Der nordafrikanisch aussehende Mann in den 40ern spricht schnell und verhaspelt sich mehrmals. Aufgeregt gestikulierend dementiert er gegenüber watson im Dunkel des Parkplatzes vor der Winterthurer An'Nur-Moschee die schweren Vorwürfe gegen seinen Präsidenten und den Imam der Moschee, Shaik Abdurrahman. Dieser wurde am Mittwochmorgen verhaftet. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland wirft ihm vor, bei einer Predigt vom 21. Oktober dazu aufgerufen zu haben, nicht betende Muslime zu denunzieren und zu töten.
«Das hat er niemals so gesagt», ruft der Mann. Er stellt sich als neues Mitglied des Vorstands der Moschee vor. Es wolle ja niemand mehr im Vorstand sein, nach all diesen Vorkommnissen, meint er. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. «Niemand will mehr in Zusammenhang mit der Moschee gebracht werden», sagt er, «alle haben Angst».
Der ehemalige Vereinspräsident Atef Sahnoun war ebenfalls unter den Verhafteten. Am Mittwochnachmittag wurde er wieder entlassen, wie er gegenüber watson bestätigte. Seine Rolle und die der anderen zwei Verhafteten, dem aktuellen Präsidenten und eines weiteren Vorstandsmitglieds sind noch Teil der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft nannte auch noch keine konkreten Beweise. Gemäss «Tages-Anzeiger» wurden die Wohnungen der drei in Winterthur und Elgg durchsucht. Der Imam soll in der Moschee übernachtet haben.
Über den ins Visier der Oberstaatsanwaltschaft geratenen Prediger Shaik Abdurrahman aus Äthiopien ist wenig bekannt. Als Hassprediger hat er bisher kein Aufsehen erregt. Bei der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich ist sein Name nicht bekannt – weder positiv noch negativ. Auch der Islamische Zentralrat Schweiz hörte den Namen am Mittwoch das erste Mal, wie er gegenüber watson erklärt.
Der Journalist Shams Ul-Haq hat die Antrittspredigt von Abdurrahman am 7. Oktober mitverfolgt. Sie sei unverdächtig gewesen, sagt er gegenüber watson. Der freischaffende Journalist hat eigenen Angaben zufolge drei Monate lang undercover in mehreren Schweizer Moscheen recherchiert. Am 16. Oktober publizierte die «Sonntags Zeitung» seine Recherchen. In der An'Nur-Moschee würde aufgerufen, die Schweizer Gesetze zu missachten, es würden aggressive und radikalisierende Predigten abgehalten, hiess es da.
Shams Ul-Haq ist überzeugt: «Es geht nicht unbedingt um Shaik Abdurrahman, es geht um den Vorstand. Der Prediger predigt, was von ihm erwartet wird.» Abdurrahman hätte vom Vorstand den Auftrag erhalten, so zu predigen. «Diese Moschee hätte man längst schliessen müssen», sagt er. Ob Ul-Haq nach seinen Recherchen mit der Polizei zusammen gearbeitet hat, will er nicht kommentieren.
Aus dem Vorstand der An'Nur ist zu vernehmen, Ul-Haq sei als Schiite nicht neutral gegenüber der sunnitischen Moschee eingestellt. Klar ist: Ul-Haq aus Deutschland ist ein umstrittener Reporter. Seine letzten Schweizer Enthüllungen über das Asylzentrum Kreuzlingen, wo er Misshandlungen an Asylsuchenden beschrieb, stellten sich als falsch heraus.
Unbestritten ist jedoch, dass aus dem Umfeld der Winterthurer Moschee bereits mehrere Jugendliche nach Syrien oder in die Türkei zum sogenannten «Islamischen Staat» gereist sind.
Gegen vier der Verhafteten hat die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland ein Strafverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit eröffnet. Die vier zusätzlich durch die Kantonspolizei verhafteten Personen konnten keine gültige Aufenthaltserlaubnis vorweisen. Die Moschee wird vorerst nicht geschlossen, ihr Vermieter hat allerdings den Mietvertrag, der Ende Jahr ausläuft, nicht verlängert.