Vermieter nutzen Mieterwechsel oft, um den Mietzins ihrer Wohnung zu erhöhen – auch ungerechtfertigt. Experten raten deshalb, den Anfangsmietzins spätestens beim Einzug genau unter die Lupe zu nehmen. Rechtlich dagegen vorgehen kann man nämlich nur in den ersten 30 Tagen.
Ist der Mietzins beim neuen Mietvertrag um mindestens zehn Prozent erhöht worden, hat der Mieter seit einem Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2012, gute Chancen, sich dagegen zu wehren. Unter der Zehn-Prozent-Marke ist eine Anfechtung in der Rechtspraxis schwierig. Das scheint den Vermietern inzwischen bekannt zu sein. Deshalb heben sie den Mietzins seither lediglich um acht oder neun statt um zehn Prozent an – und entgehen somit in vielen Fällen einem Verfahren vor der Schlichtungsbehörde.
Cyrill Studer, Geschäftsleiter des Mietverbands Luzern, Nidwalden, Obwalden und Uri, sagt: «Die Zehn-Prozent-Grenze scheint sich unter Vermietern rumgesprochen zu haben.» Ihre Beratungserfahrungen zeigten, dass viele den Mietzins jeweils knapp bis zu diesem Prozentsatz erhöhen. Dieselbe Beobachtung macht auch der Mieterverband Zug in seiner täglichen Arbeit. In anderen Deutschschweizer Kantonen jedoch sprich man von Einzelfällen.
In der Romandie ist die Praxis ebenfalls bekannt. Christian Danders, Anwalt beim Genfer Mieterverband Asloca, sagt: «Das ist eine Beobachtung, die wir leider oft machen müssen.» Die Rechtspraxis mit den zehn Prozent, die seit dem Bundesgerichtsentscheid gilt, hält er deshalb für problematisch. «Dadurch wird verhindert, dass sich Mieter gegen überteuerte Wohnungen wehren. Und überteuert können die Wohnungen auch sein, wenn der Anfangsmietzins um neun und nicht zehn Prozent erhöht wurde.»
Monika Sommer, stellvertretende Direktorin des Hauseigentümerverbands, versteht die Kritik nicht. «Wenn der Mieter nicht wegen einer Notlage zum Vertragsabschluss gezwungen war, sollte er nach Unterzeichnung des Vertrags die Miete nicht anfechten können. Er hat sich ja bereit erklärt, den darauf stehenden Betrag zu zahlen.» Ohnehin sollten Vermieter den Anfangsmietzins in einem neuen Mietvertrag unabhängig vom Mietzins im früheren Vertrag festlegen können, wenn sie das wünschen, sagt Sommer. «Eine Rolle spielt doch lediglich, ob der Mietzins gegenüber anderen vergleichbaren Wohnungen nicht übersetzt ist und jemand einverstanden ist, diesen zu zahlen.»
Mietzinserhöhungen kommen oft nur ans Licht, wenn sich Vormieter und Neumieter begegnen und sich darüber austauschen. Denn in den meisten Kantonen müssen die Vermieter beim Abschluss eines neuen Mietvertrags nicht mitteilen, wie viel der Vormieter bezahlt hat. Eine entsprechende nationale Formularpflicht wurde 2016 vom Parlament abgelehnt.
In den Kantonen Zürich, Zug und Nidwalden sowie in vielen Westschweizer Kantonen ist das Formular jedoch Pflicht. Was jedoch nicht bedeutet, dass man sicher ist von einer unbegründeten Mietzinserhöhung. Cyrill Studer: «In Nidwalden beispielsweise wird nicht überprüft, ob sich die Vermieter daran halten. Das ist problematisch, denn viele Mieter wissen gar nicht, dass sie Anrecht auf das Info-Formular hätten.» In Zug und Genf kommt es ausserdem immer wieder vor, dass Vermieter das Formular gar nicht abgeben. Urs Bertschi, Mieterverband Zug: «Oder sie machen darin bloss intransparente Angaben.»
Monika Sommer vom Hauseigentümerverband kontert, es handle sich dabei wohl um Einzelfälle. «Um private Vermieter, die gar nicht wissen, dass es die Formular-Pflicht gibt.» Gibt ein Vermieter das Formular nicht ab, verlängert sich die Frist, in der der neue Mieter Einsprache erheben könnte. Es sei daher gar nicht im Interesse des Vermieters, das Formular absichtlich nicht abzugeben.