Schweiz

Keine Ruhe in Bondo: Erneute Schlammlawine geht ins Tal

epa06160089 Swiss President Doris Leuthard (C-R) climbs from a helicopter as she arrives to inspect the site after a landslide in Bondo, Graubuenden in southern Switzerland, 24 August 2017. The villag ...
Dorfbewohner wurden aus Bondo evakuiert.Bild: EPA/KEYSTONE

Keine Ruhe in Bondo: Erneute Schlammlawine geht ins Tal

Die Bewohner des vom Bergsturz und Murgang betroffenen Dorfes Bondo können teilweise in ihre Häuser zurück. Wenig Hoffnung gibt es für die Vermissten. Und bereits gehen weitere Murgänge nieder.
25.08.2017, 16:5225.08.2017, 18:36
Mehr «Schweiz»

Ein zweiter Murgang hat am Freitagnachmittag das Dorf Bondo im südbündnerischen Bergell erreicht. Einige Bewohner mussten erneut in Sicherheit gebracht werden. Ein Firmengelände wurde beschädigt. Verletzte gab es aber keine.

Der Murgang aus dem Seitental Val Bondasca habe um 16.27 Uhr wiederum Teile der Bergeller Ortschaft Bondo erreicht, teilte die Bündner Polizei mit. Diese Ortsteile lägen ausschliesslich innerhalb einer zuvor definierten Sperrzone. Beim Murgang wurde ein Firmengelände überflutet.

Drei bereits beim grossen Murgang vom Mittwoch beschädigte Häuser wurden erneut erfasst. Die Umleitungsstrecke für den Verkehr wurde vom Abgang nicht tangiert. Sie wurde aber aus Sicherheitsgründen gesperrt.

Keine Verletzten

Nach ersten Erkenntnissen wurde niemand verletzt. Das seit Freitagmittag für die Bewohner wieder zugängliche Gebiet von Bondo ist vom Murgang zwar nicht betroffen. Jene Personen dieses Gebiets aber, die zwischenzeitlich in die Häuser zurückgekehrt waren, mussten diese aus Sicherheitsgründen erneut vorübergehend verlassen.

Sämtliche rund 120 Einsatzkräfte waren am Freitag noch im Einsatz. Die Lage wird durch Spezialisten des Amts für Wald und Naturgefahren sowie einen Geologen weiterhin laufend beurteilt.

Anna Giacometti, mayor of the community Bregaglia, shows a map of Bondo, with Roman Ruegg, spokesman police Graubuenden in the background, in Bondo, Graubuenden in South Switzerland, on Friday, August ...
Anna Giacometti, Gemeindepräsidentin von Bregaglia informiert die Medien am Freitagmittag.Bild: KEYSTONE

Deutsche, Österreicher und Schweizer

Am Mittwochvormittag hatte sich eine gewaltige Felsmasse vom 3369 Meter hohen Piz Cengalo, der an der Grenze zu Italien steht, gelöst. Vier Millionen Kubikmeter Gestein donnerten ins Val Bondasca, einem Seitental des unteren Bergells. Die Masse an Gestein, Erde und Wasser wurde danach hinaus geschoben ins Haupttal, wo als einzige Ortschaft Bondo vom Murgang betroffen war.

Der Bergsturz vom Mittwoch ist einer der grössten in der Schweiz seit über 100 Jahren. Vermisst werden seither acht Personen. Es wird immer noch nach vier Deutschen aus dem Bundesland Baden-Württemberg, zwei Personen aus der Steiermark in Österreich und nach zwei Berggängern aus dem Kanton Solothurn gesucht.

Weitere Personenangaben machte die Polizei auf Anfrage nicht. Nicht bekannt ist, ob es sich um Frauen oder Männer handelt. Für sechs der acht Personen liegt eine Vermisstmeldung vor. Von zwei Personen wird angenommen, dass sie sich zum Zeitpunkt des grossen Bergsturzes im Gebiet oberhalb von Bondo befanden.

Bundespräsidentin Doris Leuthard hatte sich am späten Donnerstagnachmittag aus dem Helikopter einen Überblick über das Katastrophengebiet verschafft.  

«Wenn die Vermissten unter diesem Geröll sind, dann wächst mit jeder Stunde die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot sind.»
Doris Leuthard, Bundespräsidentin

Leuthard zeigte sich tiefst erschüttert über das Ausmass der Zerstörung. «Solche Katastrophen zeigen deutlich, welche Macht die Natur hat und wie machtlos der Mensch dieser gegenübersteht», sagte sie an einer Pressekonferenz nach der Besichtigung. Man könne nicht viel mehr machen als in Frühwarnsysteme, Hochwasserschutz und weitere Präventionsmassnahmen investieren, ergänzte die Bundespräsidentin.

Nicht überrascht

Für Reto Salis-Hofmeister, der Hüttenwart der Sciora-Hütte kam der Fellssturz nicht überraschend.  Er habe seine Gäste gewarnt, denn bereits in der Vergangenheit sei es zu mehreren Felsstürzen gekommen, sagte er zu SRF. Die Warnung wurde anscheinend von den Gästen nicht beachtet.

«Acht von ihnen sind kurz vor dem Bergsturz am Morgen um 8 Uhr losgezogen – ins Gefahrengebiet»
Reto Salis-Hofmeister

Auch die Gemeinde hat die Gefahr erkannt und darauf hingewiesen. «Wir haben viersprachige Tafeln im Dorf aufgestellt», sagt Anna Giacometti, Gemeindepräsidentin von Bregaglia, zum «Blick». Auch an den Wanderwegen sei gewarnt worden. 

Suche wieder aufgenommen

Vermisste Personen
Die vermissten Personen stammen aus dem Bundesland Baden Württemberg in Deutschland, aus der Steiermark in Österreich und aus dem Kanton Solothurn in der Schweiz.

Die Polizei geht davon aus, dass sich die Vermissten im Val Bondasca aufhielten, als die Felsmassen am Mittwoch ins Seitental hinter dem Bergdorf Bondo krachten.

epa06160013 A group of hikers ducks after beeing evacuated from a cut-off mountain hut by a helicopter in Bondo, Graubuenden in southern Switzerland, 24 August 2017. The village had been hit by a mass ...
Noch immer werden acht Personen vermisst.Bild: EPA/KEYSTONE

Am Donnerstag war am Boden und aus der Luft nach den Vermissten gesucht worden. Im Einsatz standen Helikopter, Suchmannschaften mit Hunden, Wärmebildkameras und Geräte zur Ortung von Handystrahlen. Auch am Freitag dürfte wieder eine Hundertschaft an Rettungskräften zum Einsatz kommen.

4 Millionen Kubikmeter Gestein

Das Dorf Bondo war von einem gewaltigen Murgang gestreift und evakuiert worden. Die rund 100 Bewohner konnten vorerst noch nicht in ihre Häuser zurückkehren. Am Freitagvormittag soll die Lage neu beurteilt werden.

Nach ersten Schätzungen waren am Mittwochmorgen am Piz Cengalo zuhinterst im Val Bondasca vier Millionen Kubikmeter Gestein zu Tal gedonnert, wie Martin Keiser vom kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren an der Medienkonferenz vom Donnerstag erklärte. Verursacht wurde der Bergsturz laut dem Geologen von einer Kombination aus auftauendem Permafrost und dem Druck von Wasser im Gestein. (viw/sda)

Der Bergsturz bei Bondo GR in Bildern

1 / 20
Der Bergsturz bei Bondo GR
Nach einem Gewitter und kleineren Bergstürzen walzte sich am 31. August um halb zehn Uhr abends erneut ein Murgang durch das Val Bondasca bis nach Bondo. Einmal mehr wurde die Talhauptstrasse überschwemmt und weiter beschädigt.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
phpp28
25.08.2017 18:36registriert April 2017
Solche Bergstürze werden sich häufen.
Der Permafrost hält unserer Berge zusammen, die oft nur aus Geröll bestehen.
Die Gletscher schmelzen und bilden in naher Zukunft hunderte von neuen Seen, die wiederum die darunterliegenden Talschaften bedrohen.
236
Melden
Zum Kommentar
avatar
redsnapper
25.08.2017 14:01registriert März 2014
die bildlegende beim 1. bild ist eher heikel: eine "dorfbewohnerin" ist frau bundespräsident definitiv nicht....
238
Melden
Zum Kommentar
avatar
lichtler
25.08.2017 11:59registriert Dezember 2015
Finde es immer ziemlich schräg, wenn Politiker sich vor Ort begeben um sich einen "überblick" zu verschaffen. Lasst die Retter ihre arbeit tun statt Ressourcen zu binden.
4436
Melden
Zum Kommentar
24
Nur 9 Monate im Amt: UBS-Boss Ermotti streicht Monster-Bonus für 2023 ein
UBS-Chef Sergio Ermotti hat mit seiner Rückkehr zur Grossbank ordentlich mehr Lohn kassiert. Für neun Monate 2023 verdiente er 14,4 Millionen Franken.

Ermotti war per 1. April 2023 angetreten, um die Integration der übernommenen Credit Suisse zu leiten. Sein Vorgänger Ralph Hamers, der Ende März an Ermotti übergab, hatte im ganzen Jahr 2022 als CEO der Grossbank 12,6 Millionen Franken verdient.

Zur Story