Unzählige Frauen haben unter #SchweizerAufschrei über den ganz alltäglichen Sexismus berichtet. Wir kennen ihn auch. Und deshalb haben wir uns zusammengesetzt und zeigen euch hier ein paar ganz pragmatische Möglichkeiten, euch zur Wehr zu setzen. Denn es gilt: Die sexistische Aktion braucht eine Reaktion. Sonst beginnt die Verunsicherung in dir zu wirken.
Der kleine Pfefferspray in der Tasche gibt ein gutes Gefühl. Ist so. Vor allem, wenn man ihn in einem Waffengeschäft gekauft hat. Ab und zu testen, ob er noch funktioniert. Solltest du dich alleine nachts vor einem längeren Fussmarsch befinden: Überprüfe um Himmels Willen die Windrichtung! Und – Tipp von der Grossmutter: Ein kleiner Haarspray ist zwar nicht ganz so nachhaltig böse in der Wirkung, irritiert aber genau so sehr und schafft im Notfall die nötige Zeit um wegzurennen.
Auch ein Grossvater hat an dieser Stelle einen patenten und effizienten Tipp für die streetsmarte Enkelin: Schlüsselbund in die Faust packen, Schlüssel zwischen den Fingern hervortreten lassen, fertig ist der Schlagring. Sieht auch schon von weitem sehr gefährlich aus.
Wechsle die Strassenseite. Wechselt er sie nicht mit, hat er verstanden und eh nichts Böses im Sinn. Wechselt er sie auch, ist er im guten Fall mit dir verwandt oder befreundet. Sollte dies nicht zutreffen, wird's gefährlich. Die Polizei rät Folgendes: Halte nach einem beleuchteten Hauseingang Ausschau. Geh zielstrebig darauf zu und klingle irgendwo. Dein Verfolger hat den Eindruck, dass du erwartet wirst. Sind andere Menschen auf der Strasse, schliesse dich ihnen an. Wird die Bedrohung konkreter, ruf laut um Hilfe. Je stiller, desto Opfer.
Geht nicht. Nie. Ausser, du willst sie genau dort haben. Sonst: Wegschlagen und dazu laut fluchen. Der Grabscher hasst es, als Grabscher exponiert zu werden, und erfahrungsgemäss finden sich heute in jedem Bus und in jeder Bar sofort ein paar (junge) Männer, die sich dann um ihn kümmern.
Entweder packst du jetzt seine Weichteile. Oder du rammst dein Knie in selbige. Es steckt viel Kraft in deinem Knie. Einfach mit Wucht hochziehen. Und auch hier gilt: Mach dich bemerkbar, werde laut.
Sein Ziel ist ganz klar: Er will Sex mit dir. Schau ihn dir ruhig und kühl an. Sag: «Auf dich hab ich keinen Bock. Aber auf deine Schwester. Oder deine Mutter.» Nichts macht einen Macker so schnell so winzig klein wie die Lesbenmasche gewürzt mit einer Prise Inzestfantasie.
Oder auch: «Geile Stiefel!», «Schönes Kleid!» etc. Was haben wir mal aus einer Migros-Kosmetik-Werbung gelernt? Man soll den Leuten auch spontan Komplimente machen! Aber wie reagieren? Sich freuen, natürlich! Und wirklich, wirklich nicht darüber nachdenken, ob der Komplimentierer oder die Komplimentiererin dies nun a) als Anmache oder b) als subtile Kritik an meinem sonstigen Auftreten meinen könnte. Echt nicht.
Es gibt Menschen, die haben einfach kein Näheproblem. Die sind konstant anschmiegsam und verschmust. Sie meinen es echt nicht böse und haben keine übergriffige Faser in ihrem Körper, sind aber manchmal schlicht zuviel. Mit denen musst du reden. Auch zu ihrem eigenen Schutz. Denn andere könnten ihre Zutraulichkeit falsch deuten.
Männer tun sowas. Sie schicken Frauen Penisbilder. Keine Ahnung, wieso, denn der Penis an sich ist selten was Schönes. Schick den von Rocco Siffredi zurück mit dem Kommentar: «So hätte ich das gerne.» Wenn das nichts nützt: Auf die sozialen Medien damit. Dies gilt auch für sexuell beleidigende Tweets und andere Posts: Screenshot machen, weiterverbreiten.
Okay, es quetscht einem Mann nicht die Eier ab, wenn er mit geschlossenen Beinen dasitzt. Echt nicht. Nur macht er das nicht gerne. Am ungernsten im Tram, Bus, Zug oder Flugzeug. Er ist dort durch niemanden zum Schliessen seiner Beine zu bewegen, weder durch eine Frau noch durch einen andern Mann. Er liebt seinen Platz so sehr, dass er mehr davon will. Nämlich auch einen Teil von deinem Platz. Der steht ihm aber nicht zu. Das kannst du ihm sagen. Mehr Spass macht allerdings die Wahl der Qual: Mit dem Ellenbogen, der Kindle-Kante, die zufälligerweise durch die Tasche drückt, einem Regenschirm ...
Dreh dich um. Check sie aus. Pfeif zurück. Alles easy.
Und darf ich als Lesbe einer Kollegin sagen, dass sie heute besonders hübsch aussieht? Oder werden diese beiden Beispiele jetzt sofort als Anmache verstanden? Grundsätzlich: Nein, es handelt sich um ganz normales zwischenmenschliches Verhalten. Oder nicht? Leute, ganz ehrlich, unsere Verunsicherung wächst bei solchen Fragen zunehmend.
Oder auf einem Parkplatz oder sitzt in einem Zug und tut halt, was er am liebsten tut. Er erregt sich selbst und öffentliches Ärgernis. Kamera draufhalten. Video der Polizei schicken.
Kann sein, dass du das wirklich getan hast (oh, wir kennen Beispiele ...). Dann schweig. Für alle andern: Leider heisst es dies sehr oft, gerade auch von Frauen über Frauen. Was hinter der scheinbaren Disqualifikation deiner Qualifikation wirklich steckt, ist oft nur purer Neid. Und mit dem muss man rechnen, wenn man weiter kommt als andere. Nimm's nicht ernst. Mach deine angedichtete sexuelle Potenz und Kompetenz zur Legende. Nichts sorgt für so zuverlässig fallende Kinnladen wie eine Frau, die sagt: «Stimmt, im Bett bin ich super.»
Eigentlich haben wir gedacht, dies sei ein Problem aus dem letzten Jahrtausend. Stimmt aber nicht, wie #SchweizerAufschrei beweist. Und ist eine Sauerei. Sollte dein Vorgesetzter/ deine Vorgesetzte tatsächlich auf die Idee kommen, dir das anzubieten, dann wende dich ohne Zögern an die Frauenbeauftragte/ die Personalkommission/ die Ombudsperson deines Betriebs oder an die Geschäftsleitung. Sollte der Betrieb zu klein sein, so wende dich NICHT an irgendeine «Selbsthilfegruppe» im Internet – es gibt dort enorm viele Glüschteler, die dich zur Prostitution auffordern –, sondern an eine städtische oder kantonale Beratungsstelle (siehe Nützliche Adressen unter Punkt 21).
Wahlweise natürlich auch «mit meiner Lehrerin». Ein No-Go. Für beide Seiten. Nicht. Machen. Auch wenn es sich gut anfühlen mag, erotische Macht über eine Autoritätsperson zu haben. Führt auf Seiten der unfähigen Autoritätsperson zu Recht zu Entlassung, Berufsverbot, Gefängnis. Und bei dir nicht zu besseren Noten, sondern zu Therapien, Restriktionen, überbesorgten Eltern. Sollte sich da auch nur entfernt was anbahnen: ab zum Schulpsychologen!
Wenn dir ein Mann schreibt: «Willst du mir einen blasen?», ist er sehr wahrscheinlich nicht alleine und neben andern Männern ist auch noch Alkohol im Spiel. Schau, dass bei eurer nächsten Begegnung ein paar andere dabei sind. Zeig seine Message rum. Sag: «Übrigens: Nein, ich hab echt keine Lust, dir einen zu blasen. Sonst jemand?» Irgendwie so.
Ja, auch das gibt es immer noch. Wir raten auch hier zur Gegenoffensive: nämlich zur Anschaffung eines Prachtexemplars wie «Real Cocks 2017», «Dream Boys 2017», «Firefighters 2017» oder «Schweizer Bauernkalender – Boys Edition». Das wird viel zu reden geben.
Tu's nicht. Niemals. Auch nicht, wenn sich dein Liebesleben dies wünscht. Es sei denn, du willst ins Pornogewerbe, in die Medien, bist «Künstlerin» oder hast ein Selbstbewusstsein so riesig wie das Einkommen von Jennifer Lawrence. Sonst: never ever! Die Zeiten der Nacktfotos für den allerprivatesten Privatgebrauch sind nun mal einfach vorbei. Und fertig.
Gemeint sind hier nicht Witze von Männern, sondern Witze über sie. Hätte frau ja manchmal gerne zur Hand. Hier ein paar besonders primitive:
Hier findet ihr die Liste sämtlicher Schweizer Opferberatungsstellen, Frauen- und Mädchenhäuser.
Die neue Schweizer Online-Plattform aktivistin.ch fiel in den letzten Wochen mit international öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf. Aktivistinnen färbten die Zürcher Brunnen rot, um gegen Gender Pricing zu demonstrieren und riefen #SchweizerAufschrei mit ins Leben. Sehr beeindruckende Ladies, die nach noch viel mehr Mitstreiterinnen suchen.
Auch der Blog medienpranger.ch wird von aktivistin.ch betrieben. Wer blöd über Frauen berichtet, bekommt einen goldenen Tampon zugeschickt. Die Herren Journalisten hassen das. Leider liegt der Blog seit einem Monat brach, aber die Frauen hatten ja auch genug anderes zu tun.
Erstaunlicherweise ist Popkritik in der Schweiz und auch in Deutschland eine schon fast mönchsklösterlich reine Männerdomäne. Und dann schreiben sie auch noch am liebsten über Bob Dylan! Ein Notstand. Das dachten sich auch fünf Berner Journalistinnen und gründeten den Musikblog Rockette. Wo sie aus vollen Fanherzen über schöne Musik schreiben, Interviews mit ihren Stars machen und rundum für gute Laune sorgen. Was für eine überfällige Erfindung!
Acht deutsche Journalistinnen unter 35, die – zum Teil für grosse deutsche Medien – als Auslandkorrespondentinnen tätig sind, betreiben gemeinsam das Online-Magazin Deine Korrespondentin. Sie schreiben grosse, kluge Reportagen über Frauen aus der ganzen Welt.
Unser Multimedia-Bericht diese Woche: Eine #Ukraine-Innensicht mit der Künstlerin Yevgenia Belorusets https://t.co/eL9naE7HJL
— Korrespondentin (@deine_korri) 15. Oktober 2016
Lenny ist der Newsletter, der aus dem Showbiz kommt. Lena Dunham hat ihn gegründet und damit auch von Anfang an Hillary Clinton unterstützt. Lenny lebt von riesigen Texten über Frauen (besonders über Kultur schaffende Frauen), lustigen Lifestyle-Kolumnen und langen Interviews mit Schauspielerinnen (etwa Amy Schumer), Politikerinnen (etwa Hillary Clinton), Supernerds etc. Toll geschrieben, schön illustriert.