Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft sorgt an der WM in Paris weiter für Verblüffung. Mit einem 3:1-Sieg gegen Tschechien im letzten Vorrundenspiel sicherte sie sich den zweiten Gruppenplatz und somit auch die Garantie, den Viertelfinal vom Donnerstag in gewohnter Umgebung auszutragen.
Gegner Schweden wird heute Mittwoch den Transfer von Köln in die französische Hauptstadt über die Bühne bringen müssen, während sich die Mannschaft von Patrick Fischer in aller Ruhe auf die nächste, schwierige Aufgabe vorbereiten kann.
Ja, wer hätte gedacht, dass die Schweizer in jedem der sieben Vorrundenspiele mindestens einen Punkt mitnehmen würden – vor allem nach dem missglückten Auftakt mit dem Punktverlust gegen Aufsteiger Slowenien? Wer hätte gedacht, dass diese Equipe gegen zwei Vertreter der «grossen Sechs», Kanada und Tschechien, als Sieger vom Platz gehen würde?
Das Auftreten der «Eisgenossen» ist umso erstaunlicher, als in dieser Mannschaft acht Spieler stehen, die ihr erstes WM-Turnier bestreiten. Und es wird noch einmal erstaunlicher, wenn man genauer hinschaut und sieht, dass gerade die Akteure, die auf dem Papier die Leader sein sollten, Mühe haben, ihre Leistung abzurufen.
... Damien Brunner: Der Stürmer des HC Lugano verwandelte zwar im allerersten Turnierspiel gegen Aufsteiger Slowenien seinen Versuch im Penaltyschiessen, blieb aber sonst unter den Erwartungen. Gegen Tschechien erzielte er endlich sein erstes Tor aus dem Spiel heraus. «Ich bin einfach glücklich, dass die Scheibe reingegangen ist», sagte der Goalgetter ausser Dienst, der im Spiel gegen Finnland sogar hatte zuschauen müssen.
... Raphael Diaz: Der Captain ist ziemlich weit weg von seiner Bestform. Wenn man ihm derzeit auf dem Eis zuschaut, dann sieht man einen Spieler, der sich in seinem Bemühen, die von ihm geforderte Hauptrolle zu spielen, immer mehr verkrampft.
Diaz ist sich durchaus bewusst, dass er seiner Form derzeit hinterherläuft, aber er sagt das, was die DNA dieses Teams ausmacht: «Für mich ist sekundär, wie meine Plus-Minus-Bilanz aussieht. Die Euphorie kommt, wenn wir als Mannschaft Erfolg haben. Das ist doch das Geile. Man spürt, dass jeder Spieler seine Rolle hat. Jeder kämpft, jeder will auch Kleinigkeiten verbessern.»
... Dennis Hollenstein: Der Klotener wurde im Spiel gegen Tschechien geschont. Auch er ist einer der designierten Leader, die ihr erhofftes Niveau noch nicht erreicht haben, und für einen Spieler seiner Klasse hatte er bisher eigentlich zu wenig Einfluss auf die Performance der Mannschaft.
Brunner, Diaz, Hollenstein. Diese drei Beispiele sind der beste Beweis dafür, wie überraschend gut diese Mannschaft funktioniert. Patrick Fischer hat während der ganzen Vorrunde immer wieder Personalrochaden vorgenommen – an der Performance des Teams änderte sich auch in neuer Rollenverteilung kaum je etwas. Es gab immer wieder andere Helden wie Reto Schäppi, Fabrice Herzog, Vincent Praplan oder das westschweizer Verteidigerduo Romain Loeffel/Joël Genazzi.
Im Spiel gegen Tschechien kam sogar der dritte Goalie, Niklas Schlegel, zum Einsatz und hielt in seinem allerersten WM-Spiel seiner Karriere so gut, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht. Dasselbe gilt für Zug-Verteidiger Dominik Schlumpf, der gestern ebenfalls zu seinem ersten Einsatz im laufenden WM-Turnier kam und eine souveräne Leistung ablieferte. Die Schweizer erwiesen sich in Paris quasi als die perfekten Rollenspieler.
Klar ist aber: Auch wenn das funktionierende Kollektiv bisher die Basis des Erfolgs darstellt, so müssen im Viertelfinal gegen die Schweden alle Spieler an ihr Leistungslimit und darüber hinaus, wenn sich der Traum von der Halbfinal-Qualifikation am Donnerstag erfüllen soll. Die designierten Top-Cracks wie Brunner, Diaz oder Hollenstein müssen die Leute sein, die gegen Schweden den Unterschied ausmachen. Gelingt dieser Schritt, dann wird diese verblüffende WM-Reise der Schweizer nicht zu Ende gehen.