Mit pinken Pussyhats und regenbogenfarbigen Fahnen marschierten über 10'000 Menschen durch die Strassen. Nach New York, Washington und Paris hat der «Women’s March» am vergangenen Wochenende auch in Zürich stattgefunden. Doch trotz Schlagzeilen wie «Tausende Frauen trotzen dem Regenwetter» waren es nicht nur Frauen, die Schilder hochhielten mit Aufschriften wie «Women’s Rights Are Human Rights» oder «Never Be Quiet». Auch Männer marschierten, sangen und protestierten.
Einer von ihnen ist Oskar, selbst ernannter, überzeugter Feminist. Das kann schon mal für Verwirrung sorgen. «Wenn ich mich als Mann zum Feminismus bekenne, ernte ich oft Stirnrunzeln und überraschte Blicke», sagt Oskar. Mit Skepsis begegnet etwa Ursula, die ebenfalls in Zürich mitmarschierte, männlichen Feministen wie Oskar. «Männer können nicht für uns Frauen sprechen. Das wäre patriarchalisch, gönnerhaft, von oben herab», sagt sie. Und die 21-jährige Anna meint ebenfalls: «Es sind vor allem Frauen, die unter patriarchalen Strukturen leiden.»
Diese eine Haltung kann Mirjam Aggeler, Geschäftsführerin des Vereins «Feministische Wissenschaft Schweiz», durchaus nachvollziehen. Sie betont, dass sich Frauen gegen ihre Unterdrückung eigenständig wehren müssen, da es sonst wieder die Männer sind, die für sie kämpfen, für sie sprechen, sie beschützen. Der Mann wäre wieder der aktive Kämpfer, die Frau die passive, abhängige Hilflose.
«Einsetzen können sich die Männer aber sehr wohl für die Leiden der Frauen», erklärt Aggeler. Bleiben Männer im Angesicht von Sexismus stumm, akzeptieren und unterstützen sie das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Sobald sie aber ihre Stimme für ihre Mütter oder Töchter erheben, laufen sie in Gefahr, die Stimmen der Frauen zu übertönen, da sie als Männer noch immer mehr Macht besitzen in einer patriarchalen Gesellschaftsordnung. Ein Dilemma.
«Ich kenne Männer, die sich aus diesem Grund Pro-Feministen nennen. Das finde ich eine sehr schöne und sensibilisierte Lösung für dieses Dilemma.» Wenn man unter dem Begriff «Feminismus» den Kampf für Frauenrechte versteht, können Männer also Pro-Feministen sein, jedoch keine Feministen. Mitmachen können sich die Männer aber sehr wohl.
So wie Alex. Ein gutes Beispiel für einen Pro-Feministen – auch wenn er selber sich wohl nie so nennen würde. Er nahm beim «Women’s March» mit seiner Tochter teil und sagt: «Ich bin hier wegen meinen Töchtern, meiner Frau, meiner Mutter … Wenn die Menschen, die ich liebe, unterdrückt werden, muss auch ich etwas tun, selbst wenn es mich nicht direkt betrifft.»
Doch Männer können auch unmittelbar unter patriarchalen Strukturen leiden, wodurch ihr Einsatz für Gleichberechtigung auch zu einem persönlichen Anliegen wird. Oskar vom «Women’s March» beobachtet immer wieder, wie seine Freunde Probleme mit konventionellen Männlichkeitsbildern haben: «Beim Vaterschaftsurlaub sind Männer genauso betroffen von traditionell-sexistischen Rollenmustern.»
Einige seiner Freunde würden gerne öfter zu Hause beim Kind bleiben, aber ihr Umfeld belächelte sie dann, oft täten das selbst ihre Frauen, sagt er. «Dann gehen die Männer halt wieder arbeiten. Und die Frau bleibt zu Hause. Und will das so, und drängt den Mann dazu», führt Oskar aus.
Sind also gar nicht ausschliesslich die Männer Schuld am Sexismus? Ist die Beschuldigung jedes individuellen Mannes für jegliche Art der Unterdrückung nicht genauso sexistisch wie den Frauen immer die passive Opferrolle zuzuweisen? Matthias Luterbach, Geschlechterforscher an der Universität Basel, definiert Feminismus als «Kritik an männlicher Herrschaft und Sexismus.» Diese Definition kann sich nicht nur spezifisch auf Frauenrechte, sondern auf Geschlechtergerechtigkeit im Allgemeinen beziehen. Denn Kritik am Status quo unserer Gesellschaft können sowohl Frauen als auch Männer üben, da beide von starren Geschlechterrollen und Sexismus betroffen sind: Frauen verdienen bei gleicher Arbeit weniger und sollen sich um die Kinder kümmern, Männer teilen vielleicht seltener ihre persönlichen Probleme und Ängste mit ihren Freunden und müssen genug verdienen, um eine ganze Familie ernähren zu können.
Die Rolle als Verdiener, Kämpfer, Ernährer, Macho, Hyper- und Heterosexueller kann Männer in ihrer individuellen Identität einschränken und behindern. Um den Konflikt des einzelnen Mannes mit dominanten Formen der Männlichkeit zu benennen, verweist Matthias Luterbach auf den Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisation männer.ch, die von «toxischer Männlichkeit» sprechen.
«Progressive feministische Männer setzen sich für eine Vervielfältigung und Veränderung der Männlichkeit ein», fasst Luterbach zusammen. Vielleicht gelten sie dann aber nicht mehr als «echte Männer», da sie sich nicht über ihre prototypische Maskulinität definieren. Luterbach zieht daraus den Schluss: «Männer können feministisch sein, wenn sie bereit sind, die dadurch entstehenden Konflikte mit den vorherrschenden Männlichkeitsbildern auszuhalten.»
So wie die Männer am «Women’s March» mit rosa Wollmüzen. Aber auch so wie der Freund, der sich entscheidet, sich um die Kinder zu kümmern statt Vollzeit zu arbeiten. (aargauerzeitung.ch)
Ich seh schon Kolonnen von Kühen und Hühnern durch Zürich laufen 😁
Wow, unglaublich! Könnte es sein, dass sogar Frau aktiv an der Entstehung und Erhaltung von Sexismus und patriarchalen Strukturen beteiligt sind? Und Männer vielleicht auch teilweise Opfer" und Frauen Täterstatus haben können?