«Bienvenido a Malabo», sagt Angel, als wir eine halbe Stunde nach Mitternacht aus dem ziemlich modernen Flughafengebäude treten. Die schwüle Luft schlägt mir entgegen. Ich bin erleichtert. Angel fügt an: «Und, krieg ich jetzt etwas Trinkgeld von dir?» Er lächelt das erste Mal, seit ich ihn vor rund einer Stunde kennenlernte. «Du brauchst ein Taxi? Komm mit.»
Gut 90 Minuten zuvor war ich gelandet. Noch im Fingerdock wird jedem Passagier mit einem Pistolen-ähnlichen Messgerät mitten von der Stirn die Temperatur gemessen. Ein «Piep» und ich darf weiter gehen. Auch die Wärmekamera hat nichts Auffälliges angezeigt, als nächstes wartet eine Dame mit Desinfektionsmittel. Ich muss vor ihr meine Hände waschen. Keiner der Angestellten lächelt. Aber ja, das würd' ich auch nicht, müsste ich kurz vor Mitternacht einem Flugzeug voll Passagieren Fieber messen und die Hände waschen.
Es wird mir ein Fragebogen in die Hand gedrückt. Hatte ich die letzten Tage Fieber, Durchfall, Kopfweh, Was-auch-immer? War ich in einem Ebola-Land, an einer Beerdigung eines Ebola-Opfers oder in Kontakt mit Ebola-Kranken? Und so weiter. Durch dieses Prozedere muss jeder, der am Flughafen in Malabo ankommt. Egal ob Spieler, Funktionär oder Fan. Jeder. Man hat schon etwas Angst vor der Seuche, obwohl Äquatorialguinea bisher verschont geblieben ist und über 2000 Kilometer von den betroffenen Ländern entfernt liegt.
Beim nächsten Kontrollpunkt – am Ende des Fingerdocks – die entscheidende Frage: «Wo ist Ihr Visum?» Ich wedle mit dem Bestätigungsschreiben des Afrikanischen Verbands, das als Visum gelten soll. Der Beamte steckt es mit meinem Pass ein. Ich soll weiter gehen. Eine Mitarbeiterin schiebt mich und weitere Ankömmlinge trotz Protest und fragenden Blicken weiter den Gang entlang: «Jaja, den Pass erhältst du dann unten wieder.»
Erst geht es zurück auf das Rollfeld, 100 Meter dem Flughafengebäude entlang und in einen anderen Betonklotz. Dort steht die Passkontrolle an. Alle, die ohne Pass sind, sollen warten. Es betrifft aus meiner Gruppe neben mir noch einen Guatemalteken, der hier eine Stelle als Koch beginnt, wie ich erfahre. Wir sind leicht nervös. Ein kleiner Mann mit leuchtgelber Weste über seiner Uniform und USA-Mütze kommt zu uns. Er werde unsere Pässe besorgen. Wir sollen ihm doch schon mal unsere Gepäck-Bestätigung geben, er werde unsere Koffer und Rucksäcke vom Förderband holen. Ach ja, «Angel» sei sein Name. Engel, also. Und: «No hay problema.»
Die Ankunftshalle ist ziemlich chaotisch. Gleich hinter der Passkontrolle um die Ecke läuft das Gepäckband, danach folgt die Zollkontrolle. Ganz so eng sehen die Passkontrolle hier nicht alle. Verschiedene Fahrer, die auf Gäste warten, kommen auf «unsere» Seite. Es scheint, als könne jeder, der auf jemanden wartet einfach in den Raum mit dem Gepäckband.
Einige Minuten später entdecke ich Angel wieder. Er winkt mich an der Schlange vorbei zu einem Schalter. Dort liegt mein Pass auf einer Beige, aber der Beamte hat anderes zu tun. Angel zieht mich am Schalter vorbei. «Ich hab deinen Rucksack nicht gefunden. Geh und such ihn selber. Du musst hier eh warten.» Schnell erblicke ich mein Gepäck und bin fürs Erste erleichtert. Zurück hinter dem Schalter verschwindet der Beamte gerade mit meinem Pass. Ich fühle mich ein bisschen wie der Esel, vor dem an der Angel ein Rüebli baumelt, das er aber nie erreichen wird.
Zehn Minuten später kommt er wieder. «Alles okay», sagt er. Statt einem Visum habe ich einen auffällig roten Stempel im Pass. «CAN 2015 Entrada». Nichts wollten sie von mir sehen. Kein Rückflugticket, keine Hotelbestätigung, kein Gelbfieberzertifikat, keinen Strafregisterauszug, keine zwei Passfotos, keine Passkopien, kein Einladungsschreiben. Nicht einmal die 110 Euro, die ein Visum normalerweise kostet, wollen sie. Ich liebe Afrika!
Ganz durch bin ich allerdings noch nicht. Ich stehe vor der Zollkontrolle. Angel ist verschwunden. Ich lege meinen Rucksack auf das Gepäckband und müsste durch den Metalldetektor, der irgendwie zufällig mitten im Raum steht, als ob eine verschlossene Türe irgendwo mitten auf dem leeren Feld steht und alle einfach drum herum gehen. Kein Beamter überwacht die Szene im allgemeinen Durcheinander, ich laufe – wie viele andere auch – rund um das Ding herum.
Vor mir bildet sich die nächste Schlange. Jedes Gepäckstück wird von Mitarbeitern geöffnet und untersucht, dann gibt’s einen «Chribbel» auf die Gepäck-Bestätigung und man ist durch den Zoll. Ich erblicke Angel. Er winkt mich zu ihm, zieht mich an allen Leuten vorbei, drückt dem Beamten meine Bestätigung in die Hand und sagt: «Der ist gut. Es mi amigo.» Ich habe einen ersten Freund gefunden.
Wir stehen vor dem Flughafengebäude. Eineinhalb Stunden hat es gedauert. Ich stecke Angel das gewünschte Trinkgeld zu. Er will daraufhin auch noch ein Taxi für mich suchen. Doch entweder sind sie zu teuer, wollen warten bis sie voll sind oder halten nicht an. Angel schreit jedem Auto nach, das mich in die Stadt bringen könnte. Nach zehn Minuten hält eine Frau mittleren Alters. Eine Bekannte Angels. «Er muss in die Stadt? Ich nehm' ihn mit.» Gratis. Angel sei ein gewiefter Kerl, sie sei mit ihm aufgewachsen. Am Hotel – ja, die Reserveration hat tatsächlich geklappt und das Zimmer ist super – verabschiedet sie sich. «Bienvenido a Malabo. Geniesse die Zeit!»