Vor Bezirksgericht Pfäffikon ZH ist am Montag ein junger Mann gestanden, der Ende März 2015 seinen Vater erschossen hatte. Hintergrund der Tragödie war eine trostlose Kindheit und Jugend.
Bei seiner Befragung schilderte der 21-Jährige mit leiser Stimme seine Kindheit zwischen einer trinkenden Mutter und einem desinteressierten Vater. Als der Sohn sieben oder acht Jahre alt war, trennten sich die Eltern.
Er wohnte bei der Mutter, die immer mehr trank. Sie habe nicht mehr für ihn sorgen können, er, der Primarschüler, habe sich um sie kümmern müssen. Immer wieder habe er den Vater gedrängt, etwas zu unternehmen - aber «ihm war es scheissegal».
Am 13. Geburtstag des Knaben wurde die Mutter ins Spital eingeliefert. Dort starb sie zwei Tage später an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Sein Vater überbrachte ihm die Todesnachricht: Er habe kurz ins Zimmer geschaut und gesagt: «Jetzt ist dein Mami tot.» Dann liess er das Kind allein.
Sodann wohnten Vater und Sohn in der gleichen Wohnung, von «Zusammenleben» könne aber keine Rede sein. Die beiden redeten kaum miteinander. Der Vater habe ihn stets heruntergemacht und ihm die übelsten Schimpfnamen gegeben.
Das Schlimmste aber sei gewesen, dass er über die Mutter hergezogen sei, nachdem er untätig zugeschaut habe, wie sie Stück für Stück gestorben sei.
Ihm sei es zunehmend schlecht gegangen, sagte der Beschuldigte. «Mein Leben lang hatte ich Selbstmordgedanken.» Zwar hatte er Freunde, aber er sprach mit niemandem über seine Probleme. Nach wie vor suchte er die Anerkennung des Vaters - vergeblich.
Bekannte des Vaters hatten zwar am Vormittag ausgesagt, der Mann sei riesig stolz gewesen auf die Erfolge des Sohnes als Schwimmer. Dem Teenager zeigte er das aber offenbar nie. Gegen Ende der Schulzeit gab dieser dann auch das Schwimmen auf.
Nach der Schule begann der Beschuldigte eine Lehre als Velomechaniker. Allerdings haperte es stark an den Schulleistungen. Die Lehrabschlussprüfung war gefährdet. Der Jugendliche fehlte immer wieder bei der Arbeit und in der Schule, weil ihm übel war. Die Depressionen des Sohnes verstärkten sich. Zwei Tage vor der Tat schreib er einen Abschiedsbrief - er wollte sich das Leben nehmen.
Die Tragödie nahm aber eine andere Wende. Auch am Tattag meldete der Lehrling sich von der Arbeit ab. Der Vater zerrte ihn aus dem Bett, beschimpfte und ohrfeigte ihn und schickte ihn zum Arzt. Der empfahl dringend ein Gespräch mit dem Vater über die Angst vor der Lehrabschlussprüfung.
Der Sohn nahm allen Mut zusammen und erklärte dem Vater die Situation. Trotz allem habe er gehofft, Hilfe zu bekommen. Der Vater habe ihn aber bloss ausgelacht und wiederum die tote Mutter beschimpft.
Darauf holte der Sohn im Zimmer des Vaters eine Pistole, trat ins Wohnzimmer und erschoss den im Fernsehsessel sitzenden Vater. Nach der Tat stellte sich der junge Mann der Polizei.
Staatsanwalt Markus Oertli fordert 14 Jahre Freiheitsentzug wegen Mordes. Verteidiger Valentin Landmann plädiert auf vorsätzliche Tötung und zehn Jahre Freiheitsentzug. Der Prozess geht am Dienstag mit den Plädoyers weiter. Das Urteil wird am Freitag eröffnet.
(sda)