Es ist ja so, dass ich jetzt seit über einem Monat clean bin. Ich hab dem Energydrink entsagt. Manchmal am morgen, wenn meine Zigarette und ich ganz allein sind, denk ich noch an ihn. Was er wohl so macht. Und ob er manchmal auch an mich denkt. Wahrscheinlich tut er das nicht, sicher hat er sich schon an neue, frische Lippen gehängt, der Schuft.
Jedenfalls ist heute etwas ungemein Bedenkliches passiert. Und ich kann nicht einmal sagen, dass mir dieses Getränk der Hölle einfach so in die Tasche gefallen ist. Oder dass es mir jemand angeworfen hat. Ich habe es mit meiner eigenen Hand aus dem Kühlregal genommen und der Kioskdame zum Scannen gereicht. Es war meine Entscheidung. Und dann hab ich diesen Dreck auch noch getrunken. Mein Hirn hat das so gewollt.
WARUM?
Wenn ich nicht weiss, warum ich etwas gemacht habe, dann frage ich Lina. Lina ist sehr weise. Und ehrlich:
Die Scham war in der Tat sehr gross. Ich will mit keinem Smoothie gesehen werden. Weil ich sie ganz tief in mir drin für etwas vom Hinterletzten halte. Aber den Heiligenschein auf der Etikette hab ich durch sie hindurch dennoch erspäht. Da wusste ich sofort: Smoothie-Alarm!
Und dann hab ich diesen kotzbröckelartigen Obst-Gemüse-Saft in meinen Körper geleert. Entgegen aller Logik.
Seht es euch genau an, dieses fruchtige Versprechen von Unschuld. Da fragt man sich unweigerlich: Und was ist mit Eva? Weil diese dumme Kuh ihre gierigen, gesundheitsfanatischen Finger nicht unter Kontrolle hatte und unbedingt einen Apfel verputzen musste, sind wir aus dem Paradies geschmissen worden!
Vielleicht war es aber auch eine Feige. Denn unter Feigenblättern haben sie und ihr Adam danach ihre Blösse verborgen. Eigentlich wurscht, was es genau war. Es war vor allem eine VERBOTENE FRUCHT. Und niemand Geringeres als GOTT selbst hat sie verboten. (Erst erschaffen, dann verbieten, sowas darf eben nur er.)
Eva hat ihre Beute nur nicht in den «Kitchenaid» geschmissen, weil es damals noch überhaupt keine Kitchenaids (Aids haha) gab. So gesehen hat sie also eigentlich einen Smoothie getrunken. Und Adam zu Selbigem genötigt.
Das war die grösste Sünde aller Zeiten. Und sie wird für alle Ewigkeit unser Erbgut verunreinigen.
WO IST DA DIE UNSCHULD?
Aber so weit denken die Menschen nicht. Sie denken zu wenig historisch. Täten sie's, dann würden sie nämlich ständig Parallelen ziehen, quer durch alle Jahrhunderte, und alles wäre ein einziges, riesiges Netz, gesponnen aus lauter sinnvollen Verbindungen. Und niemand würde mehr Smoothies trinken.
Also warum hab ich heute morgen nicht gross und historisch gedacht? Warum hab ich den blöden Smoothie gekauft?
Es war nicht die Suche nach einem würdigen Energydrink-Ersatz. Ich hab mich auf Schwarztee (mit Milch und Zucker) festgesetzt. Vielleicht war es die geistige Acht-Uhr-Umnachtung, die mir das Gehirn vernebelt hat?
Oder war es doch das schlechte Gewissen, weil ich gestern zum Zmittag einen Hotdog und zum Znacht eine Salami-Pizza verdrückt habe? Dann bin ich also auf dieses Unschulds-Versprechen reingefallen. Auf die prophezeite Reinheit.
MIST. ICH BIN EIN WERBE-OPFER.
Ich fühle mich beschmutzt. Von innen. Ich hab meine Prinzipien verraten. Ich wollte nie zu einem Smoothie-Trinker werden. Dann ist es nämlich nicht mehr weit und ich sage Sätze wie: «Ich achte jetzt sehr auf meine Gesundheit. Deswegen hab' ich heute bewusst ‹Kale› gekauft.»
Als ob es einen einzigen Menschen auf der Welt gäbe, der schon mal bewusstlos Kale gekauft hat.
Ich werde Yoga machend und gesund sterben. Mit Smoothie-Bröcklein zwischen den Zähnen.
HILFE. DAS WILL ICH NICHT.
Doch die Rücken-Etikette des Smoothies sagt etwas anderes:
VON EINER RAUTETASTE LASS ICH MIR GARANTIERT NICHT SAGEN, WAS ICH WILL.
Lina, hilf mir.
Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein Sadist... :D
So hat man weiterhin Koffein, während man auf den restlichen Dreck im Energy Drink verzichten kann. Das Koffein ist ja fast noch das gesündeste drin und gesundheitlich nur bei extrem hohen Mengen ein Problem.
Anschliessend wäre eine Serie über einen Zigarettenentzug interessant. Die schaden wohl viel mehr als Koffein, so dass das Nutzen-/Aufwand-Verhältniss viel grösser wäre.