Um den heissen Brei zu reden, ist eine Fertigkeit, in der sich Politiker ganz gerne üben. Eine derartige Plattitüde, wie die Landesregierung sie gestern in die Medienmitteilung über die Volksinitiative für «Mehr bezahlbare Wohnungen» schrieb, liest man gleichwohl selten: «Der Bundesrat ist sich bewusst, dass das Wohnen in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert hat», heisst es dort im dritten Absatz.
So unbestritten dieser Grundsatz ist, so umstritten ist, ob der Bund den Bau von preisgünstigen Mietwohnungen und Wohnbaugenossenschaften zusätzlich fördern soll. Genau das fordert nämlich die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen», die der Mieterverband (SMV) 2016 eingereicht hat.
Konkret verlangt die Initiative, dass mindestens zehn Prozent der neu gebauten Wohnungen im Eigentum von Trägern des gemeinnützigen Wohnungsbaus sein sollen. Zusätzlich sollen Kantone und Gemeinden ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke einführen können, um diese dem gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stellen zu können.
Ein Blick in die Statistik zeigt nämlich: Mieten werden in der Schweiz immer teurer, insbesondere in den grossen Ballungsräumen. Gemäss Bundesamt für Statistik betrug der im Jahr 2014 durchschnittlich bezahlte Mietpreis im Kanton Zürich 1554 Franken, im Aargau 1364 Franken. Im Jahr 2000 waren es noch 1227 respektive 1095 Franken. Der durchschnittliche Mieter gab 2014 18,9 Prozent seines Haushalteinkommens für «Wohnen und Energie» aus, 2006 war es noch leicht weniger.
Der Bundesrat hat dem Anliegen des Mieterverbands gestern nun aber eine Abfuhr erteilt. Die mit der Initiative geforderten Instrumente seien «weder realistisch noch marktkonform» und es obliege in erster Linie der Privatwirtschaft, für genügend Wohnraum zu sorgen. Ernst Hauri, Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen, anerkennt durchaus, dass es insbesondere für Familien und Wenigverdiener in den grossen Städten schwierig ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Die Initiative sei aber «in unserem Umfeld» der falsche Ansatz, um dem entgegenzuwirken. Zudem müsse die Bevölkerung zu Abstrichen bereit sein. «Es gibt kein Anrecht darauf, eine günstige Wohnung im Zentrum mieten zu können», sagt Hauri.
Entsprechend enttäuscht reagiert der SMV. Der Bundesrat lege «die Hände in den Schoss» und ignoriere die Probleme breiter Bevölkerungsschichten. Der Hauseigentümerverband (HEV) seinerseits begrüsst den Entscheid und fordert den Bund gleichzeitig auf, «die Rahmenbedingungen für kostengünstigere privatwirtschaftliche Wohnbauten zu schaffen».
Wohl auch, um der Initiative Wind aus den Segeln zu nehmen, will die Regierung dennoch nicht ganz untätig bleiben. Sie schlägt vor, einen bereits in der Verfassung verankerten Grundsatz grosszügiger auszulegen. Dort steht nämlich, dass der Bund «die Tätigkeit von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus fördert».
Er tut dies mit zwei Massnahmen: Einerseits verbürgt er Anleihen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW). Die Verbürgungssumme beträgt rund drei Milliarden Franken, weshalb der HEV in seinem Communiqué schreibt, dass bereits heute «mehr als drei Milliarden Franken an Bundesgeldern für die staatliche Wohnbauförderung zur Verfügung» stünden. Das ist freilich nicht präzise, denn die behördliche «Garantieleistung» musste in jüngerer Vergangenheit nie beansprucht werden. «Sie hat den Bund in den letzten fünf Jahren nichts gekostet», sagt BWO-Direktor Hauri.
Die andere Massnahme des Bundes zugunsten von Genossenschaften ist ein Fonds, aus dem gemeinnützige Bauträger für eine Überbrückungsfinanzierung ein Darlehen beziehen können (zurzeit zu 1 Prozent Zins). Dieses Jahr wird die letzte Tranche eines Rahmenkredits überwiesen, der Fonds ist dann mit 510 Millionen Franken gefüllt.
Der Bundesrat will diesen Topf nun vergrössern: Er schlägt vor, die Fonds-Gelder mit einem weiteren Rahmenkredit aufzustocken – in welchem Umfang lässt er vorerst jedoch noch offen. Der HEV lehnt die Massnahme ab und der Mieterverband erachtet sie, obwohl er sie begrüsst, als «absolut ungenügend». BWO-Direktor Hauri nimmts gelassen: «Wenn beide Seiten unzufrieden sind, zeigt dies, dass wir einen guten Mittelweg eingeschlagen haben.»