Januar 2012: Fussball-Österreich ist am Tiefpunkt. In der Weltrangliste sind unsere östlichen Nachbarn noch auf Rang 71 klassiert – hinter Nationen wie Mali, Usbekistan, Burkina Faso, Libyen, Sierra Leone, den Kapverdischen Inseln und Jamaika.
Fast noch schlimmer als das Abrutschen ins Niemandsland des internationalen Fussballs ist für die Österreicher aber der Fakt, dass mit Marcel Koller kürzlich ein Schweizer das Amt des ÖFB-Teamchefs übernommen hat.
Als im Oktober 2011 bekanntgegeben wurde, dass der Zürcher das Traineramt übernimmt, wehte ihm ein eisiger Wind aus der österreichischen Medienlandschaft entgegen:
Nicht mal vier Jahre nach seinem Amtsantritt, am 8. September 2015, hat Marcel Koller alles auf den Kopf gestellt. Dank einem 4:1-Auswärtssieg in Schweden ist Österreich frühzeitig für die EM qualifiziert.
Beim letzten Spiel der Qualifikation stand das Feiern im Mittelpunkt. Nach dem lockeren 3:0-Sieg gegen Liechtenstein gab es kein Halten mehr, schliesslich hat sich Österreich zum ersten Mal in der Geschichte aus eigener Kraft für eine EM-Endrunde qualifiziert.
Mittlerweile liegt Österreich – das uns normalerweise nur im Wintersport Paroli bieten kann – auf Rang 11 der Weltrangliste und damit nicht nur vor unserer Nati (14.), sondern auch vor anderen «grossen» Fussballnationen wie Italien (15.), Holland (17.) oder Frankreich (21.).
Grundstein für den österreichischen Erfolg ist der Schweizer Trainer-Export Marcel Koller. ORF-Kommentator Thomas König ist voll des Lobes für den Zürcher: «Er ist der ganz grosse Schweizer Kracher als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft. Er hat ganz wesentlich beeinflusst, was hier in den letzten Jahren passiert ist.»
Dieses äusserst sehenswerte Video zeigt die grosse Wende des Österreichischen Fussballs unter Marcel Koller.
Wie hat es Marcel Koller geschafft, dass sich Österreich zum ersten Mal in der Geschichte aus eigener Kraft für eine EM-Endrunde qualifiziert?
Marcel Koller hat es vor allem dank Kontinuität geschafft, aus Österreich ein Spitzenteam zu formen, indem er seinen Stammspielern viel Vertrauen schenkt – auch in schwierigen Phasen. Das ist gerade in einer Nationalmannschaft wie der österreichischen elementar, da sie nicht sonderlich viel Breite an Topspielern aufweist.
Im Tor hat Koller trotz einigen schwächeren Spielen auf den Goalie von Austria Wien, Robert Almer, gesetzt. Dieser dankte es mit einem neuen Rekord von Minuten ohne Gegentor (603) während der EM-Quali.
Die nur fünf Gegentore in 10 Qualispielen sind neben Torhüter Almer auch auf die starke Defensive zurückzuführen, die von Ex-Basler Alexander Dragovic angeführt wird. Daneben verteidigen in der Regel Martin Hinteregger (von RB Salzburg in der Rückrunde an Gladbach ausgeliehen) sowie auf den Aussen der frischgebackene englische Meister Christian Fuchs und Florian Klein von Stuttgart.
Der einzige Spieler mit Weltklasse-Format ist David Alaba. Der Bayern-Star spielt in der Nationalmannschaft im zentralen Mittelfeld, da er dort am meisten bewirken kann. Neben ihm agieren im von Marcel Koller bevorzugten 4-2-3-1 Baumgartlinger (Mainz), sowie in der offensiven Dreierreihe Arnautovic (Stoke City), Junuzovic (Bremen) und Harnik (Stuttgart).
Gerade der extrovertierte Marko Arnautovic machte unter Marcel Koller eine beeindruckende Entwicklung vom Problemfall zum Leistungsträger. Auch in der Premier League vermochte der Teamkollege von Xherdan Shaqiri mit 17 direkten Torbeteiligungen in 34 Spielen zu überzeugen.
Im Sturm ist der FCB-Angreifer Marc Janko gesetzt. Er hat in 52 Länderspielen 26 Mal getroffen. In der EM-Qualifikation zeigte sich der 1,96 Meter grosse Janko in der Form seines Lebens: Sieben Treffer in neun Partien lautet seine starke Ausbeute.
Das erklärte Ziel der Österreicher ist das Überstehen der Vorrunde, aber irgendwie ist diesem Team sogar noch mehr zuzutrauen. Und für einmal kann man auch als Schweizer die Daumen drücken. Schliesslich steht mit Marcel Koller ein Zürcher am Ursprung des Erfolges.