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Sowas brauchen wir auch: In Deutschland filmt die Polizei Gaffer – und wird im Netz gefeiert

Sowas brauchen wir auch: In Deutschland filmt die Polizei Gaffer – und wird im Netz gefeiert

12.07.2016, 18:2714.07.2016, 02:44
Philipp Dahm
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Zugegeben: Der Mensch ist ein Herdentier – und neugierig. Wenn das Blaulicht blinkt und sich auf der Strasse ein Drama abspielt, schauen wir natürlich hin. Nur: Wenn unsere Schaulust dazu führt, dass Rettungskräfte behindert werden, hört der Spass auf.

So wie jüngst auf der A1 bei Bern, als die Feuerwehr wegen Gaffern nicht schnell genug zu dem Auto kam, das gelöscht werden musste. Der Lenker konnte sich zwar unverletzt aus seinem Gefährt befreien – aber oft genug bringt die Neugier Menschenleben in Gefahr.

Gaffer behindern Retter nach tödlichem Unfall in Hessen

Die Polizei in Deutschland steht vor denselben Problemen – und hat nun gezeigt, wie man diese angehen kann. Der Tatort war in diesem Fall die A60 in Hessen. Ein Lastwagen raste in ein Stauende, prallte auf einen Sattelschlepper und fing Feuer. Der 59 Jahre alte Unfallverursacher bezahlte den Unfall mit seinem Leben.

Ein Video von «Wiesbaden 112» über den tödlichen Unfall auf der A60 bei Ginsheim-Gustavsburg in Hessen.YouTube/Wiesbaden112

Die Rettungskräfte hatten Mühe, den Ort des Geschehens zu erreichen – und dort angekommen ihre Arbeit zu verrichten. Aber die Polizei reagierte – und filmte die, die das Drama filmten und durchs Gaffen alles noch schlimmer machten. Als die lokalen Polizeireporter «Wiesbaden 112» darüber berichteten, gab es für die Aktion jede Menge Beifall.

Polizei-Aktion als Facebook-Hit

Der Post auf der Facebook-Seite von «Wiesbaden 112» wurde über 65'000 Mal geliket. «Das ist mit Abstand unser erfolgreichster Beitrag», bestätigt Michael Ehresmann, einer der Betreiber der Seite. Seine Polizei-Reporter und er kennen das Problem mit den Schaulustigen aus eigener Erfahrung.

«Wir sind in der freiwilligen Feuerwehr aktiv: Zum einen muss man viel aufmerksamer sein, weil einem einer fast über die Füsse fährt, während er mit dem Handy beschäftigt ist. Zum anderen kommt es auf der Gegenspur oft zu Unfällen. Kollegen, die dringend gebraucht werden, kommen einfach nicht durch, weil sich unnötigerweise ein Stau gebildet hat. Das nervt einfach!» 

Ist unterlassene Hilfeleistung ein Problem? Greifen die Leute eher zur Kamera als zu Verbandskasten? «Wir selbst haben so etwas noch nicht erlebt», antwortet Ehresmann. «Wir haben aber gerade von einem Fall in Mainz gehört, bei dem tatsächlich einem angefahrenen Fahrradfahrer nicht geholfen wurde, weil erstmal Bilder gemacht wurden. Die Mentalität hat sich leider dahingehend geändert.»

Vielleicht hilft eine Gegenmassnahme wie die der Polizei – und solche Posts wie von «Wiesbaden 112» – denn auf deren Facebook-Auftritt beantworten die Polizeireporter geduldig Fragen der User.

Ein Vorbild für die Schweiz?

Einer will etwa wissen, «nach welchen Kriterien der Gesetzgeber zwischen einem Gaffer und einem normalen Bürger unterscheidet». Nüchtern wird erklärt, dass es zwei Tatbestände gibt: «Handy-Nutzung am Steuer und unnötiges Langsamfahren». Nur die, die wirklich stören, geraten ins Visier, beruhigt «Wiesbaden 112». 

«Wir haben versucht, Klarheit zu schaffen, weil es immer zu Missverständnissen kommen kann, wenn nur ein Bild und drei, vier Zeilen gepostet werden. Vor allem die, die energisch schreiben, tun das aus einem Halbwissen heraus und da nehmen wir gerne die Energie raus», so Ehresmann, der sich zusammen mit seinen Kollegen viel Zeit für die User-Fragen nehmen musste. «Wir waren selbst überrascht von dem extremen Feedback.»

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der Bademeister
12.07.2016 18:40registriert Mai 2015
jaja und ihr medien animiert die leute ja dazu.lesereporter nennt ihr das und wenns dick kommt macht ihr gleich noch ein livetcker
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33EVROPA
12.07.2016 18:36registriert Juni 2016
Gewisse Medien fördern solche Gaffer aber auch in der heutigen Smartphonezeit und Erreichbarkeit, in dem man eigene Ressorts hat "Leserreporter". Und das "beste" Bild dann auch mit einem Geldbetrag honoriert wird.
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john benz
12.07.2016 21:57registriert August 2014
Heute, Unfall auf der Autobahn nach dem Brüttisellerkreuz, Richtung Winterthur: Bei der Unfallstelle standen zwei Polizisten welchen den Verkehr in Gegenfahrtrichtung fotografierten. Es schien mir nicht das diese beiden Polizisten den Unfall ablichteten, sondern klar die Autofahrer im Fokus hatten.
So wie es aussieht fängt auch die Schweizer Polizei damit an, kommuniziert es einfach (noch) nicht öffentlich.
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