Therese Johaug ist einer der ganz grossen Stars im Langlaufsport und Aushängeschild des norwegischen Teams, also der Langlaufnation schlechthin. Die 28-Jährige ist Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Gesamtweltupsiegerin, aber seit September auch etwas ganz anderes: Dopingsünderin.
Johaug hat während eines Trainingslagers in Italien eine Lippencreme benutzt, deren Inhaltsstoff Klostebol auf der Dopingliste steht. Nach Auffassung der Anti-Doping-Agentur hat sie aber nicht vorsätzlich gegen die Dopingregeln verstossen. Beantragt wurde eine Sperre für 14 Monate, das endgültige Urteil fällt ein Ausschuss des norwegischen Sportverbandes.
Dr. Beat Villiger, langjähriger Olympiaarzt der Schweizer Delegation und anerkannter Doping-Experte, behagt die Geschichte allerdings nicht. Er hat sich daher in einem offenen Brief an die Norwegerin gewandt:
Liebe Frau Johaug
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin ein grosser Fan der Sportnation Norwegen, habe viele Freunde in Norwegen und durfte während über 20 Jahren die norwegischen Langläuferinnen und Langläufer als Sportmediziner während der Höhentrainings und Wettkämpfe in Davos mitbetreuen.
Wenn ich Ihnen heute schreibe, ist es meine Sorge um einen halbwegs sauberen Spitzensport. Sie geben an, aus Versehen eine anabolika-haltige Lippensalbe benützt zu haben. Dies hat mich stutzig gemacht, da anabolika-haltige Salben und Gels deshalb in der Dopingszene so beliebt sind, weil die Anabolika wegen der täglich mehrmals applizierten Minidosen nur schwer nachweisbar sind. Ein ähnliches Vorgehen wird ja seit Jahren beim EPO-Doping gewählt, um den Radar der Dopinglabors zu «unterfliegen».
Ich habe nun Ihre Lippensalbe etwas genauer unter die Lupe genommen: Das in der Salbe vorhandene Anabolikum wird in der Bodybuilder-Szene als muskelwachstum-förderndes Präparat eingesetzt. Wie alle Anabolika verbessert es aber nicht nur die Kraft und die Kraftausdauer, sondern unterstützt auch die Regeneration, was ein deutlich höheres Trainingsvolumen erlaubt, ohne ins Übertraining zu rutschen.
Überrascht war ich dann, als ich auf der Schachtel der Lippensalbe gross und unübersehbar das Word «Doping» sah, unterstützt durch ein rotes Verbotszeichen! Dass Sie als erfahrene und weltbekannte Athletin diese Salbe zur Behandlung sonnenbedingter Lippenveränderungen eingesetzt haben, muss doch sehr erstaunen, da Sie wissen müssten, dass Sie letztlich für die Anwendung jedes Medikaments selbst verantwortlich sind. Noch mehr erstaunt, dass ausgerechnet ein erfahrener Teamarzt der anerkanntermassen professionellsten Langlaufnation diese Salbe verordnet haben soll!
Selbstverständlich besteht für Sie die Unschuldsvermutung, Opfer der eigenen Unachtsamkeit und der Grobfahrlässigkeit eines Arztes geworden zu sein. Dass Sie aber die norwegische Anti-Doping-Behörde (unüblicherweise) nur für 14 Monate sperren will, was ihnen einen Start an den nächsten Olympischen Spielen in Pyeongchang ermöglichen würde, hat mich zusätzlich noch irritiert! Zurück bleibt so oder so ein grosser Imageschaden für den von uns beiden so geliebten Langlaufsport!
Freundliche Grüsse,
Dr. med. Beat Villiger
Langjähriger Langlauf- und Olympiaarzt
(drd/kza/sda)
Auch wenn vielleicht nicht ganz klar ist, ob das Zeugs nun "Kein Doping" oder "Achtung, das ist imfall Doping" bedeutet, müsste doch sicherem jedem Sportler die Alarmglocken läuten und nachfragen, ob er / sie das nun nehmen kann oder nicht.