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Diese Frauen fahren Porsche oder sind so lustig wie ein tätowierter Traktor

Nordisch Blond: Die sagenhafte Saga Norén (Sofia Helin) aus dem dänisch-schwedischen Serienhit «The Bridge» («Bron/Broen»).Bild: BBC/ZDF/Carolina Romare
Drei Serien, die glücklich machen

Diese Frauen fahren Porsche oder sind so lustig wie ein tätowierter Traktor

03.04.2014, 15:0423.06.2014, 10:10
Simone Meier
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Wundervolle Wochen und Monate liegen 2014 schon hinter den Seriensüchtigen dieser Welt. Zwar gab es das unrühmlich herbeigeschluderte Ende von How I Met Your Mother zu betrauern und zu beschimpfen, aber da ist auch anderes, was sich alle «Binge-Watcher» in ihren Notvorrat packen sollten. Also all jene, die Serien am liebsten als Orgie und Völlerei konsumieren. Bis kurz vor dem Kollaps von Sehnerven und Bildschirmen. Bis zu jenem Moment, in dem sich Paare vor dem Einschlafen nicht mehr Gutnacht sagen, sondern einander besorgt fragen: «Wie es Saga Norén jetzt wohl geht?»

Binge-Watching bedeutet Versinken, Sichverlieren, Sich-tagelang-Aufgeben in den Geschichten anderer, Binge-Watching ist wie ein sehr langer, sehr guter Drogentrip mit der Nebenwirkung der Überidentifikation. Im besten Fall. Und weil Binge-Watcher nicht schon nach einer einzigen Staffel wieder auf dem Trockenen sitzen dürfen, singen wir hier die Hymne auf gleich drei Serien, die genauso tadellos weitergegangen sind, wie sie einst angefangen haben. Keine Anfängertreffer also. Nicht «True Detective». Sondern sichere Serienwerte, deren Fortsetzungen auch bereits bestätigt sind.

Zwei davon, nämlich «House of Cards» und «The Bridge» beglücken Frauen und Männer gleichermassen. Die dritte, «Girls», ist tendenziell eher für Frauen und Schwule geeignet, jedenfalls ist überliefert, dass einmal ein äusserst heterosexueller Mann seine Frau allein vor dem Fernseher sitzen liess mit den Worten: «Ich schau doch nicht fetten Weibern beim Sex zu.»

Unkorrumpierbar in ihrer Korruptheit

Trailer «House of Cards», 2. Staffel

Trailer «The Bridge», 2. Staffel

Trailer «Girls», 3. Staffel

Die zweite Staffel von «House of Cards» hatte in Amerika mehr Zuschauer als jeder oscarnominierte Film. Die Briten waren mal wieder vollkommen high, als die BBC die zweite Staffel von «The Bridge» in der Originalfassung mit englischen Untertiteln ausstrahlte. Und die Los Angeles Review of Books schrieb lange Analysen über fast jede Folge der dritten Staffel von «Girls».

Auf den ersten Blick könnten die drei nicht unterschiedlicher sein. «House of Cards» mit Kevin Spacey und Robin Wright als eiskaltes, vollkommen karrierefixiertes Paar in den Innereien von Washington ist ein Meisterwerk an Zynismus und Hochglanz-Präzision. «The Bridge» lebt vor allem von der sagenhaften Ermittlerin Saga Norén mit ihrem Asperger-Syndrom. Von der Frau mit dem verlorenen Lachen also, die nichts spürt, aber alles analysiert. «Girls», das HBO-Projekt der Allround-Künstlerin Lena Dunham (samt Produzenten-Götti Judd Apatow), ist die radikale, weibliche Generation-Ego-Fassung von Apatows Komödien über Männer, die einander so sehr mögen, dass sie immer wirken wie Schwule ohne Sex.

Das Geheimnis hinter den drei Serien? Konsequenz. Unnachgiebigkeit. Eine Vision. Und – jedenfalls bei «House of Cards»: Marktforschung. Die Produktionsfirma Netflix liess nämlich einen Algorithmus die Vorlieben der Zuschauer ausspionieren, und das Resultat war ziemlich grandios: Zuschauer favorisieren anspruchsvolle, komplexe Geschichten, sie lieben zwar durchaus das Kriminelle, aber es soll bitte raffiniert gebaut sein, und sie wollen enorm starke Frauenfiguren. Heldinnen ohne gefühligen Ballast, die grausame Frau, Shakespeares Lady Macbeth, die ihren Mann zum Morden auffordert. Unkorrumpierbar in ihrer Korruptheit.

Robin Wright als Claire Underwood spielt so eine Frau, und weibliche wie männliche Fans liegen ihr dafür zu Füssen. In der zweiten Staffel – sie beginnt damit, dass Frank Underwood (Kevin Spacey) jetzt Vizepräsident ist – spitzt sich die Rolle der Claire Underwood noch zu. Weil jetzt ihre Vergangenheit und ihr Privatleben zum Fressen der Presse werden.

Das neue Kultauto der Seriensüchtigen

Doch wie sich die schöne Schlange Claire da windet, wie sie zubeisst, wie sie ihr Gift wirken lässt, wie fein tariert ihre Berechnungen sind, wie intelligent das alles arrangiert ist, das ist von Shakespeare'scher Grandezza. Vielleicht ja aber auch bloss das Werk eines besonders ausgeklügelten Algorithmus, wer weiss. Ein Kritiker der «New York Times» rechnet House of Cards (und Girls) zu einem «Exzess an Exzellenz», der über die TV-Landschaft hereingebrochen sei.

Amerikanisch Blond: Robin Wright als durch und durch berechnende Vizepräsidenten-Gattin Claire Underwood. 
Amerikanisch Blond: Robin Wright als durch und durch berechnende Vizepräsidenten-Gattin Claire Underwood. Bild: Netflix

J.R. Ewing und seine Sue Ellen hatten in den 80er-Jahren in «Dallas» gelegentliche Ansätze dieses ultrafiesen Paarverhaltens, aber am Ende war Sue Ellen wieder das Opfer, die Trinkerin, die Wahnsinnige. Claire Underwood bleibt souverän und ihrem Gatten ebenbürtig in ihrer gelenkigen Gemeinheit. 

Saga Noréns Porsche 911.
Saga Noréns Porsche 911.Bild: BBC

Ebenfalls souverän ist in der zweiten Staffel von «The Bridge» die seltsame Saga Norén, diese kalte, schwedische Blonde mit dem schlammgrünen Porsche 911. «The Bridge» gehört ins Genre des «Nordic Noir», also zu jenen TV-Serien mit lauter emotional verstümmelten Ermittlern (wie auch Sarah Lund) und harten, in der skandinavischen Realpolitik oder Wirtschaft verankerten Verbrechensfällen. Alles immer überdacht von einem bleiernen Himmel, bevölkert von Menschen mit finsteren Minen und verschatteten Gemütern. Es scheint höchstens eine fahle Mitternachtssonne über Dänemark und Schweden, das haben wir schon gelernt, und erstaunlicherweise ist da Saga Noréns autistische Störung geradezu ein Lichtblick.

Denn was beruflich wie eine überkorrekte Fernsteuerung funktioniert und sie zur effizientesten und zugleich transparentesten Ermittlerin macht, ist privat ihr grösster Fehler - und unser grösster Gewinn: Sie liebt zwar Sex, weiss aber nicht, was Liebe ist und versucht deshalb in der zweiten Staffel, aus Ratgeber-Büchern zu lernen, wie sie eine Beziehung zu führen hätte. Normen sind ihr fremd, sie kennt bloss einen logischen Pragmatismus. Es steckt eine trockene kleine komische Erleichterung in solchen Szenen, die wohltut, denn der Rest ist wie in der ersten Staffel äusserst dicht und konsequent brutal. 

So einzigartig wie sonst nichts am Fernsehen

War das Gift im Zusammenhang mit «House of Cards» noch metaphorisch gemeint, so ist es bei «The Bridge» ganz real. Es geht da um biochemischen Terror und gezielt lancierte Epidemien, um vergiftete Äpfel, Leichen, die sich in Säuretanks auflösen, aber auch um Inzest- und Machtgelüste. Das hat in seinem ganzen Umfang etwas von einem sehr komplexen «Batman»-Plot. Sein schillerndes, dysfunktionales Herz ist das Gesicht von Saga Norén: Es ist versteinert – in verständnisloser Verwunderung allen Dummheiten dieser Welt gegenüber. Nur ganz, ganz fein zeigen sich allmählich erste Risse.

Bleibt also noch «Girls». Das Gegenteil von allem andern. So einzigartig wie sonst nichts am Fernsehen. So chaotisch. So anarchisch. Manchmal so leicht und lustig wie eine Pusteblume spätinfantiler urbaner Befindlichkeiten. In der dritten Staffel aber auch immer öfter ein gnadenloses Brennglas auf gesellschaftlich vollkommen unnützen Eigennutz von jungen Menschen, die im Angesicht der Grossstädte nach irgendwas suchen und Arbeit andauernd mit Selbstverwirklichung und Spass verwechseln.

Hannah Horvath (Lena Dunham) ist in der dritten Staffel von «Girls» eine noch exzessivere Egozentrikerin als bisher.
Hannah Horvath (Lena Dunham) ist in der dritten Staffel von «Girls» eine noch exzessivere Egozentrikerin als bisher.Bild: HBO

Die vier jungen Frauen, die einst als unbeschwerte New Yorker Königinnen des Meta-Geschwafels starteten, haben sich in der Zwischenzeit mit allerlei Ballast beladen, es wachsen ihnen Hörner und Krallen und damit die Fähigkeit, die andern immer schlimmer zu verletzen. Je mehr sie sich in erwachsenen Strukturen beweisen müssten – für die Protagonistin Hannah Horvath (Lena Dunham) wäre das die Redaktion eines Lifestyle-Magazins – desto unverantwortlicher werden sie. Und Hannahs Freundin, die einst so flamboyante Bohemienne Jessa, geht als Junkie in die dritte Staffel. Es ist die Wahrheit hinter der Fassade einer allzu unbekümmerten Existenz.

«Girls» ist noch immer lustig, noch immer frivol, noch immer anmassend in der obsessiven Zurschaustellung nicht wirklich formvollendeter nackter Tatsachen. Die Serie ist aber auch schärfer geworden, Lena Dunham geht mit ihren Figuren ins Gericht, am meisten mit ihrer Hannah: Zwei Staffeln lang hat man Hannah, die daherkommt wie ein frecher, tätowierter Traktor, schier bedingungslos geliebt. In der dritten beginnt man, die zur Freundin gewordene Figur zu verstossen. So, wie sie selbst in der Serie andere verschreckt und verstösst. Die Liebe zur Serie allerdings, die wird damit nur noch intensiver, und das zu erreichen, ist nun wirklich eine grosse Kunst.

Und so stehen sie denn da, Claire Underwood, Saga Norén und Hannah Horvath. Drei Monumente des asozialsten Eigensinns. Die uns nicht rühren. Aber packen. Wie es ihnen wohl gerade geht? 

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