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Kurz vor Ende des zweiten Viertels führen die Washington Wizards gegen die Golden State Warriors mit neun Punkten. Trotz des Rückstandes ist die Stimmung im Publikum der ausverkauften Oracle-Arena entspannt. Kein Grund zur Panik. Schliesslich haben die Warriors zuhause seit 53 Heimspielen nicht mehr verloren. Und schliesslich hat man ja Stephen Curry.
Der MVP (Most Valuable Player) der letzten Saison hatte das Spiel mit einem Dreier eröffnet und kurz darauf mit zwei verwandelten Freiwürfen nachgedoppelt. Danach war er nicht weiter positiv aufgefallen – im Gegenteil.
Als er vom gegnerischen Star John Wall brutal geblockt wird, protestierte der Publikumsliebling divenhaft. Während der Freiwürfe der Teamkollegen wandert er gelangweilt an der Mittellinie auf und ab, ohne dem Spiel auch nur einen Blick zu würdigen. Nachdem er bei einem Gegenstoss übergangen wird und stattdessen sein Kollege punktet, massregelt er den Passgeber.
Was aussieht wie schlechte Kinderstube, ist in Tat und Wahrheit Unterforderung. Zwei Monate zuvor hatte Curry denselben Gegner noch mit 51 Punkten im Alleingang gedemütigt. Nun, so scheint es, fehlt ihm die Herausforderung. Gelangweilt unter den Besten der Besten. Da kommen die neun Punkte Rückstand gerade recht.
Die Stimmung kippt. Stadionbesucher, die vorher noch locker im Sitz lümmelten, neigen sich nach vorn, Smartphones werden weggelegt, die Nachos werden noch hochfrequenter in Mäuler gestopft. Die freudige Anspannung der knapp 20'000 Zuschauer ist deutlich spürbar. Sie wissen: Gleich wird Curry einen Gang höher schalten. Gleich gibt es Einmaliges zu sehen.
Und dann beginnt es. Curry läuft sich frei. Nein, Curry trabt, locker, leicht, ohne erkennbare Anstrengung. Er schleicht beinahe in die Ecke. Der Pass kommt in hohem Bogen, der Verteidiger auch. Doch Currys Fang- und Wurfbewegung sind wie aus einem Guss, seine Balance trotz Rücklage perfekt. Der Dreier sitzt leicht und locker. Das Publikum reisst es ein erstes Mal von den Sitzen.
Es sind diese Momente, für die Fans aus aller Welt 15 Dollar für ein Bier ausgeben, 40 Dollar für einen Parkplatz, 100 Dollar für einen Sitzplatz weit oben gleich unter dem Dach oder gar mehrere Tausend Dollar etwas näher dran.
Sekunden später lässt Curry Gegenspieler Jared Dudley wie einen Ölgötzen stehen – zwei weitere Punkte. Und wieder diese scheinbare Leichtigkeit, diese Sicherheit.
Zurück in der Defense holt der für NBA-Verhältnisse 1,91 Meter kleine Curry einen Rebound und lanciert Kollege Livingston. Dieser muss nur noch hochsteigen. Jetzt tobt das Stadion.
Dann muss Dudley erneut dran glauben: Körpertäuschung, der Gegner ist weg und der Ball bereits wieder in der Luft. Swish. Der Ball flutscht durch den Korb. Das Stadion explodiert.
Curry tut nichts, was andere nicht könnten. Er ist nicht körperlich überlegen wie LeBron James, er ist nicht so dynamisch wie Michael Jordan. Doch Curry strahlt bei seinen Würfen eine bisher unerreichte Sicherheit aus. Eine Aura, die bis hoch hinauf in die Ränge spürbar ist.
Currys traumwandlerische Sicherheit hat eine Strahlkraft, die auch unter absoluten Superstars nur höchst selten vorkommt. Lionel Messi zum Beispiel ist ein Phänomen, ein Jahrhunderttalent. Aber Messi sieht immer ein wenig nach Kampf aus. Cristiano Ronaldos Fähigkeiten sind unbestritten, doch er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Am ehesten lässt sich Stephen Curry mit Roger Federer aus dem Jahre 2006 vergleichen.
Der Schweizer strahlte damals dieselbe Unantastbarkeit aus. So, wie Roger Federer im ersten Satz des Finals von Wimbledon Rafael Nadal mit 6:0 vorführte, so wirft im Moment Stephen Curry seine Körbe. Wie von einem anderen Stern. Überirdisch.
Die Sicherheit ihres Leaders spüren nicht nur die Fans, sondern auch seine Mitspieler: Im Heimspiel gegen Orlando spielt Center Andrew Bogut den Ball zurück zu Curry. Und noch bevor dieser wirft, läuft der Australier jubelnd zurück in die Defense. Sekunden später rauscht der Ball durch die Maschen. Ein Einzelfall? Mitnichten.
Nach nur zwei Minuten ist die Curry-Show vorbei. Zwei Minuten lang hat Stephen Curry das Tempo erhöht. Er darf sich während dieser Zeit einen Korbleger, zwei Dreier, zwei Rebounds, einen Turnover und einen Assist gutschreiben. Das Spiel ist gedreht.
Die Golden State Warriors werden diese Führung nicht mehr abtreten und am Ende ihr 54. Heimspiel in der Regular Season in Serie gewinnen. NBA-Rekord.
Drei Tage später gelingt dann den Boston Celtics das scheinbar Unmögliche. Sie beenden trotz 29 Punkten von Stephen Curry die Heimserie der Golden State Warriors mit einem 106 zu 109. Ausgerechnet Curry scheitert mit dem letzten Dreipunktewurf. Der Überirdische ist auf den Boden der Realität zurückgekehrt. Wenigstens für einen kurzen Moment.