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Sozial-Detektive wollen IV-Betrüger mit GPS-Trackern orten

Eine zentrale Parkuhr, anlaesslich der Gebuehrenerhoehung der Parkplaetze in den Hochtarifzonen der Stadt Zuerich ab dem 1. April, am Mittwoch 29. Maerz 2017, in Zuerich. (KEYSTONE/Thomas Delley)..
Bild: KEYSTONE

Sozial-Detektive wollen IV-Betrüger mit GPS-Trackern orten

Die Invalidenversicherung will im Kampf gegen Betrüger aufrüsten. GPS-Tracking und Audio-Files sollen Ermittlern die Verfolgung erleichtern. Kritikern geht das zu weit.
02.06.2017, 09:4716.10.2018, 15:28
Fabio Vonarburg
Fabio Vonarburg
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Der Detektiv schleicht sich an das Auto des Tatverdächtigen und befestigt am Fahrzeug ein kleines Gerät – einen GPS-Tracker. Damit weiss der Detektiv immer, wo sich der mutmassliche Kriminelle aufhält und kann ihm unauffällig folgen. Selbst im dichtesten Strassenverkehr. Was an einem Spionagefilm erinnert, ist die reale Forderung der IV-Stellen-Konferenz, wie die «Luzerner Zeitung» schreibt.  

Ginge es nach dem Dachverband aller IV-Stellen, würde die Observation mittels GPS-Tracking demnächst im Gesetz verankert. Auch Ton-Aufnahmen bei mutmasslichen IV-Betrügern sollen nach dem Willen der Stelle möglich sein. Damit geht ihre Forderung viel weiter, als es der Vorschlag des Bundesrats vorsieht. Dieser will im Zuge der Revision des Sozialversicherungsgesetzes lediglich Bildaufnahmen als zulässiges technisches Hilfsmittel bei Observationen zulassen.

Für die IV-Stellen reicht das jedoch nicht aus: Besucht eine Person, die eine extreme Hörempfindlichkeit geltend macht, ein lautes Konzert, müsse der Sozialdetektiv Tonaufnahmen anfertigen können, um vor Gericht den Betrug beweisen zu können. Mit dem GPS-Tracking wiederum soll verhindert werden, dass der Verdächtige den Detektiv im dichten Strassenverkehr abhängt.  

«Der Einsatz von GPS-Tracking geht mir zu weit.»
Silvia Schenker (SP)

GPS-Tracking, um IV-Betrüger zu überführen, davon hat SP-Nationalrätin Silvia Schenker ganz erstaunt aus der Zeitung erfahren. Observationen seien notwendig, sagt auch sie. Doch: «Der Einsatz von GPS-Tracking geht mir zu weit.» Die Notwendigkeit leuchte ihr nicht ein. Auch der Dachverband der Behinderten-Selbsthilfe in der Schweiz (Agile.ch) kritisiert den Vorschlag. Damit würden mutmassliche IV-Betrüger stärker überwacht als mutmassliche Straftäter.

«Wer nicht betrügt, hat nichts zu befürchten»
Mauro Tuena (SVP)

Nationalrat Mauro Tuena (SVP) würde den Einsatz von GPS-Tracking begrüssen: Er fordert, dass alle nötigen technischen Hilfsmittel eingesetzt werden dürfen. Es gehe ja immerhin um Betrug: «Wer nicht betrügt, hat nichts zu befürchten.» Es sei ja nicht so, «dass man zukünftig jedem IV-Bezieher einen Detektiv hinterher schickt». Nur bei entsprechendem Verdacht.

Sollen Sozialdetektive GPS-Tracker einsetzen dürfen?

Der Meinung von Tuena ist auch Lorenz Hess von der BDP. Wichtig sei aber, «dass die Anforderungen hoch sind und die gesetzlichen Vorgaben glasklar. Sonst bekommen wir wieder ein internationales Problem.» Damit spricht der Nationalrat den Entscheid des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom vergangenen Oktober an. Dieser hatte die Schweiz gerügt: Die gesetzliche Grundlage sei zu wenig ausreichend, um Sozialhilfeversicherte zu observieren. Als Reaktion darauf leitete der Bundesrat die laufende Gesetzesrevision in die Wege.

«Die Observierung ist in jedem Fall das letzte Mittel, die ultima Ratio», betont Monika Dudle-Ammann, Präsidentin der IV-Stellen-Konferenz. In Zahlen: 2016 hat die Invalidenversicherung 3820 Fällen wegen Missbrauchsverdacht bearbeitet, 600 dieser Tatverdächtigen wurden durch einen Ermittler observiert. «Der Wunsch nach zusätzlichen technischen Hilfsmitteln ist einfach ein Punkt, den wir in die Diskussion einbringen wollen», sagt Dudle-Ammann. «Ob dies gewünscht ist, muss letztendlich die Politik entscheiden.»

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93 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tepesch
02.06.2017 10:49registriert Oktober 2015
Alle Politiker sollten mit GPS, Mikrofon und Kamera ausgestattet werden, um möglich ilegale Abmachungen mit Lobbyisten oder anderen Personen aufzudecken. Es geht ja immerhin um Betrug. Wer sich nicht schmieren lässt, hat auch nichts zu befürchten....
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Pasch
02.06.2017 11:24registriert Oktober 2015
Wer nicht blablabla der nichts zu befürchten. Wie dumm kann jemand sein sich mit solchen Floskeln zu behelfen. Dieser Satz ist wie ein Krebsgeschwür.
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El Vals del Obrero
02.06.2017 10:33registriert Mai 2016
«Wer nicht betrügt, hat nichts zu befürchten.»

Wenn es um Bankgeheimnis oder Steuertransparenz geht, sieht das die SVP plötzlich ganz anders. Aber da geht es halt um reiche Leute, das ist natürlich komplett etwas anders ...
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