Fünf Jahre, nachdem zwei Schlieremer Stadtpolizisten einen IV-Rentner in dessen Schrebergarten verprügelt haben sollen, muss heute das Zürcher Obergericht zum zweiten Mal über den speziellen Fall urteilen.
Das Bundesgericht in Lausanne hatte den Fall im März dieses Jahres zur Neubeurteilung ans Zürcher Obergericht zurückgewiesen, unter anderem weil dieses «völlig abwegige Schlüsse» gezogen habe.
Über 40 Personen drängten sich heute Morgen in den Grossen Gerichtssaal. Nur von den beiden beschuldigten Ex-Polizisten war einer dispensiert – jener, der sich schon vor der Verurteilung durch das Bezirksgericht beruflich neu orientiert hatte.
Sein Kollege aber hat seine Polizisten-Stelle verloren und seither keine neue Erwerbstätigkeit mehr gefunden. Einen massiven Karriereschaden habe er erlitten, erklärte nun heute Morgen sein Anwalt Valentin Landmann. Auch private Sicherheitsfirmen hatten die Bewerbungen des Ex-Polizisten immer wieder abgelehnt.
Zudem war er auf psychiatrische Hilfe angewiesen. «Ich will mein Leben wieder haben», habe er nun gestern Abend in einem SMS an Landmann geschrieben. Auch die Familie habe unter dem Fall und seinen Auswirkungen gelitten. «Sie waren nicht auf die Bombe vorbereitet, die der Kläger zündete», so Landmann.
Neben einer Genugtuung von mindestens 20'000 Franken forderte Anwalt Landmann einen Schadenersatz von über 120'000 Franken, darin enthalten sind die hohen Verteidigungskosten, welche der Verband Schweizerische Polizeibeamte dem Angeklagten bevorschusst hat.
Weiter kritisierte Anwalt Valentin Landmann auch die Justiz. Die Techniken des IV-Rente beziehenden Klägers hätten «erschreckenden Erfolg» gezeitigt. «Er konnte auf einen praktisch uferlosen Vertrauenskredit zählen», so Landmann. Der Justizapparat habe dem Kläger eine Schützenhilfe geleistet, die sprachlos mache.
Weiter kritisierte er den Hausarzt, der nach dem Vorfall im Schrebergarten die Verletzungen des IV-Rentners untersuchte. Dabei berief er sich auch auf die Expertise des Rechtsmediziners Ulrich Zollinger. Dessen Gutachten zeige, dass die vom Kläger mitgelieferte Geschichte nicht zu seinen Verletzungen passen könne.
Der Kläger forderte vom Gericht, dass es mit dem Urteil noch zuwarte, bis weitere medizinische Abklärungen fertig seien. So werde er in gut zwei Wochen per MRI untersucht, um herauszufinden, woher sein Tinnitus und sein Kopfweh komme – seiner Meinung nach kommt sie von der angeblichen Prügeli vor fünf Jahren. Es gebe derzeit den Verdacht auf eine Hirnschwellung. Weiter forderte der Kläger die Einvernahme einer weiteren Zeugin.
Der Leitende Staatsanwalt Hans Maurer forderte in seinem Plädoyer einen Freispruch der beiden Polizisten, dies ganz gemäss dem Bundesgerichtsurteil, welches den Schuldspruch von Bezirksgericht und Obergericht diesen März stark gerügt hatte.
Der Staatsanwalt rief zudem gleich in Erinnerung, weshalb die Staatsanwaltschaft keinen Fehler machte, als sie die beiden Polizisten anklagte: Die Anklageerhebung würde sich nämlich aufdrängen, wenn sich die Anzeichen für Schuld und Unschuld in etwa die Waage halten. Dies sei hier der Fall gewesen.
Er bedaure es aber, dass der Geschädigte drei Monate mit seiner Anzeige gewartet habe und das Bezirksgericht den Fall über zwei Jahre später verhandelte. «Doch das tut jetzt nichts mehr zur Sache», so der Staatsanwalt. Nach der Verhandlung heute Morgen folgt nun am Nachmittag das Urteil. Angesichts des Bundesgerichtsurteils und der staatsanwaltschaftlichen Forderung nach einem Freispruch ist damit zu rechnen, dass es in der Tat zu einem Freispruch kommt.
(aargauerzeitung.ch)