Jedes Jahr sorgt sie bei Studenten der Universität Zürich für rote Köpfe: Die Modulbuchung, mit der Fächer und Kurse für das kommende Semester gewählt werden. Wegen des First-come-first-serve-Prinzips heisst es dann vor allem bei der Philosophischen Fakultät jeweils: Notorisch überlastete Server, klamme Studienplätze, genervte Studenten.
Ärgernis Nummer eins: Studenten, die Module «hamstern», sich also für mehr Kurse einschreiben als nötig – und damit anderen Studenten, die den Kurs unbedingt belegen müssten, im schlimmsten Fall den Zugang zum Bachelor- oder Master-Abschluss verbauen.
Bei den Studenten des Psychologischen Instituts der Universität Zürich ist die Lage zurzeit besonders prekär. Derart prekär, dass Studenten anscheinend auf die Idee kommen, mit den begehrten Modulen Handel zu treiben. In einer Email, die diese Woche unter Studenten der Fakultät kursierte, bot ein «Peter Ness» mehrere Module zum Verkauf an.
«Ich habe zwar schon alle meine Wunschmodule, da es aber scheinbar noch Leute auf der Suche gibt, verkaufe ich meine ‹überschüssigen›», schreibt Ness, der mit richtigem Namen anders heisst. Ein Modul gibt es zum «Tauschpreis» von 100 Franken, fünf Module stehen zur Auswahl.
In einer weiteren Mail schreibt Ness, dass sich der Preis aufgrund der hohen Nachfrage auf 150 Franken pro Modul erhöht habe.
Das unlautere Angebot sorgt für entrüstete Reaktionen unter den Studenten. Auch der Fachverein Psychologie, auf dessen Mailingliste «Peter Ness» zurückgegriffen hatte, schaltet sich ein. In einer Mail wird der Kuhhandel verurteilt. Solches Verhalten werde vom Fachverein nicht geduldet, der betreffende Student sei dem Institut gemeldet und von der Mailingliste entfernt worden.
Einige Stunden nach dem ersten Mail von «Peter Ness» folgt dann die Auflösung. «Liebe Alle. Wie Ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, habe ich mit meiner Ankündigung meine Module zu verkaufen, einigen Wirbel ausgelöst», schreibt der Student. Er habe nie etwas Böses im Schild geführt, so Ness. Vielmehr wollte er mit der Aktion auf die «unsägliche Praxis des Modulhamsterns» hinweisen.
Rund 30 Studenten hätten sich bei ihm direkt gemeldet, sagt Ness gegenüber watson. 80 Prozent hätten die Aktion aufs Schärfste verurteilt, 10 Prozent hätten ihn angefleht, ihnen die entsprechenden Module gratis zu überlassen, und weitere 10 Prozent hätten sich bereit erklärt, ihm für die angebotenen Kurse Geld zu überweisen – «bis zu 500 Franken pro Modul».
Ness kritisiert die kafkaeske Situation, die sich mit dem First-come-first-serve-Prinzip ergebe. «Alle schreiben sich in so viele Kurse wie möglich ein, aber am Schluss hat niemand den Kurs, den er will.»
Er hoffe, die entrüsteten Studenten hätten sich auch tatsächlich bei der Institutsleitung gemeldet, sodass diese eine Änderung der Vergabepraxis in Erwägung zieht.
Beim Psychologischen Institut ist man über den Fall informiert. «Wir haben die Mails zur Kenntnis genommen», heisst es auf Anfrage von watson. Man wolle jetzt abklären, welche Schritte man unternehme.
Auf der Website des Instituts heisst es knapp:
Die Reaktion des Instituts sei bezeichnend, meint Ness im Gespräch mit watson. Das Institut sei sich des Problems der Hamsterkäufe zwar bewusst, gehe es aber nicht wirklich an. Das Modulbuchungssystem müsse reformiert werden, fordert der Student. Ihm schwebt ein Modell vor, wie es an der Uni St.Gallen gehandhabt wird. Dort ersteigern sich die Studenten mit ECTS-Punkten die gewünschten Kurse. Auch ein Cap, also eine Obergrenze von beispielsweise 35 ECTS-Punkten pro Semester, sei eine Überlegung wert.
Oder aber man priorisiere nach der Dauer des Studiums: Wer länger studiert, wird bei der Vergabe der begehrten Module bevorzugt. Ein entsprechendes ECTS-priorisiertes Modell praktiziert etwa die Uni Bern, wie Studienberater Simon Weber auf Anfrage erklärte. Modulhamsterern werde so einen Riegel geschoben.
Ness bereut sein Fake-Angebot nicht, auch wenn er viele «erschreckend unflätige» Mails erhalten habe und die Uni nun offenbar mit rechtlichen Schritten gegen ihn droht. «Ein Kollege von mir steht kurz vor dem Master-Abschluss, er braucht nur noch wenige Punkte. Aber wegen der Server-Lotterie erhält er sein Diplom frühestens im kommenden Semester. Das kann einfach nicht sein», begründet der Student sein Engagement.
Nur wenn sich die Studenten gemeinsam wehrten, hätten sie eine Chance, das System zu ändern. Ness ist überzeugt, dass er für einen Grossteil der Psycho-Studenten spricht. Seine Aktion sei gewagt, aber solange alle nur die Faust im Sack machten, werde sich nie etwas ändern.