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Weshalb Shaqiri bei Inter zur grossen Nummer werden könnte – und was er mit Paulo Coelho zu tun hat

Xherdan Shaqiri könnte bei Inter die Rolle einnehmen, von der er die letzten Jahre geträumt hat.
Xherdan Shaqiri könnte bei Inter die Rolle einnehmen, von der er die letzten Jahre geträumt hat.Bild: Antonio Calanni/AP/KEYSTONE
Träumen allein reicht nicht

Weshalb Shaqiri bei Inter zur grossen Nummer werden könnte – und was er mit Paulo Coelho zu tun hat

Xherdan Shaqiri träumte bei den Bayern von einem Stammplatz, grossen Spielen und Verantwortung. Eine reelle Chance darauf hatte er aber nie. Dank dem Wechsel zu Inter könnte er seine Ziele nun verwirklichen. Dafür muss er aber aufwachen. 
12.01.2015, 14:3213.01.2015, 10:06
Corsin manser, mailand
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Manchmal kam einem Xherdan Shaqiri bei Bayern München vor wie der Kristallwarenhändler aus Tanger in Paulo Coelhos Roman «Der Alchemist». Dieser träumt sein Leben lang davon, einmal nach Mekka zu pilgern. Doch er weiss ganz genau, dass er die Reise niemals machen wird. «Ich möchte nur von Mekka träumen», so der Kristallwarenhändler, das halte ihn lebendig. 

Wie oft haben wir uns fast schon fremdgeschämt, als Xherdan Shaqiri bei Bayern München wieder einmal verlauten liess: «Ich möchte mehr Einsatzzeit bekommen, in den grossen Spielen eine wichtige Rolle einnehmen und eine Stammkraft werden!» Eigentlich wusste der einigermassen nüchterne Beobachter ganz genau: Xherdan Shaqiri kann sich diesen Traum ans Bein streichen – der Kraftwürfel kann noch so stark spielen, bei dieser Konkurrenz wird er sich nie und nimmer einen Stammplatz erarbeiten können.

Robben und Ribéry sind – wenn sie denn gesund sind – bei den Bayern so gesetzt wie die beiden FDP-Sitze im Bundesrat seit Einführung der «Zauberformel» 1959. Müller und Götze verdrängen zu wollen, grenzt spätestens seit der WM in Brasilien fast schon an Blasphemie. Wie hätte Shaqiri da jemals zu einem Stammplatz kommen können? Zumal Trainer Guardiola mit Thiago, Martinez, Schweinsteiger, Lewandowski und Co. bei einer Verletzung einer Stammkraft mehr als genügend Optionen hatte, um das taktische Dispositiv zu ändern, anstatt Shaqiri zu bringen. 

So gut sich Ribéry und Shaqiri auch mochten: Die Bayern-Hackordnung sprach deutlich gegen den Schweizer.
So gut sich Ribéry und Shaqiri auch mochten: Die Bayern-Hackordnung sprach deutlich gegen den Schweizer.Bild: Sebastian Widmann/freshfocus

Dass dem Schweizer bei den ganz grossen Bayern-Spielen nie die Rolle zugedacht werden würde, von der er träumte, war so klar, wie dass der Kristallwarenhändler aus Tanger nie nach Mekka reisen würde. Dennoch hatte man bei Shaqiri lange das Gefühl, dass alleine der Traum, einmal im Champions-League-Final das Game-Winning-Goal zu erzielen, ihn lebendig halte. 

Inter Mailand? Gibt's die überhaupt noch?

Doch diesen Herbst hat es bei Shaqiri «Klick» gemacht; der Gewinn des Triples (2013) und des Doubles (2014) waren zwar schön, doch der Schweizer möchte in seinem Verein Verantwortung übernehmen. Der Traum, einmal Steuermann auf dem Bayern-Schiff zu sein, war betörend. Aber die Realität als Deckschrubber wurde nun doch zu lästig; der Wechsel zu Inter Mailand die logische Konsequenz. 

Inter Mailand? Da denkt man sofort an arrivierte Fussball-Herren wie Zanetti, Milito, Lucio oder Cambiasso. An jene Legenden, welche für das letzte grosse Highlight der «Nerazzurri» verantwortlich waren: Den 2:0-Triumph über Bayern im Champions-League-Final 2010. Schlenderte man gestern jedoch vor der Partie Inter gegen Genoa an den zahlreichen Fanartikel-Verkaufsständen vorbei, wehten einem auf den ausgestellten Inter-Trikots Namen wie Kovacic, Icardi, M'Vila oder Ranocchia entgegen. 

Trikot-Stand vor dem San Siro vor dem Spiel Inter gegen Genoa.
Trikot-Stand vor dem San Siro vor dem Spiel Inter gegen Genoa.

Man merkte sofort: Diese Mailänder sind im Umbruch – nicht ein einziger Spieler der Champions-League-Helden von 2010 stand gestern gegen Genoa noch im Kader der Blau-Schwarzen. Nicht einmal mehr Javier Zanetti. Die Inter-Gallionsfigur hat seine Schuhe vergangen Sommer an den Nagel gehängt. Dieser Umbruch schmerzt. Sehr.

Seit der magischen Champions-League-Nacht befinden sich die «Nerazzurri» im freien Fall. In der Meisterschaft spielte man in den vergangen Jahren nur noch eine Nebenrolle, Champions League wird im San Siro seit 2012 höchstens noch von Stadtrivale AC Milan gespielt. Magere Kost für die sonst so verwöhnten Inter-Fans. Gewann man zwischen 2006 und 2010 doch fünf Meistertitel in Serie.

Doch es steht wieder besser um die Gemütslage der mächtigen Curva Nord im San Siro. Seit der erfolglose Coach Walter Mazzarri im November geschasst und durch Roberto Mancini ersetzt wurde, schöpft der treue Inter-Anhang wieder Hoffnung. Schliesslich gewann man unter Mancini zwischen 2005 und 2008 drei Mal die italienische Meisterschaft. Wenn der Umbruch denn gelingen soll, dann unter ihm. 

Mancini, Podolski und Shaqiri – ein Trio für die Trendwende 

Natürlich kann auch ein Mann wie Mancini das Ruder nicht sofort herumreissen, da gibt es im aktuellen Inter-Spiel einfach zu viele offene Baustellen. Doch der Wille, den Weg wieder zurück nach oben zu finden, ist gross. Unter anderem dank Spielern wie Xherdan Shaqiri oder dem ebenfalls neu hinzugekommenen Lukas Podolski soll Inter Mailand mittelfristig wieder in der Champions League spielen und um die italienische Meisterschaft mitreden dürfen.  

Findet Inter mit den Neuverpflichtungen Podolski und Shaqiri auf die Erfolgsstrasse zurück?
Findet Inter mit den Neuverpflichtungen Podolski und Shaqiri auf die Erfolgsstrasse zurück?Bild: Giuseppe Celeste/freshfocus

Die Neuverpflichtungen sollen bei diesem Plan eine wichtige Rolle spielen. Das sah man gestern bereits an der Omnipräsenz von Lukas Podolski. Der Neuzuzug von Arsenal spielte in seinem erst zweiten Match für Inter überragend. Der Deutsche dirigierte das Inter-Mittelfeld als hätte er nie was anderes gemacht. Ein feines Steilpässchen hier, ein Hacke-Trick da und zudem durfte er quasi sämtliche Standards treten. 

Für Xherdan Shaqiri dürfte eine ähnlich dominante Rolle vorgesehen sein. Nicht umsonst hat man 21 Millionen Franken investiert und ihn mit einem Vertrag bis 2019 ausgestattet. Zusammen mit Spielern wie dem Riesentalent Mateo Kovacic, dessen Vertrag vergangene Woche bis 2019 verlängert wurde oder dem erst 21-jährigen Stürmer Mauro Icardi könnte langfristig eine Inter-Generation heranwachsen, die den Verein wieder als europäischen Topklub etabliert.

Die Shaqiri-Shirts gehen bereits weg wie warme Semmeln. Kann der Schweizer die hohen Erwartungen erfüllen?
Die Shaqiri-Shirts gehen bereits weg wie warme Semmeln. Kann der Schweizer die hohen Erwartungen erfüllen?bild: watson

Die grosse Bewährungsprobe

Xherdan Shaqiri hat bei Inter Mailand endlich wieder eine Perspektive. Bei den Mailändern wird der erst 23-Jährige die Chance haben, seine Ziele zu erreichen: Verantwortung zu übernehmen und in grossen Partien eine wichtige Rolle zu spielen. Jetzt kann Shaqiri zeigen, was er wirklich draufhat. Dafür muss er aber beweisen, dass er nicht wie Coelhos Kristallwarenhändler bloss träumen möchte, sondern dass er seine Ziele auch wirklich erreichen will.

Auf Xherdan Shaqiri wartet viel harte Arbeit, die er durchaus mit einem gesunden Selbstvertrauen anpacken soll. Doch Bescheidenheit, Geduld und Demut werden mindestens ebenso wichtig sein. Denn ein Alchemist, der aus dem Inter-Blei einfach so Gold zaubern kann, ist Shaqiri nicht.

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