewinne für Landwirte beim Bund steuerfrei. Das Bundesgericht hielt diese Praxis allerdings für verfassungswidrig. Es begrenzte das Privileg auf Grundstücke, die dem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht unterstellt sind. Seither sind die Gewinne aus dem Verkauf von Baulandreserven des Anlagevermögens von Landwirtschaftsbetrieben voll steuerbar. Diese Praxisänderung durch das Bundesgericht sei zu korrigieren, argumentierten nun die Bauernvertreter.
Zumindest im Nationalrat half es nicht, dass der Finanzminister vor einer «Privilegierung» warnte. Der Bundesrat sei der Auffassung, sagte Maurer, dass das Gesetz das Gebot der Rechtsgleichheit verletze. Auch werde nicht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert.
Der Finanzminister warnte auch vor einer künftigen Ungleichbehandlung zwischen Landwirten und Gewerbetreibenden. Und er stützte die Argumentation der Kritiker, wonach ein Verzicht auf die fiskalische Abschöpfung der Grundstücksgewinne den Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ritze. Das waren die Gründe, weshalb der Bundesrat darauf verzichtet hatte, dem Parlament die Annahme der Vorlage zu empfehlen. Der Nationalrat tat es trotzdem – in einer Allianz SVP-CVP.