Der Supercup ist keiner der grossen Titel. Dass ihn der FC Barcelona gegen Real Madrid verloren hat, ist keine Schande, auch das Skore von 1:5 über zwei Spiele ist keine Riesenblamage.
Dennoch trifft die Niederlage den FC Barcelona schwer. Denn der «Blaugrana» wurden von Real schonungslos die Grenzen aufgezeigt. Der Abgang von Neymar wiegt erwartungsgemäss schwer.
Die Tränen von Lionel Messi nach der Partie dürften denn auch eher der Hilflosigkeit, als der Niederlage an sich gelten. Der Superstar war bemüht, aber ziemlich auf sich alleine gestellt.
Damit Messi bald wieder lachen kann, muss der FC Barcelona fünf Baustellen dringend beheben. Sonst steht dem Team von Ernesto Valderde eine miserable Saison bevor.
Zum ersten Mal seit 31 Clasicos hatte Barcelona weniger Ballbesitz als Real Madrid. Zuletzt war das vor knapp 10 Jahren der Fall.
Real Madrid had 51.5% possession. Barçelona hadn't lost the possession battle against Madrid since 2008 pic.twitter.com/buH27G7DqX
— Richard Kwaku Yeboah (@rickytorres991) 17. August 2017
Das kommt nicht zufällig. Das traditionell sehr spielstarke und auf Ballbesitz ausgelegte Mittelfeld von Barça hat einfach nicht mehr so viel Qualität. Ivan Rakitic knüpft an seine schwache Vorsaison an, André Gomes ist für Barcelona eigentlich ohnehin zu schlecht und Sergio Busquets' Form ist miserabel. Bleibt noch Andrés Iniesta, der aber auch schon 33 Jahre alt ist. Die Hoffnungen ruhen auf Sergi Roberto (25) und Denis Suarez (23), die aber noch kein Weltklasseniveau haben.
Und da ist ja noch Neuzugang Paulinho, für den Barcelona 40 Millionen Euro nach Guangzhou überwies. Für einen 29-jährigen Spieler, der die letzten zwei Jahre in China gespielt hat. Ob dieser Paniktransfer wirklich weiterhilft?
Will sich Barcelona unmittelbar im zentralen Mittelfeld verstärken, muss ein Kaliber wie Philippe Coutinho her. Doch lässt ihn der FC Liverpool für 100 Millionen Euro überhaupt ziehen?
Dass der Abgang von Neymar sportlich nicht gleichwertig zu kompensieren ist, war klar. Derzeit hat Barça mit Deulofeu aber einen Spieler auf seiner Position, der mehr als eine Klasse schwächer ist. Hier wunderbar illustriert:
Barcelona going from Neymar to Deulofeu like pic.twitter.com/2qmpa4JkGb
— Alex Footman (@Alex_Footman) 13. August 2017
Die Alternativen heissen Arda Turan oder Denis Suarez, der auch als Flügel einsetzbar ist. Doch Neymar ersetzen können sie ebenfalls nicht annähernd. Das weiss man natürlich auch beim FC Barcelona. Deshalb ist man bereit, über 100 Millionen Euro für Borussia Dortmunds Ousmane Dembélé auszugeben.
Der 20-jährige Dembélé möchte unbedingt zu Barça, darum stellt sich der Franzose in Dortmund quer. Noch fordert der BVB aber 150 Millionen Euro. Das Wissen, dass Barcelona nach dem Neymar-Abgang eine volle Transferkasse hat, macht die Verpflichtung von neuen Spielern auch nicht billiger.
Gemäss Pep Segura, dem Sportlichen Leiter vom FC Barcelona, ist man sowohl an Dembélé als auch an Coutinho dran:
In der Innenverteidigung fehlt es Barcelona an Quantität und Qualität. Im Moment ist nur Samuel Umtiti gut genug. Mascherano ist bereits 33-jährig, er hat je länger je mehr Mühe, seine Leistung zu erbringen. Dazu kommt die derzeit katastrophale Frühform von Gerard Pique, der sich erfahrungsgemäss erst im Laufe der Saison zu steigern vermag. Daneben sind Vermaelen (verletzt) und Neuzugang Marlon (21, Brasilien) im Kader.
Gegen Real Madrid waren vor allem die vielen Abstimmungsfehler in Barças Defensive beängstigend. Die Katalanen könnten einen weiteren starken Innenverteidiger brauchen. Doch gute zentrale Verteidiger sind rar. Zwei Wochen vor Transferschluss wird es schwer, noch eine echte Verstärkung zu finden. Eine Option ist offenbar Inigo Martinez von Real Sociedad, der 26-jährige Spanier hat eine Ausstiegsklausel von 32 Millionen Euro.
Barcelona hat durchaus vielversprechende Spieler im Kader. Diese wirken aber derart verunsichert, dass sie sich kaum trauen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Aussenverteidiger Nelson Semedo, der von Benfica Lissabon gekommen ist, hat sehr gute Anlagen, spielt aber noch zu mutlos – verständlich für einen 23-jährigen Neuzugang, wenn es der ganzen Mannschaft nicht läuft.
Auch Deulofeu oder Suarez sind keine schlechten Fussballer, haben aber zu viel Angst davon, Fehler zu machen und vergessen dadurch, Argumente für sich zu sammeln. Bei Barcelona reicht es halt nicht, keine Fehler zu machen. Bei einem Klub mit so hohen Ansprüchen sollte man sich auf jeder Position profilieren.
Der neue Coach Ernesto Valverde hat mit dem Traineramt in Barcelona keine einfache Aufgabe übernommen. Für den Spanier, der zuletzt vier Jahre lang Athletic Bilbao coachte, ist der immense Druck in Barcelona etwas Neues.
Bei Athletic spielte Valverde konsequent mit einem defensiv ausgerichteten 4-2-3-1 – in Barcelona muss er sowohl Ausrichtung als auch Formation anpassen. Vor allem mit dem gewohnten Ballbesitz-Fussball hat Valverde aber grosse Mühe. In Barcelona wird kein mauern und kontern erwartet, sondern dass das Spiel gemacht wird und man dem Gegner im Zentrum überlegen ist.
Velverde's Barca vs Pep's Barca.
— SK (@marceloholic) 17. August 2017
Midfield is not in existence in Valverde's Barcelona. pic.twitter.com/ff5fSpEXlI
Bei Barcelona wird er auf das bei den Katalanen gewohnte 4-3-3 mit einem Sechser und zwei Achtern umsteigen (müssen). So agierte er bereits im Supercup-Hinspiel. Im Rückspiel versuchte es Valverde mit einem 3-5-2, welches aber nicht wunschgemäss funktionierte.
Last night valverde destroyed barca historical position.... pic.twitter.com/mNLjvxNyD9
— Joseph Manuel (@Joseph6848) 17. August 2017
Noch sind bei Valverde weder eine Handschrift noch eine Spielidee zu erkennen. Eines ist aber sicher: Er muss es schnell ändern. Die Kombination von Niederlage und wenig Ballbesitz – das kann in Barcelona nicht lange gut gehen.