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Coop und Migros wehren sich gegen eine drohende Zuckersteuer. Und du?

Süssgetränk in Dose
Süssgetränke beschäftigen die Schweizer Politiker – und stossen einigen sauer auf.Bild: Shutterstock

Coop und Migros wehren sich gegen eine drohende Zuckersteuer. Und du?

Braucht die Schweiz eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke wie Ice Tea, Cola und Apfelsaft? Der Bundesrat lädt zum runden Tisch.
29.04.2017, 20:2630.04.2017, 12:46
Benjamin Weinmann / schweiz am wochenende
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Ein Artikel von Schweiz am Wochenende
Schweiz am Wochenende

Ein süsser Streit, der in der Romandie entbrannt ist, erfasst die Schweiz. Im Visier sind die Hersteller zuckerhaltiger Lebensmittel. 

  • In fast allen Westschweizer Kantonen und im Tessin gibt es zurzeit Vorstösse für eine obligatorische Zahnpflegeversicherung.
  • Im Kanton Waadt hat Gesundheitsminister Pierre-Yves Maillard (SP) ein Gesetz über eine entsprechende Finanzierung entworfen. Es sieht einerseits einen Lohnabzug von maximal 0,006 Prozent vor. Andererseits eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke wie Ice Tea, Coca-Cola oder Apfelsaft von maximal 30 Rappen pro Liter.

In den kommenden Wochen soll die Steuer im Parlament behandelt werden. Das haben die beiden Detailhandelsriesen Migros und Coop mitbekommen. Bei ihnen steigt die Nervosität. Ihre Befürchtung: Kommt der Vorschlag im Kanton Waadt durch, könnte das Modell Nachahmer finden.

Der Kanton Neuenburg brachte sogar eine Standesinitiative auf Bundesebene zustande für eine Steuer auf alle zuckerhaltigen Lebensmittel. Das Geld käme der Prävention von Diabetes und Übergewicht zugute.

Lobbying hochgefahren

Die Migros hat ihr Lobbying bereits hochgefahren. In einem Rundschreiben, das sie an rund 300 Politiker und Medienvertreter verschickt hat, kritisiert sie die Steuerpläne. «Eine künstliche Verteuerung von zuckerhaltigen Lebensmitteln kann dazu führen, dass solche Produkte vermehrt im Ausland eingekauft werden», heisst es im Schreiben. Die Migros könne im Falle einer Annahme in der Waadt die Steuer nicht auf die Verkaufspreise überwälzen, da man in der ganzen Schweiz die gleichen Preise anbiete. «Die präventive Wirkung würde damit entfallen.»

Braucht es eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke wie Ice Tea, Coca-Cola oder Apfelsaft?

Die «Schweiz am Wochenende» weiss: Das Thema Zuckersteuer ist an der kommenden Sitzung der Interessensgemeinschaft Detailhandel Schweiz im Mai traktandiert. Nebst Migros-Chef Herbert Bolliger sind darin Coop-Chef Joos Sutter sowie die Leiter von Manor und Denner vertreten. Bei Coop teilt man die Bedenken, bestätigt Sprecherin Andrea Bergmann.

Der Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten (SMS) ist ebenfalls alarmiert und spricht von einer «willkürlichen Diskriminierung». Zu den Mitgliedern zählen Firmen wie Coca-Cola, Feldschlösschen und Rivella. Statistiken würden zeigen, dass Europäer im Schnitt lediglich drei Prozent ihrer täglichen Kalorienzufuhr durch Erfrischungsgetränke decken, lässt der Verband verlauten. Eine einseitige Besteuerung sei daher ungerechtfertigt und unverhältnismässig. Zudem sei der schweizerische Pro-Kopf-Konsum seit Jahren rückläufig.

Bundesrat Alain Berset spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Revision der IV, am Mittwoch, 15. Februar 2017 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Gesundheitsminister Alain Berset (SP) will den Zuckergehalt in Joghurts und Frühstücks-Cerealien verringern.Bild: KEYSTONE

Vorbild England

Im Ausland sind Zucker- und Fettsteuern jedoch in breiter Front auf dem Vormarsch, zum Beispiel in Belgien, Ungarn, Estland, Finnland und Frankreich. Heinrich von Grünigen, Präsident der Schweizerischen Adipositas-Stiftung, begrüsst die Entwicklung, allerdings geht sie ihm zu wenig weit. «Eine Steuer auf Softgetränke ist gut und recht, aber es sollten alle zuckerhaltigen Lebensmittel besteuert werden.»

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt eine Zuckereinnahme von 50 Gramm pro Tag für Erwachsene. «In der Schweiz beträgt der Wert mehr als das Doppelte», sagt von Grünigen. In der Schweiz gelten 41 Prozent der Menschen als übergewichtig, 10 Prozent gar als adipös.

«Der Wert dürfte in Tat und Wahrheit noch höher liegen, da die Statistik auf Selbstdeklarationen beruht.»

Von Grünigen plädiert für einen etwas anderen Ansatz als der Kanton Waadt, nämlich jenen, den England vorsieht. «Dort soll nicht das gezuckerte Produkt, sondern der Zuckerverbrauch in den Fabriken besteuert werden.» Das motiviere die Hersteller, ihre Rezepturen anzupassen, sagt er.

Gesundheitsminister Alain Berset (SP) hat sich das Politikum Zuckerreduktion ebenfalls auf die Fahne geschrieben. Wie Recherchen ergeben, lädt er Anfang September Industrievertreter zum runden Tisch. Das Thema: Die Zuckerreduktion in Joghurts und Frühstücks-Cerealien.

Im August 2015 hatten Unternehmen wie Coop, Migros, Nestlé und Emmi die «Erklärung von Mailand» unterschrieben, sie erklärten sich darin bereit, mit zuckerärmerer Produktion einen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung zu leisten. Nun soll Bilanz gezogen werden. Beim Departement des Innern von Bundesrat Berset heisst es, eine Zuckersteuer auf nationaler Ebene sei «im Moment» kein Thema. Ein derartiger Schritt käme erst infrage, wenn andere Massnahmen nicht greifen würden.

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192 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Baba ♀️
29.04.2017 21:18registriert Januar 2014
Reiner Apfelsaft in den gleichen Topf wie Eistee und Coca Cola zu werfen ist im meinen Augen ziemlich sinnfrei. Eine Steuer auf alle Getränke mit zugesetztem Zucker finde ich grundsätzlich Ok.

Weiter müsste die Bewerbung für so Schrottprodukte wie 'Capri Sonne' oder 'Kinder Milchschnitte' als 'gesundes Getränk' oder 'eine Extraportion Milch' verboten werden. Das eine ist purer Zuckersaft, das andere Fett und Zucker zwischen einem Gebäckderivat. Wie Werbung für Alkohol und Tabak, gehört auch solche klar irreführende Werbung verboten.
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Karl33
29.04.2017 21:32registriert April 2015
Konsumsteuern für die Bürger schaffen, gleichzeitig die Unternehmens- und Reichensteuern schleifen. Irgendwas läuft da doch schief.
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Meinsch
29.04.2017 22:41registriert April 2014
Werden die Zutaten nicht deklariert auf der Packung? Oder traut der Staat uns das lesen nicht mehr zu?
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