Sport
Roger Federer

«Sorry Jungs, ihr seid zwar super, aber leider im falschen Jahrzehnt»

Kommentar

«Sorry Jungs, ihr seid zwar super, aber leider im falschen Jahrzehnt»

Roger Federer ist zum sechsten Mal Schweizer Sportler des Jahres. Auch Stan Wawrinka und drei Olympiasieger hatten keinen Stich gegen den grossen Schweizer Superstar. Dabei hätten sie mehr Anerkennung verdient. 
15.12.2014, 10:0815.12.2014, 13:09
Reto Fehr
Folge mir
Mehr «Sport»

Um es gleich am Anfang zu sagen: So lange Roger Federer Tennis spielt, darf eigentlich nur er Schweizer Sportler des Jahres werden. Von daher ist es nicht überraschend, dass er die Trophäe schon zum sechsten Mal gewonnen hat, sondern eher, warum ihm diese seit 2003 nicht per Lieferdienst pünktlich zu Weihnachten nach Hause geliefert wird.

Mit der sechsten Wahl ist er jetzt alleiniger Rekordgewinner. Bei der Dankesrede wirkte der 33-Jährige aber selbst überrascht. Er sei eigentlich wegen dem Team-Award aus Dubai eingeflogen. Die anderen Einzelsportler hätten die Auszeichnung doch in diesem Jahr verdient, insbesondere Stan Wawrinka. Oder einer der Olympiasieger. In der Mixed-Zone erklärte er später: «Dass ich im Jahr einer Winterolympiade gewinne, ist etwas überraschend.»

Die Preisträger der Swiss Awards

1 / 8
Sportler des Jahres
Marcel Hug: Behindertensportler des Jahres.
quelle: freshfocus / andreas meier/freshfocus
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Tatsächlich schien die Konkurrenz in diesem Jahr speziell gross. Stan Wawrinka, der ewige Verlierer, holt sich seinen ersten Grand-Slam-Titel und krönt sein fantastisches Jahr indem er die Schweiz zum Davis-Cup-Triumph führt. Dario Cologna wird nach seiner Verletzung auf wundersame Weise fit für Olympia und sahnt zweimal Gold ab, Iouri Podladtchikov zeigt seinen superschwierigen Yolo-Flip, gewinnt Gold und erobert unsere Herzen beim legendären Siegerinterview im Sturm. 

«Ich habe alle relevanten Titel geholt. Wenn, dann also dieses Jahr.»
Iouri Podladtchikov

Kariem Hussein sorgt im Letzigrund an der Leichtathletik-EM für Gänsehautstimmung, Sandro Viletta darf sich ebenfalls Olympiasieger nennen und Matthias Sempach war erneut der beste Schwinger des Jahres und sicherte sich den prestigeträchtigen Titel beim Kilchberger Schwinget. Iouri Podladtchikov sagt wohl stellvertretend für viele: «Ich habe alle relevanten Titel geholt. Wenn, dann also dieses Jahr.»

An Federer führt kein Weg vorbei

Trotzdem muss im Hinblick auf die Wahl zum Schweizer Sportler des Jahres klar gesagt werden: «Sorry Jungs, ihr seid zwar super, aber leider im falschen Jahrzehnt.» An Roger Federer führt kein Weg vorbei. Auch nicht in einem Jahr, in dem er zwar fünf Turniere gewinnt und mit seinem Comeback in der Weltrangliste für Furore sorgt, aber auch ohne Grand-Slam-Titel bleibt, im Endspiel der World Tour Finals Forfait geben muss und im Davis-Cup-Endspiel gegen Frankreich hinter Wawrinka nur der zweitwichtigste Spieler war. 

Denn was Roger Federer seit 2003 für den Schweizer Sport – oder das Land allgemein – leistet, ist gar nicht mehr in Worte zu fassen. Er poliert das Image der Schweiz alleine durch seine Erfolge mehr auf, als dass Schweiz Tourismus je in Werbung investieren kann. Der Baselbieter ist weltweit eine der grössten Sportikonen. Kaum sagt man einem Fremden irgendwo im Ausland, man sei aus der Schweiz fällt in den nächsten fünf Minuten (meist schon schneller) der Name des Maestros.

Irgendwie war Federer bei seiner Dankesrede etwas peinlich berührt, weil er schon wieder gewonnen hatte.
Irgendwie war Federer bei seiner Dankesrede etwas peinlich berührt, weil er schon wieder gewonnen hatte.Bild: KEYSTONE

5,9 ist nicht ganz eine 6,0

Bei allem Respekt vor Tom Lüthi (2005), Fabian Cancellara (2008), Didier Cuche (2009 und 2011), Simon Ammann (2010) und Dario Cologna (2013). Hauptgrund für ihre Titel war, dass der gemeine Schweizer nicht gerne sieht, wenn immer der Gleiche gewinnt. Es sollen doch alle etwas vom Kuchen abbekommen.

2009 beispielsweise sicherte sich Federer endlich den fehlenden French-Open-Titel und realisierte danach in einem epischen Entscheidungssatz mit 16:14 gegen Andy Roddick das höchstseltene Double mit Wimbledon. Schweizer Sportler des Jahres wurde Didier Cuche. Mit WM-Gold im Super-G und Silber in der Abfahrt. 2008 musste Federer Olympiasieger Fabian Cancellara den Vortritt lassen – obwohl er später zum vierten Mal in Serie zum Weltsportler des Jahres ausgezeichnet wurde. Am kontroversesten wurde der Sieg von Tom Lüthi 2005 diskutiert. Federer wurde dabei vom Emmentaler 125er-Weltmeister in der Gunst des Publikums nur auf Rang 2 gewählt – obwohl er danach erstmals Weltsportler des Jahres wurde.

Iouri Podladtchikov zu seinen Chancen: «Ich habe alle relevanten Titel geholt. Wenn, dann also dieses Jahr.» 
Iouri Podladtchikov zu seinen Chancen: «Ich habe alle relevanten Titel geholt. Wenn, dann also dieses Jahr.» Bild: KEYSTONE

Ich mag Wawrinka, Schurter, Cologna, Podladtchikov und wie sie alle heissen wirklich. Was sie leisten ist grandios und es fehlt meist an der gebührenden Anerkennung in der Öffentlichkeit. Aber es ist wie in der Schule, wenn jetzt wieder Zeugnisse verteilt werden. Wer eine 5,9 im Schnitt hat, wird zwar von der Familie und Freunden mit Lob überschüttet, aber für Aussenstehende stellt derjenige mit der 6,0 alle in den Schatten. The winner takes it all.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
5 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
5
Der FCB schafft gegen Juve nur die «kleine» Sensation – für die grosse fehlen vier Tore
18. März 2003: Der FC Basel träumt vom Champions-League-Viertelfinal. Nach zehn Minuten ist das geforderte 4:0 gegen Juventus Turin bereits ungeschriebene Geschichte. Dabei wäre so viel dringelegen.

«Es ist schwierig, aber nicht unmöglich.» Von Tiefstapeln ist vor der zweiten Partie gegen Juventus Turin meilenweit nichts zu hören, so auch nicht bei Julio Hernán Rossi. Trotz Herkulesaufgabe herrscht am Rheinknie fast schon Euphorie hinsichtlich einer möglichen Qualifikation für die Champions-League-Viertelfinals.

Zur Story